Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 365 I. Zustand der Person an sich. (Forts.)
liches Recht auch nach verändertem Wohnsitz der Person
fest halten wollen, obgleich grundsätzlich dieser Widerspruch
nicht zu rechtfertigen ist (n).

Zweitens verdient besondere Erwägung eine vorzüglich
häufige und wichtige Anwendung jenes Satzes, die auf
den gesetzlichen Zeitpunkt der Volljährigkeit. Eine unbe-
dingte Anwendung der oben aufgestellten Regel würde hier
zwei entgegengesetzte Folgen mit sich führen. Das Preußische
Landrecht setzt die Volljährigkeit auf vier und zwanzig Jahre,
das in Cöln geltende Französische Recht auf ein und zwanzig.
Wenn nun im Alter von zwei und zwanzig Jahren ein
Berliner seinen Wohnsitz nach Cöln verlegt, so müßte er
augenblicklich volljährig werden. Verlegt dagegen im gleichen
Alter ein Cölner den Wohnsitz nach Berlin, so müßte er
wieder minderjährig werden, von Neuem unter Vormund-
schaft kommen, und noch zwei Jahre unter derselben bleiben.
-- Die erste dieser beiden Folgen hat auch kein Bedenken,
und wird schwerlich einen Widerspruch erfahren. Die zweite
Folge aber, obgleich sie von älteren Schriftstellern gleichfalls
vertheidigt wird (o), ist aus folgenden Gründen zu ver-
werfen.


(n) Story a. a. O. führt so-
wohl Schriftsteller, als Amerika-
nische und Englische Urtheils-
sprüche, für die eine oder andere
Meinung an. Indessen spielen' in
seiner ausführlichen Erörterung
zwei an sich sehr verschiedene Fragen
in einander: Die Collision des
alten und neuen Wohnsitzes, und
die Collision des Wohnsitzes über-
haupt mit dem Ort, wo ein
Rechtsgeschäft (z. B. eine Ehe)
geschlossen wird.
(o) Lauterbach de domici-
lio § 69, Dissert. Vol. 2 p. 1353.
Hert.
§ 5 am Ende des §.

§. 365 I. Zuſtand der Perſon an ſich. (Fortſ.)
liches Recht auch nach verändertem Wohnſitz der Perſon
feſt halten wollen, obgleich grundſätzlich dieſer Widerſpruch
nicht zu rechtfertigen iſt (n).

Zweitens verdient beſondere Erwägung eine vorzüglich
häufige und wichtige Anwendung jenes Satzes, die auf
den geſetzlichen Zeitpunkt der Volljährigkeit. Eine unbe-
dingte Anwendung der oben aufgeſtellten Regel würde hier
zwei entgegengeſetzte Folgen mit ſich führen. Das Preußiſche
Landrecht ſetzt die Volljährigkeit auf vier und zwanzig Jahre,
das in Cöln geltende Franzöſiſche Recht auf ein und zwanzig.
Wenn nun im Alter von zwei und zwanzig Jahren ein
Berliner ſeinen Wohnſitz nach Cöln verlegt, ſo müßte er
augenblicklich volljährig werden. Verlegt dagegen im gleichen
Alter ein Cölner den Wohnſitz nach Berlin, ſo müßte er
wieder minderjährig werden, von Neuem unter Vormund-
ſchaft kommen, und noch zwei Jahre unter derſelben bleiben.
— Die erſte dieſer beiden Folgen hat auch kein Bedenken,
und wird ſchwerlich einen Widerſpruch erfahren. Die zweite
Folge aber, obgleich ſie von aͤlteren Schriftſtellern gleichfalls
vertheidigt wird (o), iſt aus folgenden Gründen zu ver-
werfen.


(n) Story a. a. O. führt ſo-
wohl Schriftſteller, als Amerika-
niſche und Engliſche Urtheils-
ſprüche, für die eine oder andere
Meinung an. Indeſſen ſpielen’ in
ſeiner ausführlichen Erörterung
zwei an ſich ſehr verſchiedene Fragen
in einander: Die Colliſion des
alten und neuen Wohnſitzes, und
die Colliſion des Wohnſitzes über-
haupt mit dem Ort, wo ein
Rechtsgeſchäft (z. B. eine Ehe)
geſchloſſen wird.
(o) Lauterbach de domici-
lio § 69, Dissert. Vol. 2 p. 1353.
Hert.
§ 5 am Ende des §.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0189" n="167"/><fw place="top" type="header">§. 365 <hi rendition="#aq">I.</hi> Zu&#x017F;tand der Per&#x017F;on an &#x017F;ich. (Fort&#x017F;.)</fw><lb/>
liches Recht auch nach verändertem Wohn&#x017F;itz der Per&#x017F;on<lb/>
fe&#x017F;t halten wollen, obgleich grund&#x017F;ätzlich die&#x017F;er Wider&#x017F;pruch<lb/>
nicht zu rechtfertigen i&#x017F;t <note place="foot" n="(n)"><hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">Story</hi></hi> a. a. O. führt &#x017F;o-<lb/>
wohl Schrift&#x017F;teller, als Amerika-<lb/>
ni&#x017F;che und Engli&#x017F;che Urtheils-<lb/>
&#x017F;prüche, für die eine oder andere<lb/>
Meinung an. Inde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;pielen&#x2019; in<lb/>
&#x017F;einer ausführlichen Erörterung<lb/>
zwei an &#x017F;ich &#x017F;ehr ver&#x017F;chiedene Fragen<lb/>
in einander: Die Colli&#x017F;ion des<lb/>
alten und neuen Wohn&#x017F;itzes, und<lb/>
die Colli&#x017F;ion des Wohn&#x017F;itzes über-<lb/>
haupt mit dem Ort, wo ein<lb/>
Rechtsge&#x017F;chäft (z. B. eine Ehe)<lb/>
ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en wird.</note>.</p><lb/>
            <p>Zweitens verdient be&#x017F;ondere Erwägung eine vorzüglich<lb/>
häufige und wichtige Anwendung jenes Satzes, die auf<lb/>
den ge&#x017F;etzlichen Zeitpunkt der Volljährigkeit. Eine unbe-<lb/>
dingte Anwendung der oben aufge&#x017F;tellten Regel würde hier<lb/>
zwei entgegenge&#x017F;etzte Folgen mit &#x017F;ich führen. Das Preußi&#x017F;che<lb/>
Landrecht &#x017F;etzt die Volljährigkeit auf vier und zwanzig Jahre,<lb/>
das in Cöln geltende Franzö&#x017F;i&#x017F;che Recht auf ein und zwanzig.<lb/>
Wenn nun im Alter von zwei und zwanzig Jahren ein<lb/>
Berliner &#x017F;einen Wohn&#x017F;itz nach Cöln verlegt, &#x017F;o müßte er<lb/>
augenblicklich volljährig werden. Verlegt dagegen im gleichen<lb/>
Alter ein Cölner den Wohn&#x017F;itz nach Berlin, &#x017F;o müßte er<lb/>
wieder minderjährig werden, von Neuem unter Vormund-<lb/>
&#x017F;chaft kommen, und noch zwei Jahre unter der&#x017F;elben bleiben.<lb/>
&#x2014; Die er&#x017F;te die&#x017F;er beiden Folgen hat auch kein Bedenken,<lb/>
und wird &#x017F;chwerlich einen Wider&#x017F;pruch erfahren. Die zweite<lb/>
Folge aber, obgleich &#x017F;ie von a&#x0364;lteren Schrift&#x017F;tellern gleichfalls<lb/>
vertheidigt wird <note place="foot" n="(o)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Lauterbach</hi> de domici-<lb/>
lio § 69, Dissert. Vol. 2 p. 1353.<lb/><hi rendition="#k">Hert.</hi></hi> § 5 am Ende des §.</note>, i&#x017F;t aus folgenden Gründen zu ver-<lb/>
werfen.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0189] §. 365 I. Zuſtand der Perſon an ſich. (Fortſ.) liches Recht auch nach verändertem Wohnſitz der Perſon feſt halten wollen, obgleich grundſätzlich dieſer Widerſpruch nicht zu rechtfertigen iſt (n). Zweitens verdient beſondere Erwägung eine vorzüglich häufige und wichtige Anwendung jenes Satzes, die auf den geſetzlichen Zeitpunkt der Volljährigkeit. Eine unbe- dingte Anwendung der oben aufgeſtellten Regel würde hier zwei entgegengeſetzte Folgen mit ſich führen. Das Preußiſche Landrecht ſetzt die Volljährigkeit auf vier und zwanzig Jahre, das in Cöln geltende Franzöſiſche Recht auf ein und zwanzig. Wenn nun im Alter von zwei und zwanzig Jahren ein Berliner ſeinen Wohnſitz nach Cöln verlegt, ſo müßte er augenblicklich volljährig werden. Verlegt dagegen im gleichen Alter ein Cölner den Wohnſitz nach Berlin, ſo müßte er wieder minderjährig werden, von Neuem unter Vormund- ſchaft kommen, und noch zwei Jahre unter derſelben bleiben. — Die erſte dieſer beiden Folgen hat auch kein Bedenken, und wird ſchwerlich einen Widerſpruch erfahren. Die zweite Folge aber, obgleich ſie von aͤlteren Schriftſtellern gleichfalls vertheidigt wird (o), iſt aus folgenden Gründen zu ver- werfen. (n) Story a. a. O. führt ſo- wohl Schriftſteller, als Amerika- niſche und Engliſche Urtheils- ſprüche, für die eine oder andere Meinung an. Indeſſen ſpielen’ in ſeiner ausführlichen Erörterung zwei an ſich ſehr verſchiedene Fragen in einander: Die Colliſion des alten und neuen Wohnſitzes, und die Colliſion des Wohnſitzes über- haupt mit dem Ort, wo ein Rechtsgeſchäft (z. B. eine Ehe) geſchloſſen wird. (o) Lauterbach de domici- lio § 69, Dissert. Vol. 2 p. 1353. Hert. § 5 am Ende des §.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/189
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/189>, abgerufen am 02.05.2024.