uns in dieser Lehre so anziehend und anregend er- scheint, sondern eben so, und noch mehr, die groß- artige Aussicht auf eine in das Allgemeine gehende praktische Gemeinschaft des Rechtsbewußtseyns und des Rechtslebens.
Betrachten wir noch insbesondere die Stellung dieser Lehre zu den Bestrebungen und Parteien der neuesten Zeit.
Der nicht selten feindliche Gegensatz zwischen Germanisten und Romanisten kommt in dieser Lehre weniger, als anderwärts, in Betracht. In den wichtigsten Fragen sind die deutschen Rechtslehrer meist zu einer großen Einstimmung gekommen, unge- stört durch jenen, in anderen Lehren oft zum Nach- theil der Wissenschaft hervor tretenden, Gegensatz. Das Römische Recht erscheint vergleichungsweise weniger, als anderwärts, einwirkend durch unmittel- bare positive Vorschriften. Die genaueste Kenntniß desselben aber wird hier vorzüglich dadurch wichtig, daß die Meinungen der Schriftsteller und der Ge- richte großentheils durch wahre oder falsche Auf- fassung Römischer Begriffe und Regeln bestimmt worden sind, oft ohne deutliches Bewußtseyn derer, die in der That ganz unter diesem Einfluß standen.
Vorrede.
uns in dieſer Lehre ſo anziehend und anregend er- ſcheint, ſondern eben ſo, und noch mehr, die groß- artige Ausſicht auf eine in das Allgemeine gehende praktiſche Gemeinſchaft des Rechtsbewußtſeyns und des Rechtslebens.
Betrachten wir noch insbeſondere die Stellung dieſer Lehre zu den Beſtrebungen und Parteien der neueſten Zeit.
Der nicht ſelten feindliche Gegenſatz zwiſchen Germaniſten und Romaniſten kommt in dieſer Lehre weniger, als anderwärts, in Betracht. In den wichtigſten Fragen ſind die deutſchen Rechtslehrer meiſt zu einer großen Einſtimmung gekommen, unge- ſtört durch jenen, in anderen Lehren oft zum Nach- theil der Wiſſenſchaft hervor tretenden, Gegenſatz. Das Römiſche Recht erſcheint vergleichungsweiſe weniger, als anderwärts, einwirkend durch unmittel- bare poſitive Vorſchriften. Die genaueſte Kenntniß deſſelben aber wird hier vorzüglich dadurch wichtig, daß die Meinungen der Schriftſteller und der Ge- richte großentheils durch wahre oder falſche Auf- faſſung Römiſcher Begriffe und Regeln beſtimmt worden ſind, oft ohne deutliches Bewußtſeyn derer, die in der That ganz unter dieſem Einfluß ſtanden.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0011"n="V"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Vorrede</hi>.</fw><lb/>
uns in dieſer Lehre ſo anziehend und anregend er-<lb/>ſcheint, ſondern eben ſo, und noch mehr, die groß-<lb/>
artige Ausſicht auf eine in das Allgemeine gehende<lb/>
praktiſche Gemeinſchaft des Rechtsbewußtſeyns und<lb/>
des Rechtslebens.</p><lb/><p>Betrachten wir noch insbeſondere die Stellung<lb/>
dieſer Lehre zu den Beſtrebungen und Parteien der<lb/>
neueſten Zeit.</p><lb/><p>Der nicht ſelten feindliche Gegenſatz zwiſchen<lb/>
Germaniſten und Romaniſten kommt in dieſer Lehre<lb/>
weniger, als anderwärts, in Betracht. In den<lb/>
wichtigſten Fragen ſind die deutſchen Rechtslehrer<lb/>
meiſt zu einer großen Einſtimmung gekommen, unge-<lb/>ſtört durch jenen, in anderen Lehren oft zum Nach-<lb/>
theil der Wiſſenſchaft hervor tretenden, Gegenſatz.<lb/>
Das Römiſche Recht erſcheint vergleichungsweiſe<lb/>
weniger, als anderwärts, einwirkend durch unmittel-<lb/>
bare poſitive Vorſchriften. Die genaueſte Kenntniß<lb/>
deſſelben aber wird hier vorzüglich dadurch wichtig,<lb/>
daß die Meinungen der Schriftſteller und der Ge-<lb/>
richte großentheils durch wahre oder falſche Auf-<lb/>
faſſung Römiſcher Begriffe und Regeln beſtimmt<lb/>
worden ſind, oft ohne deutliches Bewußtſeyn derer,<lb/>
die in der That ganz unter dieſem Einfluß ſtanden.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[V/0011]
Vorrede.
uns in dieſer Lehre ſo anziehend und anregend er-
ſcheint, ſondern eben ſo, und noch mehr, die groß-
artige Ausſicht auf eine in das Allgemeine gehende
praktiſche Gemeinſchaft des Rechtsbewußtſeyns und
des Rechtslebens.
Betrachten wir noch insbeſondere die Stellung
dieſer Lehre zu den Beſtrebungen und Parteien der
neueſten Zeit.
Der nicht ſelten feindliche Gegenſatz zwiſchen
Germaniſten und Romaniſten kommt in dieſer Lehre
weniger, als anderwärts, in Betracht. In den
wichtigſten Fragen ſind die deutſchen Rechtslehrer
meiſt zu einer großen Einſtimmung gekommen, unge-
ſtört durch jenen, in anderen Lehren oft zum Nach-
theil der Wiſſenſchaft hervor tretenden, Gegenſatz.
Das Römiſche Recht erſcheint vergleichungsweiſe
weniger, als anderwärts, einwirkend durch unmittel-
bare poſitive Vorſchriften. Die genaueſte Kenntniß
deſſelben aber wird hier vorzüglich dadurch wichtig,
daß die Meinungen der Schriftſteller und der Ge-
richte großentheils durch wahre oder falſche Auf-
faſſung Römiſcher Begriffe und Regeln beſtimmt
worden ſind, oft ohne deutliches Bewußtſeyn derer,
die in der That ganz unter dieſem Einfluß ſtanden.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. V. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/11>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.