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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848.

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§. 330. Einzelne Restitutionsgründe. III. Zwang.

Dennoch giebt es einzelne, seltnere Fälle, worin jene
ordentliche Rechtsmittel nicht ausreichen, und um solcher
Fälle willen steht dem Gezwungenen noch jetzt überhaupt
die Wahl zu zwischen jenen Rechtsmitteln und der Resti-
tution, deren eigenthümlichste (doch nicht einzige) Folge sich
in dem Anspruch auf eine wahre in rem actio zeigt. Die
Edictstelle, die wir in den Digesten übrig haben, ist so
allgemein gefaßt, daß sie in der That auf beiderlei Schutz-
mittel paßt (c), und auch von den alten Juristen dahin
ausgelegt wird; sie kann in derselben Gestalt schon in dem
ursprünglichen Edict über die Restitution wörtlich eben so
gelautet haben, und sie bedurfte keiner Abänderung, um
auch die später eingeführten ordentlichen Rechtsmittel mit
zu umfassen.

Die Richtigkeit der hier aufgestellten Behauptung ergiebt
sich aus einer Stelle des Ulpian (d), deren Zusammen-
hang nicht selten verkannt worden ist. In dem § 3 wird
gesagt, das erzwungene Geschäft könne bald ein unvollen-
detes seyn (z. B. ein Geldversprechen ohne geleistete Zah-
lung), bald ein vollendetes (z. B. Geldversprechen mit
Zahlung, oder auch eine Acceptilation). Dann wird die
Meinung des Pomponius angeführt, daß bei unvollendeten
Geschäften nur eine Exception zulässig sey, keine Klage, bei
vollendeten auch eine Klage. Diese Meinung wird ver-

(c) L. 1 eod. "Ait Praetor:
Quod metus causa gestum erit,
ratum non habebo".
(d) L. 9 § 3. 4. 6 eod. Vgl.
oben § 316 Note n.
VII. 13
§. 330. Einzelne Reſtitutionsgründe. III. Zwang.

Dennoch giebt es einzelne, ſeltnere Fälle, worin jene
ordentliche Rechtsmittel nicht ausreichen, und um ſolcher
Fälle willen ſteht dem Gezwungenen noch jetzt überhaupt
die Wahl zu zwiſchen jenen Rechtsmitteln und der Reſti-
tution, deren eigenthümlichſte (doch nicht einzige) Folge ſich
in dem Anſpruch auf eine wahre in rem actio zeigt. Die
Edictſtelle, die wir in den Digeſten übrig haben, iſt ſo
allgemein gefaßt, daß ſie in der That auf beiderlei Schutz-
mittel paßt (c), und auch von den alten Juriſten dahin
ausgelegt wird; ſie kann in derſelben Geſtalt ſchon in dem
urſprünglichen Edict über die Reſtitution wörtlich eben ſo
gelautet haben, und ſie bedurfte keiner Abänderung, um
auch die ſpäter eingeführten ordentlichen Rechtsmittel mit
zu umfaſſen.

Die Richtigkeit der hier aufgeſtellten Behauptung ergiebt
ſich aus einer Stelle des Ulpian (d), deren Zuſammen-
hang nicht ſelten verkannt worden iſt. In dem § 3 wird
geſagt, das erzwungene Geſchäft könne bald ein unvollen-
detes ſeyn (z. B. ein Geldverſprechen ohne geleiſtete Zah-
lung), bald ein vollendetes (z. B. Geldverſprechen mit
Zahlung, oder auch eine Acceptilation). Dann wird die
Meinung des Pomponius angeführt, daß bei unvollendeten
Geſchäften nur eine Exception zuläſſig ſey, keine Klage, bei
vollendeten auch eine Klage. Dieſe Meinung wird ver-

(c) L. 1 eod. „Ait Praetor:
Quod metus causa gestum erit,
ratum non habebo“.
(d) L. 9 § 3. 4. 6 eod. Vgl.
oben § 316 Note n.
VII. 13
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[193/0215] §. 330. Einzelne Reſtitutionsgründe. III. Zwang. Dennoch giebt es einzelne, ſeltnere Fälle, worin jene ordentliche Rechtsmittel nicht ausreichen, und um ſolcher Fälle willen ſteht dem Gezwungenen noch jetzt überhaupt die Wahl zu zwiſchen jenen Rechtsmitteln und der Reſti- tution, deren eigenthümlichſte (doch nicht einzige) Folge ſich in dem Anſpruch auf eine wahre in rem actio zeigt. Die Edictſtelle, die wir in den Digeſten übrig haben, iſt ſo allgemein gefaßt, daß ſie in der That auf beiderlei Schutz- mittel paßt (c), und auch von den alten Juriſten dahin ausgelegt wird; ſie kann in derſelben Geſtalt ſchon in dem urſprünglichen Edict über die Reſtitution wörtlich eben ſo gelautet haben, und ſie bedurfte keiner Abänderung, um auch die ſpäter eingeführten ordentlichen Rechtsmittel mit zu umfaſſen. Die Richtigkeit der hier aufgeſtellten Behauptung ergiebt ſich aus einer Stelle des Ulpian (d), deren Zuſammen- hang nicht ſelten verkannt worden iſt. In dem § 3 wird geſagt, das erzwungene Geſchäft könne bald ein unvollen- detes ſeyn (z. B. ein Geldverſprechen ohne geleiſtete Zah- lung), bald ein vollendetes (z. B. Geldverſprechen mit Zahlung, oder auch eine Acceptilation). Dann wird die Meinung des Pomponius angeführt, daß bei unvollendeten Geſchäften nur eine Exception zuläſſig ſey, keine Klage, bei vollendeten auch eine Klage. Dieſe Meinung wird ver- (c) L. 1 eod. „Ait Praetor: Quod metus causa gestum erit, ratum non habebo“. (d) L. 9 § 3. 4. 6 eod. Vgl. oben § 316 Note n. VII. 13

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/215>, abgerufen am 23.04.2024.