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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

Nach dieser Vorbereitung gehe ich über zu den Bestim-
mungen über das bei Beurtheilung der Wechselfähigkeit
anzuwendende örtliche Recht. Zuerst von den Inländern.
Wenn diese im Inlande Wechselgeschäfte vornehmen, so
sind sie natürlich an die Beschränkungen des Preußischen
Rechts gebunden. Thun sie es im Auslande, so müßte ei-
gentlich, nach dem allgemeinen Grundsatz, Dasselbe gelten;
sie müßten nach dem Rechte des Wohnsitzes beurtheilt werden,
also nach dem Preußischen Gesetz über die beschränkte Wechsel-
fähigkeit. Dieses aber soll hier anders gehalten werden; ihre
Wechselfähigkeit soll beurtheilt werden nach dem Orte des verhan-
delten Geschäftes (l), und nur ausnahmsweise nach Preußischem
Rechte, wenn nämlich beide Contrahenten Preußen sind (m). --
Wie ist es nun zu erklären, daß das Landrecht hier von dem allge-

bei Wechseln gänzlich die allge-
meine Handlungsfähigkeit von der
Wechselfähigkeit; diese letzte sey
nach Preußischem Recht eine Ge-
werbsberechtigung, ein Privilegium
der Kaufleute. Diese Auffassung
scheint mir gezwungen, und erklärt
auch nicht einmal die besonderen
Vorschriften über das örtliche Recht
bei der Wechselfähigkeit (s. u.
Note q).
(l) A. L. R. II. 8 § 936
"Außerhalb Landes vorgenommene
Wechselgeschäfte sind nach den Ge-
setzen des Orts, wo sie verhandelt
worden, zu beurtheilen". Diese
Worte allein könnten auch etwa
blos von der Einrichtung des
Wechsels u. s. w., und nicht von
der persönlichen Wechselfähigkeit,
verstanden werden. Die Beziehung
auf diese letzte aber wird unzweifel-
haft durch den augenscheinlichen
Gegensatz im § 938: "Hat aber
ein Landeseinwohner mit einem
andern Landeseinwohner,
welcher nicht wechselfähig
ist
, ein Wechselgeschäft geschlossen:
so ist selbiges nur eben so
zu beurtheilen, wie wenn
es innerhalb Landes ge-
schlossen wäre
".
(m) A. L. R. II. 8 § 938
(abgedruckt in Note l). -- Daß
diese Auffassung die richtige sey,
wurde früherhin bestritten, in
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

Nach dieſer Vorbereitung gehe ich über zu den Beſtim-
mungen über das bei Beurtheilung der Wechſelfähigkeit
anzuwendende örtliche Recht. Zuerſt von den Inländern.
Wenn dieſe im Inlande Wechſelgeſchäfte vornehmen, ſo
ſind ſie natürlich an die Beſchränkungen des Preußiſchen
Rechts gebunden. Thun ſie es im Auslande, ſo müßte ei-
gentlich, nach dem allgemeinen Grundſatz, Daſſelbe gelten;
ſie müßten nach dem Rechte des Wohnſitzes beurtheilt werden,
alſo nach dem Preußiſchen Geſetz über die beſchränkte Wechſel-
fähigkeit. Dieſes aber ſoll hier anders gehalten werden; ihre
Wechſelfähigkeit ſoll beurtheilt werden nach dem Orte des verhan-
delten Geſchäftes (l), und nur ausnahmsweiſe nach Preußiſchem
Rechte, wenn nämlich beide Contrahenten Preußen ſind (m). —
Wie iſt es nun zu erklären, daß das Landrecht hier von dem allge-

bei Wechſeln gänzlich die allge-
meine Handlungsfähigkeit von der
Wechſelfähigkeit; dieſe letzte ſey
nach Preußiſchem Recht eine Ge-
werbsberechtigung, ein Privilegium
der Kaufleute. Dieſe Auffaſſung
ſcheint mir gezwungen, und erklärt
auch nicht einmal die beſonderen
Vorſchriften über das örtliche Recht
bei der Wechſelfähigkeit (ſ. u.
Note q).
(l) A. L. R. II. 8 § 936
„Außerhalb Landes vorgenommene
Wechſelgeſchäfte ſind nach den Ge-
ſetzen des Orts, wo ſie verhandelt
worden, zu beurtheilen“. Dieſe
Worte allein könnten auch etwa
blos von der Einrichtung des
Wechſels u. ſ. w., und nicht von
der perſönlichen Wechſelfähigkeit,
verſtanden werden. Die Beziehung
auf dieſe letzte aber wird unzweifel-
haft durch den augenſcheinlichen
Gegenſatz im § 938: „Hat aber
ein Landeseinwohner mit einem
andern Landeseinwohner,
welcher nicht wechſelfähig
iſt
, ein Wechſelgeſchäft geſchloſſen:
ſo iſt ſelbiges nur eben ſo
zu beurtheilen, wie wenn
es innerhalb Landes ge-
ſchloſſen wäre
“.
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(abgedruckt in Note l). — Daß
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[154/0176] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. Nach dieſer Vorbereitung gehe ich über zu den Beſtim- mungen über das bei Beurtheilung der Wechſelfähigkeit anzuwendende örtliche Recht. Zuerſt von den Inländern. Wenn dieſe im Inlande Wechſelgeſchäfte vornehmen, ſo ſind ſie natürlich an die Beſchränkungen des Preußiſchen Rechts gebunden. Thun ſie es im Auslande, ſo müßte ei- gentlich, nach dem allgemeinen Grundſatz, Daſſelbe gelten; ſie müßten nach dem Rechte des Wohnſitzes beurtheilt werden, alſo nach dem Preußiſchen Geſetz über die beſchränkte Wechſel- fähigkeit. Dieſes aber ſoll hier anders gehalten werden; ihre Wechſelfähigkeit ſoll beurtheilt werden nach dem Orte des verhan- delten Geſchäftes (l), und nur ausnahmsweiſe nach Preußiſchem Rechte, wenn nämlich beide Contrahenten Preußen ſind (m). — Wie iſt es nun zu erklären, daß das Landrecht hier von dem allge- (k) (l) A. L. R. II. 8 § 936 „Außerhalb Landes vorgenommene Wechſelgeſchäfte ſind nach den Ge- ſetzen des Orts, wo ſie verhandelt worden, zu beurtheilen“. Dieſe Worte allein könnten auch etwa blos von der Einrichtung des Wechſels u. ſ. w., und nicht von der perſönlichen Wechſelfähigkeit, verſtanden werden. Die Beziehung auf dieſe letzte aber wird unzweifel- haft durch den augenſcheinlichen Gegenſatz im § 938: „Hat aber ein Landeseinwohner mit einem andern Landeseinwohner, welcher nicht wechſelfähig iſt, ein Wechſelgeſchäft geſchloſſen: ſo iſt ſelbiges nur eben ſo zu beurtheilen, wie wenn es innerhalb Landes ge- ſchloſſen wäre“. (m) A. L. R. II. 8 § 938 (abgedruckt in Note l). — Daß dieſe Auffaſſung die richtige ſey, wurde früherhin beſtritten, in (k) bei Wechſeln gänzlich die allge- meine Handlungsfähigkeit von der Wechſelfähigkeit; dieſe letzte ſey nach Preußiſchem Recht eine Ge- werbsberechtigung, ein Privilegium der Kaufleute. Dieſe Auffaſſung ſcheint mir gezwungen, und erklärt auch nicht einmal die beſonderen Vorſchriften über das örtliche Recht bei der Wechſelfähigkeit (ſ. u. Note q).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/176>, abgerufen am 03.05.2024.