Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
Gegenstandes selbst, worüber nunmehr genauere
Rechenschaft gegeben werden soll.

In dieser Lehre, und besonders in der ersten
Hälfte derselben (Kap. I.), gehen bis jetzt die
Meinungen der Schriftsteller, so wie die Urtheile
der Gerichte, ziemlich wild durch einander; Deutsche,
Franzosen, Engländer und Amerikaner, stehen sich
oft sehr schroff gegenüber. Alle aber vereinigen sich
in einem gemeinsamen lebhaften Interesse an den
hier einschlagenden Fragen, in dem Bestreben nach
Annäherung, Ausgleichung, Verständigung, so wie
es sich in keiner anderen Rechtslehre findet. Man
kann sagen, daß diese Lehre bereits ein Gemeingut
der gebildeten Nationen geworden ist, nicht durch
einen schon erworbenen Besitz fester, allgemein aner-
kannter Grundsätze, wohl aber durch die Gemein-
schaft wissenschaftlicher Untersuchung, die zu einem
solchen Besitz hinstrebt. Ein anschauliches Bild
dieses unfertigen, aber hoffnungsreichen Zustandes
gewährt das treffliche Werk von Story, das zu-
gleich als reiche Materialiensammlung jedem Forscher
in hohem Grade förderlich wird.

Es ist aber nicht blos die Aussicht auf Ent-
wicklung und Ausbau der juristischen Theorie, die

Vorrede.
Gegenſtandes ſelbſt, worüber nunmehr genauere
Rechenſchaft gegeben werden ſoll.

In dieſer Lehre, und beſonders in der erſten
Hälfte derſelben (Kap. I.), gehen bis jetzt die
Meinungen der Schriftſteller, ſo wie die Urtheile
der Gerichte, ziemlich wild durch einander; Deutſche,
Franzoſen, Engländer und Amerikaner, ſtehen ſich
oft ſehr ſchroff gegenüber. Alle aber vereinigen ſich
in einem gemeinſamen lebhaften Intereſſe an den
hier einſchlagenden Fragen, in dem Beſtreben nach
Annäherung, Ausgleichung, Verſtändigung, ſo wie
es ſich in keiner anderen Rechtslehre findet. Man
kann ſagen, daß dieſe Lehre bereits ein Gemeingut
der gebildeten Nationen geworden iſt, nicht durch
einen ſchon erworbenen Beſitz feſter, allgemein aner-
kannter Grundſätze, wohl aber durch die Gemein-
ſchaft wiſſenſchaftlicher Unterſuchung, die zu einem
ſolchen Beſitz hinſtrebt. Ein anſchauliches Bild
dieſes unfertigen, aber hoffnungsreichen Zuſtandes
gewährt das treffliche Werk von Story, das zu-
gleich als reiche Materialienſammlung jedem Forſcher
in hohem Grade förderlich wird.

Es iſt aber nicht blos die Ausſicht auf Ent-
wicklung und Ausbau der juriſtiſchen Theorie, die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0010" n="IV"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vorrede</hi>.</fw><lb/>
Gegen&#x017F;tandes &#x017F;elb&#x017F;t, worüber nunmehr genauere<lb/>
Rechen&#x017F;chaft gegeben werden &#x017F;oll.</p><lb/>
        <p>In die&#x017F;er Lehre, und be&#x017F;onders in der er&#x017F;ten<lb/>
Hälfte der&#x017F;elben (Kap. <hi rendition="#aq">I.</hi>), gehen bis jetzt die<lb/>
Meinungen der Schrift&#x017F;teller, &#x017F;o wie die Urtheile<lb/>
der Gerichte, ziemlich wild durch einander; Deut&#x017F;che,<lb/>
Franzo&#x017F;en, Engländer und Amerikaner, &#x017F;tehen &#x017F;ich<lb/>
oft &#x017F;ehr &#x017F;chroff gegenüber. Alle aber vereinigen &#x017F;ich<lb/>
in einem gemein&#x017F;amen lebhaften Intere&#x017F;&#x017F;e an den<lb/>
hier ein&#x017F;chlagenden Fragen, in dem Be&#x017F;treben nach<lb/>
Annäherung, Ausgleichung, Ver&#x017F;tändigung, &#x017F;o wie<lb/>
es &#x017F;ich in keiner anderen Rechtslehre findet. Man<lb/>
kann &#x017F;agen, daß die&#x017F;e Lehre bereits ein Gemeingut<lb/>
der gebildeten Nationen geworden i&#x017F;t, nicht durch<lb/>
einen &#x017F;chon erworbenen Be&#x017F;itz fe&#x017F;ter, allgemein aner-<lb/>
kannter Grund&#x017F;ätze, wohl aber durch die Gemein-<lb/>
&#x017F;chaft wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlicher Unter&#x017F;uchung, die zu einem<lb/>
&#x017F;olchen Be&#x017F;itz hin&#x017F;trebt. Ein an&#x017F;chauliches Bild<lb/>
die&#x017F;es unfertigen, aber hoffnungsreichen Zu&#x017F;tandes<lb/>
gewährt das treffliche Werk von <hi rendition="#g">Story</hi>, das zu-<lb/>
gleich als reiche Materialien&#x017F;ammlung jedem For&#x017F;cher<lb/>
in hohem Grade förderlich wird.</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t aber nicht blos die Aus&#x017F;icht auf Ent-<lb/>
wicklung und Ausbau der juri&#x017F;ti&#x017F;chen Theorie, die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[IV/0010] Vorrede. Gegenſtandes ſelbſt, worüber nunmehr genauere Rechenſchaft gegeben werden ſoll. In dieſer Lehre, und beſonders in der erſten Hälfte derſelben (Kap. I.), gehen bis jetzt die Meinungen der Schriftſteller, ſo wie die Urtheile der Gerichte, ziemlich wild durch einander; Deutſche, Franzoſen, Engländer und Amerikaner, ſtehen ſich oft ſehr ſchroff gegenüber. Alle aber vereinigen ſich in einem gemeinſamen lebhaften Intereſſe an den hier einſchlagenden Fragen, in dem Beſtreben nach Annäherung, Ausgleichung, Verſtändigung, ſo wie es ſich in keiner anderen Rechtslehre findet. Man kann ſagen, daß dieſe Lehre bereits ein Gemeingut der gebildeten Nationen geworden iſt, nicht durch einen ſchon erworbenen Beſitz feſter, allgemein aner- kannter Grundſätze, wohl aber durch die Gemein- ſchaft wiſſenſchaftlicher Unterſuchung, die zu einem ſolchen Beſitz hinſtrebt. Ein anſchauliches Bild dieſes unfertigen, aber hoffnungsreichen Zuſtandes gewährt das treffliche Werk von Story, das zu- gleich als reiche Materialienſammlung jedem Forſcher in hohem Grade förderlich wird. Es iſt aber nicht blos die Ausſicht auf Ent- wicklung und Ausbau der juriſtiſchen Theorie, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/10
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. IV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/10>, abgerufen am 24.11.2024.