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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung
nischen Recht aber ist der alte Grundsatz selbst, worauf sich
diese mildernde Maaßregel bezog, mit allem Recht wegge-
lassen worden, so daß für uns das Bedürfniß dieser Re-
stitution räthselhaft blieb bis zur Entdeckung des Gajus.
Man möchte glauben, es wäre nun besser gewesen, auch
diese Restitution selbst unerwähnt zu lassen. Dieses ist
nicht geschehen, theils weil überall in den Justinianischen
Sammlungen das Bestreben sichtbar ist, so wenig als
möglich von den alten Rechtsinstituten dem Namen nach
untergehen zu lassen, theils weil hier die einzige schickliche
Stelle zu seyn schien, um überhaupt die Lehre von der
capitis deminutio in den Digesten anzubringen (e).

Die alienatio judicii mutandi causa facta war in der
That vom Prätor als Restitutionsgrund aufgestellt. Wenn
der Besitzer einer fremden Sache, der eine Eigenthumsklage
erwartete, den Besitz absichtlich weggab, indem er dadurch
den Kläger in eine nachtheiligere Lage versetzte, so sollte
durch jene Restitution die Klage gegen ihn eben so möglich
gemacht werden, wie wenn er den Besitz behalten hätte.
Diese Restitution wurde aber völlig überflüssig gemacht
durch die späterhin, zuerst bei der Erbschaftsklage, dann bei
der Eigenthumsklage, eingeführte Lehre von dem qui dolo
desiit possidere.
Dieser soll jetzt, gerade so wie ein gegen-
wärtiger Besitzer, mit jenen Klagen in rem belangt werden
können, und zwar im Gang des gewöhnlichen Prozesses,

(e) Vergl. über diese Restitution B. 2 § 70 S. 82 -- 87.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung
niſchen Recht aber iſt der alte Grundſatz ſelbſt, worauf ſich
dieſe mildernde Maaßregel bezog, mit allem Recht wegge-
laſſen worden, ſo daß für uns das Bedürfniß dieſer Re-
ſtitution räthſelhaft blieb bis zur Entdeckung des Gajus.
Man möchte glauben, es wäre nun beſſer geweſen, auch
dieſe Reſtitution ſelbſt unerwähnt zu laſſen. Dieſes iſt
nicht geſchehen, theils weil überall in den Juſtinianiſchen
Sammlungen das Beſtreben ſichtbar iſt, ſo wenig als
möglich von den alten Rechtsinſtituten dem Namen nach
untergehen zu laſſen, theils weil hier die einzige ſchickliche
Stelle zu ſeyn ſchien, um überhaupt die Lehre von der
capitis deminutio in den Digeſten anzubringen (e).

Die alienatio judicii mutandi causa facta war in der
That vom Prätor als Reſtitutionsgrund aufgeſtellt. Wenn
der Beſitzer einer fremden Sache, der eine Eigenthumsklage
erwartete, den Beſitz abſichtlich weggab, indem er dadurch
den Kläger in eine nachtheiligere Lage verſetzte, ſo ſollte
durch jene Reſtitution die Klage gegen ihn eben ſo möglich
gemacht werden, wie wenn er den Beſitz behalten hätte.
Dieſe Reſtitution wurde aber völlig überflüſſig gemacht
durch die ſpäterhin, zuerſt bei der Erbſchaftsklage, dann bei
der Eigenthumsklage, eingeführte Lehre von dem qui dolo
desiit possidere.
Dieſer ſoll jetzt, gerade ſo wie ein gegen-
wärtiger Beſitzer, mit jenen Klagen in rem belangt werden
können, und zwar im Gang des gewöhnlichen Prozeſſes,

(e) Vergl. über dieſe Reſtitution B. 2 § 70 S. 82 — 87.
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[212/0234] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung niſchen Recht aber iſt der alte Grundſatz ſelbſt, worauf ſich dieſe mildernde Maaßregel bezog, mit allem Recht wegge- laſſen worden, ſo daß für uns das Bedürfniß dieſer Re- ſtitution räthſelhaft blieb bis zur Entdeckung des Gajus. Man möchte glauben, es wäre nun beſſer geweſen, auch dieſe Reſtitution ſelbſt unerwähnt zu laſſen. Dieſes iſt nicht geſchehen, theils weil überall in den Juſtinianiſchen Sammlungen das Beſtreben ſichtbar iſt, ſo wenig als möglich von den alten Rechtsinſtituten dem Namen nach untergehen zu laſſen, theils weil hier die einzige ſchickliche Stelle zu ſeyn ſchien, um überhaupt die Lehre von der capitis deminutio in den Digeſten anzubringen (e). Die alienatio judicii mutandi causa facta war in der That vom Prätor als Reſtitutionsgrund aufgeſtellt. Wenn der Beſitzer einer fremden Sache, der eine Eigenthumsklage erwartete, den Beſitz abſichtlich weggab, indem er dadurch den Kläger in eine nachtheiligere Lage verſetzte, ſo ſollte durch jene Reſtitution die Klage gegen ihn eben ſo möglich gemacht werden, wie wenn er den Beſitz behalten hätte. Dieſe Reſtitution wurde aber völlig überflüſſig gemacht durch die ſpäterhin, zuerſt bei der Erbſchaftsklage, dann bei der Eigenthumsklage, eingeführte Lehre von dem qui dolo desiit possidere. Dieſer ſoll jetzt, gerade ſo wie ein gegen- wärtiger Beſitzer, mit jenen Klagen in rem belangt werden können, und zwar im Gang des gewöhnlichen Prozeſſes, (e) Vergl. über dieſe Reſtitution B. 2 § 70 S. 82 — 87.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/234>, abgerufen am 24.04.2024.