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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

Für den Minderjährigen, der an seinem Wohnsitz das
gesetzliche Alter der Volljährigkeit erreicht, hat die dadurch
erlangte Selbstständigkeit ganz die Natur eines erworbenen
Rechts, welches ihm also durch die blos zufällige Verände-
rung des Wohnsitzes nicht wieder entzogen werden kann.
Diese Auffassung erhält eine besondere Bestätigung durch
die Vergleichung mit dem Fall, wenn die Volljährigkeit an
dem früheren Wohnsitz nicht durch das Alter, sondern durch
venia aetatis, erworben, und nachher der Wohnsitz verlegt
wird. Die Folgen einer solchen landesherrlichen Verleihung
können ihm unmöglich wieder entzogen werden (p). Es
würde aber unnatürlich und willkürlich sein, der auf das
Gesetz der früheren Heimath gegründeten Volljährigkeit ge-
ringere Kraft und Dauer zuzuschreiben, als der aus Ver-
leihung entstandenen.

Die hier aufgestellte Behauptung ist im Preußischen
Recht, sowohl durch die Praxis der Gerichte, als durch
Schriftsteller, unzweifelhaft anerkannt (q).


(p) Dieses Letzte wird auch
anerkannt in der Uebereinkunft
zwischen Preußen und Sachsen
vom J. 1821 § 3 (Ges. Samml.
S. 39). Desgleichen wird es
anerkannt von Hert § 8, der
also hierin ganz inconsequent ist
(Note n).
(q) Bornemann Preuß. Recht
B. 1 S. 53 Note 1. Num. 2.
Koch Preuß. Recht § 40 Note 11.
Beide geben mehrere Rescripte des
Justizministerii an, wodurch die
Praxis der Gerichte außer Zweifel
gesetzt wird.
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

Für den Minderjährigen, der an ſeinem Wohnſitz das
geſetzliche Alter der Volljährigkeit erreicht, hat die dadurch
erlangte Selbſtſtändigkeit ganz die Natur eines erworbenen
Rechts, welches ihm alſo durch die blos zufällige Verände-
rung des Wohnſitzes nicht wieder entzogen werden kann.
Dieſe Auffaſſung erhält eine beſondere Beſtätigung durch
die Vergleichung mit dem Fall, wenn die Volljährigkeit an
dem früheren Wohnſitz nicht durch das Alter, ſondern durch
venia aetatis, erworben, und nachher der Wohnſitz verlegt
wird. Die Folgen einer ſolchen landesherrlichen Verleihung
können ihm unmöglich wieder entzogen werden (p). Es
würde aber unnatürlich und willkürlich ſein, der auf das
Geſetz der früheren Heimath gegründeten Volljährigkeit ge-
ringere Kraft und Dauer zuzuſchreiben, als der aus Ver-
leihung entſtandenen.

Die hier aufgeſtellte Behauptung iſt im Preußiſchen
Recht, ſowohl durch die Praxis der Gerichte, als durch
Schriftſteller, unzweifelhaft anerkannt (q).


(p) Dieſes Letzte wird auch
anerkannt in der Uebereinkunft
zwiſchen Preußen und Sachſen
vom J. 1821 § 3 (Geſ. Samml.
S. 39). Desgleichen wird es
anerkannt von Hert § 8, der
alſo hierin ganz inconſequent iſt
(Note n).
(q) Bornemann Preuß. Recht
B. 1 S. 53 Note 1. Num. 2.
Koch Preuß. Recht § 40 Note 11.
Beide geben mehrere Reſcripte des
Juſtizminiſterii an, wodurch die
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geſetzt wird.
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[168/0190] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. Für den Minderjährigen, der an ſeinem Wohnſitz das geſetzliche Alter der Volljährigkeit erreicht, hat die dadurch erlangte Selbſtſtändigkeit ganz die Natur eines erworbenen Rechts, welches ihm alſo durch die blos zufällige Verände- rung des Wohnſitzes nicht wieder entzogen werden kann. Dieſe Auffaſſung erhält eine beſondere Beſtätigung durch die Vergleichung mit dem Fall, wenn die Volljährigkeit an dem früheren Wohnſitz nicht durch das Alter, ſondern durch venia aetatis, erworben, und nachher der Wohnſitz verlegt wird. Die Folgen einer ſolchen landesherrlichen Verleihung können ihm unmöglich wieder entzogen werden (p). Es würde aber unnatürlich und willkürlich ſein, der auf das Geſetz der früheren Heimath gegründeten Volljährigkeit ge- ringere Kraft und Dauer zuzuſchreiben, als der aus Ver- leihung entſtandenen. Die hier aufgeſtellte Behauptung iſt im Preußiſchen Recht, ſowohl durch die Praxis der Gerichte, als durch Schriftſteller, unzweifelhaft anerkannt (q). (p) Dieſes Letzte wird auch anerkannt in der Uebereinkunft zwiſchen Preußen und Sachſen vom J. 1821 § 3 (Geſ. Samml. S. 39). Desgleichen wird es anerkannt von Hert § 8, der alſo hierin ganz inconſequent iſt (Note n). (q) Bornemann Preuß. Recht B. 1 S. 53 Note 1. Num. 2. Koch Preuß. Recht § 40 Note 11. Beide geben mehrere Reſcripte des Juſtizminiſterii an, wodurch die Praxis der Gerichte außer Zweifel geſetzt wird.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/190>, abgerufen am 02.05.2024.