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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848.

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§. 311. Surrogate. II. Eid. Gemeinsame Wirkungen.
stehen in dieser Hinsicht ganz gleich die Rechtsnachfolger
derselben: Erben, Singularsuccessoren, Bürgen (h).

Zur genaueren Einsicht in diese Wirkung ist es nöthig
zu erwägen, daß der Eid eine zusammengesetzte juristische
Natur hat, indem er zugleich als Vertrag anzusehen ist,
und als eine bindende Prozeßhandlung (i).

Der Eid beruht also erstlich auf einem wahren Vertrag
und zwar auf einem Vergleich, indem beide Theile darüber
einig geworden sind, daß ihr Streit auf diesem Wege ent-
schieden werde (k). An diesem Einverständniß ist selbst in
den Fällen nicht zu zweifeln, worin der Eid als ein noth-
wendiger bezeichnet wird. Denn wenn auch die Zuschiebung
dem Gegner nicht erwünscht war, und deshalb ein indirecter
Zwang gegen ihn angewendet wird, so hat er sich doch
durch die wirkliche Ableistung darin gefügt, und diese ist
unzweifelhaft als eine freie Handlung anzusehen.

Zweitens aber hat der Eid zugleich die Natur einer
bindenden Prozeßhandlung (l), und zwar sowohl einer
Litiscontestation, als eines rechtskräftigen Urtheils.


(h) L. 7. 8. 9 § 7, 28 § 1--3,
42 pr. § 1--3 de jur.
(12. 2). --
Der Eid in einer popularis actio
wirkt, gerade wie das Urtheil,
auf dritte Personen, insofern nicht
eine Collusion erwiesen werden
kann. L. 30 § 3 eod. -- Wird in
Folge eines Eides eine Verurthei-
lung in einer entehrenden Klage
ausgesprochen, so wird der Ver-
urtheilte ehrlos, auch allen fremden
Personen gegenüber. L. 9 §. 2
eod.
Das ist aber nicht die Folge
des Eides, sondern des Urtheils.
(i) L. 26 § 2 eod. "... pro-
ficiscitur ex conventione, quam-
vis habeat et instar judicii".
(k) L. 2. L. 26 § 2. L. 35
§ 1 eod. L. 21 de dolo
(4. 3).
(l) L. 26 § 2 eod. (Note i).
L. 35 § 1. 2. L. 42 § 3 eod., L. 8
C. eod.
VII. 5

§. 311. Surrogate. II. Eid. Gemeinſame Wirkungen.
ſtehen in dieſer Hinſicht ganz gleich die Rechtsnachfolger
derſelben: Erben, Singularſucceſſoren, Bürgen (h).

Zur genaueren Einſicht in dieſe Wirkung iſt es nöthig
zu erwägen, daß der Eid eine zuſammengeſetzte juriſtiſche
Natur hat, indem er zugleich als Vertrag anzuſehen iſt,
und als eine bindende Prozeßhandlung (i).

Der Eid beruht alſo erſtlich auf einem wahren Vertrag
und zwar auf einem Vergleich, indem beide Theile darüber
einig geworden ſind, daß ihr Streit auf dieſem Wege ent-
ſchieden werde (k). An dieſem Einverſtändniß iſt ſelbſt in
den Fällen nicht zu zweifeln, worin der Eid als ein noth-
wendiger bezeichnet wird. Denn wenn auch die Zuſchiebung
dem Gegner nicht erwünſcht war, und deshalb ein indirecter
Zwang gegen ihn angewendet wird, ſo hat er ſich doch
durch die wirkliche Ableiſtung darin gefügt, und dieſe iſt
unzweifelhaft als eine freie Handlung anzuſehen.

Zweitens aber hat der Eid zugleich die Natur einer
bindenden Prozeßhandlung (l), und zwar ſowohl einer
Litisconteſtation, als eines rechtskräftigen Urtheils.


(h) L. 7. 8. 9 § 7, 28 § 1—3,
42 pr. § 1—3 de jur.
(12. 2). —
Der Eid in einer popularis actio
wirkt, gerade wie das Urtheil,
auf dritte Perſonen, inſofern nicht
eine Colluſion erwieſen werden
kann. L. 30 § 3 eod. — Wird in
Folge eines Eides eine Verurthei-
lung in einer entehrenden Klage
ausgeſprochen, ſo wird der Ver-
urtheilte ehrlos, auch allen fremden
Perſonen gegenüber. L. 9 §. 2
eod.
Das iſt aber nicht die Folge
des Eides, ſondern des Urtheils.
(i) L. 26 § 2 eod. „… pro-
ficiscitur ex conventione, quam-
vis habeat et instar judicii“.
(k) L. 2. L. 26 § 2. L. 35
§ 1 eod. L. 21 de dolo
(4. 3).
(l) L. 26 § 2 eod. (Note i).
L. 35 § 1. 2. L. 42 § 3 eod., L. 8
C. eod.
VII. 5
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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/87>, abgerufen am 24.04.2024.