confessio in judicio die Kraft der alten confessio in jure. Als eigentliches Surrogat aber konnte sie nun nicht mehr gelten, sondern nur noch als Grundlage eines richterlichen Urtheils, welches an den Inhalt derselben gebunden war.
Das Wesen des Geständnisses wurde oben darin gesetzt, daß der Beklagte die Behauptung des Klägers einräume (§ 303), also in ein Einverständniß beider Parteien über diese Behauptung. Nun geht diese Behauptung stets und nothwendig auf das Daseyn eines Rechtsverhältnisses, ein solches aber beruht wieder auf Thatsachen; zur genaueren Einsicht in das Wesen des Geständnisses ist es also nöthig, zu bestimmen, ob als der eigentliche Gegenstand des Ein- verständnisses das Rechtsverhältniß, oder vielmehr die Thatsache gedacht werden müsse.
Der Ausdruck confessio, so wie der entsprechende deutsche Ausdruck, kann leicht dahin führen, die Thatsache als den unmittelbaren Gegenstand des Einverständnisses anzusehen, wodurch also das Geständniß als bloßes Be- weismittel erscheinen könnte; allein die oben angegebene juristische Natur desselben, welche in der Gleichstellung mit dem richterlichen Urtheil besteht, führt vielmehr auf das Rechtsverhältniß. Denn auf ein solches geht nothwendig jedes Urtheil, und soll also das Geständniß gleiche Kraft mit dem Urtheil haben, in manchen Fällen sogar jedes
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
confessio in judicio die Kraft der alten confessio in jure. Als eigentliches Surrogat aber konnte ſie nun nicht mehr gelten, ſondern nur noch als Grundlage eines richterlichen Urtheils, welches an den Inhalt derſelben gebunden war.
Das Weſen des Geſtändniſſes wurde oben darin geſetzt, daß der Beklagte die Behauptung des Klägers einräume (§ 303), alſo in ein Einverſtändniß beider Parteien über dieſe Behauptung. Nun geht dieſe Behauptung ſtets und nothwendig auf das Daſeyn eines Rechtsverhältniſſes, ein ſolches aber beruht wieder auf Thatſachen; zur genaueren Einſicht in das Weſen des Geſtändniſſes iſt es alſo nöthig, zu beſtimmen, ob als der eigentliche Gegenſtand des Ein- verſtändniſſes das Rechtsverhältniß, oder vielmehr die Thatſache gedacht werden müſſe.
Der Ausdruck confessio, ſo wie der entſprechende deutſche Ausdruck, kann leicht dahin führen, die Thatſache als den unmittelbaren Gegenſtand des Einverſtändniſſes anzuſehen, wodurch alſo das Geſtändniß als bloßes Be- weismittel erſcheinen könnte; allein die oben angegebene juriſtiſche Natur deſſelben, welche in der Gleichſtellung mit dem richterlichen Urtheil beſteht, führt vielmehr auf das Rechtsverhältniß. Denn auf ein ſolches geht nothwendig jedes Urtheil, und ſoll alſo das Geſtändniß gleiche Kraft mit dem Urtheil haben, in manchen Fällen ſogar jedes
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
confessio in judicio die Kraft der alten confessio in jure.
Als eigentliches Surrogat aber konnte ſie nun nicht mehr
gelten, ſondern nur noch als Grundlage eines richterlichen
Urtheils, welches an den Inhalt derſelben gebunden war.
Das Weſen des Geſtändniſſes wurde oben darin geſetzt,
daß der Beklagte die Behauptung des Klägers einräume
(§ 303), alſo in ein Einverſtändniß beider Parteien über
dieſe Behauptung. Nun geht dieſe Behauptung ſtets und
nothwendig auf das Daſeyn eines Rechtsverhältniſſes, ein
ſolches aber beruht wieder auf Thatſachen; zur genaueren
Einſicht in das Weſen des Geſtändniſſes iſt es alſo nöthig,
zu beſtimmen, ob als der eigentliche Gegenſtand des Ein-
verſtändniſſes das Rechtsverhältniß, oder vielmehr die
Thatſache gedacht werden müſſe.
Der Ausdruck confessio, ſo wie der entſprechende
deutſche Ausdruck, kann leicht dahin führen, die Thatſache
als den unmittelbaren Gegenſtand des Einverſtändniſſes
anzuſehen, wodurch alſo das Geſtändniß als bloßes Be-
weismittel erſcheinen könnte; allein die oben angegebene
juriſtiſche Natur deſſelben, welche in der Gleichſtellung mit
dem richterlichen Urtheil beſteht, führt vielmehr auf das
Rechtsverhältniß. Denn auf ein ſolches geht nothwendig
jedes Urtheil, und ſoll alſo das Geſtändniß gleiche Kraft
mit dem Urtheil haben, in manchen Fällen ſogar jedes
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/38>, abgerufen am 24.07.2024.
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