geschehen, auch von solchen, die nicht mehr unter uns sind.
Die unbefangene Betrachtung des hier vorlie- genden Gegensatzes kann nicht mehr verdunkelt werden, als durch eine ungehörige Einmischung der vaterländischen Gesinnung in die Prüfung der ent- gegenstehenden Meinungen, indem man denselben bald Gunst, bald Ungunst zuzuwenden versucht, je nachdem die eine oder die andere Meinung als Kennzeichen des Besitzes oder des Mangels einer solchen Ge- sinnung dargestellt wird. Dieses Verfahren also muß vor Allem vermeiden, Wer in der Erforschung der Wahrheit durch keinen falschen Schein sich stören zu lassen entschlossen ist. Ich will gerne in meiner Wissenschaft die tiefere Einsicht und die vielseitigere Auffassung Anderer anerkennen, durch welche ich selbst ja nur gehoben und bereichert werden kann. Ich bin ferner bereit, es als möglich anzuerkennen, daß die großen Schicksale unserer Tage auch in den Wissenschaften neue Entwickelungen hervorrufen werden, denen vielleicht die abnehmenden Kräfte eines höheren Alters nicht mehr gewachsen seyn dürften. Mögen sich denn Forscher von frischen Kräften zur Lösung dieser Aufgabe hervorthun, und
Vorrede.
geſchehen, auch von ſolchen, die nicht mehr unter uns ſind.
Die unbefangene Betrachtung des hier vorlie- genden Gegenſatzes kann nicht mehr verdunkelt werden, als durch eine ungehörige Einmiſchung der vaterländiſchen Geſinnung in die Prüfung der ent- gegenſtehenden Meinungen, indem man denſelben bald Gunſt, bald Ungunſt zuzuwenden verſucht, je nachdem die eine oder die andere Meinung als Kennzeichen des Beſitzes oder des Mangels einer ſolchen Ge- ſinnung dargeſtellt wird. Dieſes Verfahren alſo muß vor Allem vermeiden, Wer in der Erforſchung der Wahrheit durch keinen falſchen Schein ſich ſtören zu laſſen entſchloſſen iſt. Ich will gerne in meiner Wiſſenſchaft die tiefere Einſicht und die vielſeitigere Auffaſſung Anderer anerkennen, durch welche ich ſelbſt ja nur gehoben und bereichert werden kann. Ich bin ferner bereit, es als möglich anzuerkennen, daß die großen Schickſale unſerer Tage auch in den Wiſſenſchaften neue Entwickelungen hervorrufen werden, denen vielleicht die abnehmenden Kräfte eines höheren Alters nicht mehr gewachſen ſeyn dürften. Mögen ſich denn Forſcher von friſchen Kräften zur Löſung dieſer Aufgabe hervorthun, und
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[V/0011]
Vorrede.
geſchehen, auch von ſolchen, die nicht mehr unter
uns ſind.
Die unbefangene Betrachtung des hier vorlie-
genden Gegenſatzes kann nicht mehr verdunkelt
werden, als durch eine ungehörige Einmiſchung der
vaterländiſchen Geſinnung in die Prüfung der ent-
gegenſtehenden Meinungen, indem man denſelben bald
Gunſt, bald Ungunſt zuzuwenden verſucht, je nachdem
die eine oder die andere Meinung als Kennzeichen
des Beſitzes oder des Mangels einer ſolchen Ge-
ſinnung dargeſtellt wird. Dieſes Verfahren alſo
muß vor Allem vermeiden, Wer in der Erforſchung
der Wahrheit durch keinen falſchen Schein ſich ſtören
zu laſſen entſchloſſen iſt. Ich will gerne in meiner
Wiſſenſchaft die tiefere Einſicht und die vielſeitigere
Auffaſſung Anderer anerkennen, durch welche ich
ſelbſt ja nur gehoben und bereichert werden kann.
Ich bin ferner bereit, es als möglich anzuerkennen,
daß die großen Schickſale unſerer Tage auch in den
Wiſſenſchaften neue Entwickelungen hervorrufen
werden, denen vielleicht die abnehmenden Kräfte
eines höheren Alters nicht mehr gewachſen ſeyn
dürften. Mögen ſich denn Forſcher von friſchen
Kräften zur Löſung dieſer Aufgabe hervorthun, und
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. V. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/11>, abgerufen am 24.11.2024.
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