Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Allein auch diese Auffassung kann nur mit großer Be-
schränkung als richtig anerkannt werden.

Die praktische Bedeutung nämlich des Römischen domi-
cilium
bezog sich immer wieder auf die Stadtgemeinde und
deren Gebiet, indem der Wohnsitz, eben so wie das Bür-
gerrecht, jeden Einzelnen zum Angehörigen einer Stadt-
gemeinde
machen konnte (§ 351. 353). Diese aus-
schließende praktische Bedeutung ist nicht mehr vorhanden,
oder sie hat vielmehr eine andere Gestalt angenommen.

Dagegen ist die Art, wie der Wohnsitz entsteht und
wieder aufgehoben wird (§ 353. 354), bei uns ganz die-
selbe wie im Römischen Recht, und in sofern sind bei uns
die Bestimmungen des Römischen Rechts völlig anwendbar.

Die Gränze des anwendbaren und nicht anwendbaren
Theils jener ganzen Lehre wird nun noch anschaulicher
werden durch die Betrachtung der drei einzelnen Wirkungen,
die das Römische Recht an den Wohnsitz, eben so wie an
das Stadtbürgerrecht, knüpft (§. 355. 356).

1. Städtische Lasten (munera). Diese können hier völlig
unbeachtet bleiben, da sie sich ganz auf eigenthümlich
Römische Verhältnisse bezogen.

2. Gerichtsstand (forum domicilii).

Diese Wirkung des Wohnsitzes ist nicht nur im heuti-
gen Rechte übrig geblieben, sondern sie erscheint hier
noch wichtiger, als bei den Römern. Denn bei die-
sen bestand ganz gewöhnlich das forum originis neben

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Allein auch dieſe Auffaſſung kann nur mit großer Be-
ſchränkung als richtig anerkannt werden.

Die praktiſche Bedeutung nämlich des Römiſchen domi-
cilium
bezog ſich immer wieder auf die Stadtgemeinde und
deren Gebiet, indem der Wohnſitz, eben ſo wie das Bür-
gerrecht, jeden Einzelnen zum Angehörigen einer Stadt-
gemeinde
machen konnte (§ 351. 353). Dieſe aus-
ſchließende praktiſche Bedeutung iſt nicht mehr vorhanden,
oder ſie hat vielmehr eine andere Geſtalt angenommen.

Dagegen iſt die Art, wie der Wohnſitz entſteht und
wieder aufgehoben wird (§ 353. 354), bei uns ganz die-
ſelbe wie im Römiſchen Recht, und in ſofern ſind bei uns
die Beſtimmungen des Römiſchen Rechts völlig anwendbar.

Die Gränze des anwendbaren und nicht anwendbaren
Theils jener ganzen Lehre wird nun noch anſchaulicher
werden durch die Betrachtung der drei einzelnen Wirkungen,
die das Römiſche Recht an den Wohnſitz, eben ſo wie an
das Stadtbürgerrecht, knüpft (§. 355. 356).

1. Städtiſche Laſten (munera). Dieſe können hier völlig
unbeachtet bleiben, da ſie ſich ganz auf eigenthümlich
Römiſche Verhältniſſe bezogen.

2. Gerichtsſtand (forum domicilii).

Dieſe Wirkung des Wohnſitzes iſt nicht nur im heuti-
gen Rechte übrig geblieben, ſondern ſie erſcheint hier
noch wichtiger, als bei den Römern. Denn bei die-
ſen beſtand ganz gewöhnlich das forum originis neben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0114" n="92"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">III.</hi> Herr&#x017F;chaft der Rechtsregeln. Kap. <hi rendition="#aq">I.</hi> Örtliche Gränzen.</fw><lb/>
Allein auch die&#x017F;e Auffa&#x017F;&#x017F;ung kann nur mit großer Be-<lb/>
&#x017F;chränkung als richtig anerkannt werden.</p><lb/>
            <p>Die prakti&#x017F;che Bedeutung nämlich des Römi&#x017F;chen <hi rendition="#aq">domi-<lb/>
cilium</hi> bezog &#x017F;ich immer wieder auf die Stadtgemeinde und<lb/>
deren Gebiet, indem der Wohn&#x017F;itz, eben &#x017F;o wie das Bür-<lb/>
gerrecht, jeden Einzelnen zum <hi rendition="#g">Angehörigen einer Stadt-<lb/>
gemeinde</hi> machen konnte (§ 351. 353). Die&#x017F;e aus-<lb/>
&#x017F;chließende prakti&#x017F;che Bedeutung i&#x017F;t nicht mehr vorhanden,<lb/>
oder &#x017F;ie hat vielmehr eine andere Ge&#x017F;talt angenommen.</p><lb/>
            <p>Dagegen i&#x017F;t die Art, wie der Wohn&#x017F;itz ent&#x017F;teht und<lb/>
wieder <choice><sic>anfgehoben</sic><corr>aufgehoben</corr></choice> wird (§ 353. 354), bei uns ganz die-<lb/>
&#x017F;elbe wie im Römi&#x017F;chen Recht, und in &#x017F;ofern &#x017F;ind bei uns<lb/>
die Be&#x017F;timmungen des Römi&#x017F;chen Rechts völlig anwendbar.</p><lb/>
            <p>Die Gränze des anwendbaren und nicht anwendbaren<lb/>
Theils jener ganzen Lehre wird nun noch an&#x017F;chaulicher<lb/>
werden durch die Betrachtung der drei einzelnen Wirkungen,<lb/>
die das Römi&#x017F;che Recht an den Wohn&#x017F;itz, eben &#x017F;o wie an<lb/>
das Stadtbürgerrecht, knüpft (§. 355. 356).</p><lb/>
            <p>1. Städti&#x017F;che La&#x017F;ten (<hi rendition="#aq">munera</hi>). Die&#x017F;e können hier völlig<lb/>
unbeachtet bleiben, da &#x017F;ie &#x017F;ich ganz auf eigenthümlich<lb/>
Römi&#x017F;che Verhältni&#x017F;&#x017F;e bezogen.</p><lb/>
            <p>2. Gerichts&#x017F;tand (<hi rendition="#aq">forum domicilii</hi>).</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e Wirkung des Wohn&#x017F;itzes i&#x017F;t nicht nur im heuti-<lb/>
gen Rechte übrig geblieben, &#x017F;ondern &#x017F;ie er&#x017F;cheint hier<lb/>
noch wichtiger, als bei den Römern. Denn bei die-<lb/>
&#x017F;en be&#x017F;tand ganz gewöhnlich das <hi rendition="#aq">forum originis</hi> neben<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0114] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. Allein auch dieſe Auffaſſung kann nur mit großer Be- ſchränkung als richtig anerkannt werden. Die praktiſche Bedeutung nämlich des Römiſchen domi- cilium bezog ſich immer wieder auf die Stadtgemeinde und deren Gebiet, indem der Wohnſitz, eben ſo wie das Bür- gerrecht, jeden Einzelnen zum Angehörigen einer Stadt- gemeinde machen konnte (§ 351. 353). Dieſe aus- ſchließende praktiſche Bedeutung iſt nicht mehr vorhanden, oder ſie hat vielmehr eine andere Geſtalt angenommen. Dagegen iſt die Art, wie der Wohnſitz entſteht und wieder aufgehoben wird (§ 353. 354), bei uns ganz die- ſelbe wie im Römiſchen Recht, und in ſofern ſind bei uns die Beſtimmungen des Römiſchen Rechts völlig anwendbar. Die Gränze des anwendbaren und nicht anwendbaren Theils jener ganzen Lehre wird nun noch anſchaulicher werden durch die Betrachtung der drei einzelnen Wirkungen, die das Römiſche Recht an den Wohnſitz, eben ſo wie an das Stadtbürgerrecht, knüpft (§. 355. 356). 1. Städtiſche Laſten (munera). Dieſe können hier völlig unbeachtet bleiben, da ſie ſich ganz auf eigenthümlich Römiſche Verhältniſſe bezogen. 2. Gerichtsſtand (forum domicilii). Dieſe Wirkung des Wohnſitzes iſt nicht nur im heuti- gen Rechte übrig geblieben, ſondern ſie erſcheint hier noch wichtiger, als bei den Römern. Denn bei die- ſen beſtand ganz gewöhnlich das forum originis neben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/114
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/114>, abgerufen am 05.05.2024.