Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
confessio in judicio die Kraft der alten confessio in jure.
Als eigentliches Surrogat aber konnte sie nun nicht mehr
gelten, sondern nur noch als Grundlage eines richterlichen
Urtheils, welches an den Inhalt derselben gebunden war.



Das Wesen des Geständnisses wurde oben darin gesetzt,
daß der Beklagte die Behauptung des Klägers einräume
(§ 303), also in ein Einverständniß beider Parteien über
diese Behauptung. Nun geht diese Behauptung stets und
nothwendig auf das Daseyn eines Rechtsverhältnisses, ein
solches aber beruht wieder auf Thatsachen; zur genaueren
Einsicht in das Wesen des Geständnisses ist es also nöthig,
zu bestimmen, ob als der eigentliche Gegenstand des Ein-
verständnisses das Rechtsverhältniß, oder vielmehr die
Thatsache gedacht werden müsse.

Der Ausdruck confessio, so wie der entsprechende
deutsche Ausdruck, kann leicht dahin führen, die Thatsache
als den unmittelbaren Gegenstand des Einverständnisses
anzusehen, wodurch also das Geständniß als bloßes Be-
weismittel erscheinen könnte; allein die oben angegebene
juristische Natur desselben, welche in der Gleichstellung mit
dem richterlichen Urtheil besteht, führt vielmehr auf das
Rechtsverhältniß. Denn auf ein solches geht nothwendig
jedes Urtheil, und soll also das Geständniß gleiche Kraft
mit dem Urtheil haben, in manchen Fällen sogar jedes

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
confessio in judicio die Kraft der alten confessio in jure.
Als eigentliches Surrogat aber konnte ſie nun nicht mehr
gelten, ſondern nur noch als Grundlage eines richterlichen
Urtheils, welches an den Inhalt derſelben gebunden war.



Das Weſen des Geſtändniſſes wurde oben darin geſetzt,
daß der Beklagte die Behauptung des Klägers einräume
(§ 303), alſo in ein Einverſtändniß beider Parteien über
dieſe Behauptung. Nun geht dieſe Behauptung ſtets und
nothwendig auf das Daſeyn eines Rechtsverhältniſſes, ein
ſolches aber beruht wieder auf Thatſachen; zur genaueren
Einſicht in das Weſen des Geſtändniſſes iſt es alſo nöthig,
zu beſtimmen, ob als der eigentliche Gegenſtand des Ein-
verſtändniſſes das Rechtsverhältniß, oder vielmehr die
Thatſache gedacht werden müſſe.

Der Ausdruck confessio, ſo wie der entſprechende
deutſche Ausdruck, kann leicht dahin führen, die Thatſache
als den unmittelbaren Gegenſtand des Einverſtändniſſes
anzuſehen, wodurch alſo das Geſtändniß als bloßes Be-
weismittel erſcheinen könnte; allein die oben angegebene
juriſtiſche Natur deſſelben, welche in der Gleichſtellung mit
dem richterlichen Urtheil beſteht, führt vielmehr auf das
Rechtsverhältniß. Denn auf ein ſolches geht nothwendig
jedes Urtheil, und ſoll alſo das Geſtändniß gleiche Kraft
mit dem Urtheil haben, in manchen Fällen ſogar jedes

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0038" n="16"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/><hi rendition="#aq">confessio in judicio</hi> die Kraft der alten <hi rendition="#aq">confessio in jure.</hi><lb/>
Als eigentliches Surrogat aber konnte &#x017F;ie nun nicht mehr<lb/>
gelten, &#x017F;ondern nur noch als Grundlage eines richterlichen<lb/>
Urtheils, welches an den Inhalt der&#x017F;elben gebunden war.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p>Das We&#x017F;en des Ge&#x017F;tändni&#x017F;&#x017F;es wurde oben darin ge&#x017F;etzt,<lb/>
daß der Beklagte die Behauptung des Klägers einräume<lb/>
(§ 303), al&#x017F;o in ein Einver&#x017F;tändniß beider Parteien über<lb/>
die&#x017F;e Behauptung. Nun geht die&#x017F;e Behauptung &#x017F;tets und<lb/>
nothwendig auf das Da&#x017F;eyn eines Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;es, ein<lb/>
&#x017F;olches aber beruht wieder auf That&#x017F;achen; zur genaueren<lb/>
Ein&#x017F;icht in das We&#x017F;en des Ge&#x017F;tändni&#x017F;&#x017F;es i&#x017F;t es al&#x017F;o nöthig,<lb/>
zu be&#x017F;timmen, ob als der eigentliche Gegen&#x017F;tand des Ein-<lb/>
ver&#x017F;tändni&#x017F;&#x017F;es das <hi rendition="#g">Rechtsverhältniß</hi>, oder vielmehr die<lb/><hi rendition="#g">That&#x017F;ache</hi> gedacht werden mü&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
            <p>Der Ausdruck <hi rendition="#aq">confessio,</hi> &#x017F;o wie der ent&#x017F;prechende<lb/>
deut&#x017F;che Ausdruck, kann leicht dahin führen, die That&#x017F;ache<lb/>
als den unmittelbaren Gegen&#x017F;tand des Einver&#x017F;tändni&#x017F;&#x017F;es<lb/>
anzu&#x017F;ehen, wodurch al&#x017F;o das Ge&#x017F;tändniß als bloßes Be-<lb/>
weismittel er&#x017F;cheinen könnte; allein die oben angegebene<lb/>
juri&#x017F;ti&#x017F;che Natur de&#x017F;&#x017F;elben, welche in der Gleich&#x017F;tellung mit<lb/>
dem richterlichen Urtheil be&#x017F;teht, führt vielmehr auf das<lb/>
Rechtsverhältniß. Denn auf ein &#x017F;olches geht nothwendig<lb/>
jedes Urtheil, und &#x017F;oll al&#x017F;o das Ge&#x017F;tändniß gleiche Kraft<lb/>
mit dem Urtheil haben, in manchen Fällen &#x017F;ogar jedes<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0038] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. confessio in judicio die Kraft der alten confessio in jure. Als eigentliches Surrogat aber konnte ſie nun nicht mehr gelten, ſondern nur noch als Grundlage eines richterlichen Urtheils, welches an den Inhalt derſelben gebunden war. Das Weſen des Geſtändniſſes wurde oben darin geſetzt, daß der Beklagte die Behauptung des Klägers einräume (§ 303), alſo in ein Einverſtändniß beider Parteien über dieſe Behauptung. Nun geht dieſe Behauptung ſtets und nothwendig auf das Daſeyn eines Rechtsverhältniſſes, ein ſolches aber beruht wieder auf Thatſachen; zur genaueren Einſicht in das Weſen des Geſtändniſſes iſt es alſo nöthig, zu beſtimmen, ob als der eigentliche Gegenſtand des Ein- verſtändniſſes das Rechtsverhältniß, oder vielmehr die Thatſache gedacht werden müſſe. Der Ausdruck confessio, ſo wie der entſprechende deutſche Ausdruck, kann leicht dahin führen, die Thatſache als den unmittelbaren Gegenſtand des Einverſtändniſſes anzuſehen, wodurch alſo das Geſtändniß als bloßes Be- weismittel erſcheinen könnte; allein die oben angegebene juriſtiſche Natur deſſelben, welche in der Gleichſtellung mit dem richterlichen Urtheil beſteht, führt vielmehr auf das Rechtsverhältniß. Denn auf ein ſolches geht nothwendig jedes Urtheil, und ſoll alſo das Geſtändniß gleiche Kraft mit dem Urtheil haben, in manchen Fällen ſogar jedes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/38
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/38>, abgerufen am 23.11.2024.