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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848.

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§. 314. Surrogate. II. Eid. Heutiges Recht.
der Bestandtheile eine gewissenhafte Partei nicht leisten
würde. Gerade darin aber besteht eben ein gefährlicher
Mißbrauch des Eides. Um sich Dieses noch anschaulicher
zu machen, möge man versuchen, das Daseyn eines Eigen-
thums zum Gegenstand von Zeugenaussagen und Zeugen-
eiden zu machen. Zwei Zeugen werden vielleicht das strei-
tige Eigenthum bejahen, und dabei doch von ganz verschie-
denen Rechtsregeln und Thatsachen ausgehen. Dann aber
ist ihre Uebereinstimmung nur scheinbar, da doch die wirk-
liche Uebereinstimmung der wahre Grund ist, worauf die
Kraft des Zeugenbeweises beruht.

Endlich kann auch jede Partei den ihr zugeschobenen
Eid dadurch beseitigen, daß sie über die Wahrheit ihrer
Behauptung einen vollständigen Beweis durch andere Be-
weismittel führt. Denn durch diesen Beweis wird der Eid
überflüssig, und in der Anwendung eines überflüssigen Eides
liegt schon an sich ein Mißbrauch des Eides. Besonders
bezeichnend aber ist der übliche Kunstausdruck für diesen
Fall: Vertretung des Gewissens durch Beweis. Eine
Partei von besonders strenger, ängstlicher Gewissenhaftigkeit
kann nämlich, sich selbst mißtrauend, lieber dem Richter die
Beurtheilung des von ihr geführten Beweises überlassen,
als selbst schwören, und dadurch Alles auf das eigene Ge-
wissen übernehmen. Eine solche Gesinnung verdient viel-
mehr Unterstützung, als Tadel, und dem Gegner wird da-
durch kein Unrecht zugefügt. -- Die Zulässigkeit einer solchen
Gewissensvertretung ist allgemein anerkannt, und es muß

§. 314. Surrogate. II. Eid. Heutiges Recht.
der Beſtandtheile eine gewiſſenhafte Partei nicht leiſten
würde. Gerade darin aber beſteht eben ein gefährlicher
Mißbrauch des Eides. Um ſich Dieſes noch anſchaulicher
zu machen, möge man verſuchen, das Daſeyn eines Eigen-
thums zum Gegenſtand von Zeugenausſagen und Zeugen-
eiden zu machen. Zwei Zeugen werden vielleicht das ſtrei-
tige Eigenthum bejahen, und dabei doch von ganz verſchie-
denen Rechtsregeln und Thatſachen ausgehen. Dann aber
iſt ihre Uebereinſtimmung nur ſcheinbar, da doch die wirk-
liche Uebereinſtimmung der wahre Grund iſt, worauf die
Kraft des Zeugenbeweiſes beruht.

Endlich kann auch jede Partei den ihr zugeſchobenen
Eid dadurch beſeitigen, daß ſie über die Wahrheit ihrer
Behauptung einen vollſtändigen Beweis durch andere Be-
weismittel führt. Denn durch dieſen Beweis wird der Eid
überflüſſig, und in der Anwendung eines überflüſſigen Eides
liegt ſchon an ſich ein Mißbrauch des Eides. Beſonders
bezeichnend aber iſt der übliche Kunſtausdruck für dieſen
Fall: Vertretung des Gewiſſens durch Beweis. Eine
Partei von beſonders ſtrenger, ängſtlicher Gewiſſenhaftigkeit
kann nämlich, ſich ſelbſt mißtrauend, lieber dem Richter die
Beurtheilung des von ihr geführten Beweiſes überlaſſen,
als ſelbſt ſchwören, und dadurch Alles auf das eigene Ge-
wiſſen übernehmen. Eine ſolche Geſinnung verdient viel-
mehr Unterſtützung, als Tadel, und dem Gegner wird da-
durch kein Unrecht zugefügt. — Die Zuläſſigkeit einer ſolchen
Gewiſſensvertretung iſt allgemein anerkannt, und es muß

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[87/0109] §. 314. Surrogate. II. Eid. Heutiges Recht. der Beſtandtheile eine gewiſſenhafte Partei nicht leiſten würde. Gerade darin aber beſteht eben ein gefährlicher Mißbrauch des Eides. Um ſich Dieſes noch anſchaulicher zu machen, möge man verſuchen, das Daſeyn eines Eigen- thums zum Gegenſtand von Zeugenausſagen und Zeugen- eiden zu machen. Zwei Zeugen werden vielleicht das ſtrei- tige Eigenthum bejahen, und dabei doch von ganz verſchie- denen Rechtsregeln und Thatſachen ausgehen. Dann aber iſt ihre Uebereinſtimmung nur ſcheinbar, da doch die wirk- liche Uebereinſtimmung der wahre Grund iſt, worauf die Kraft des Zeugenbeweiſes beruht. Endlich kann auch jede Partei den ihr zugeſchobenen Eid dadurch beſeitigen, daß ſie über die Wahrheit ihrer Behauptung einen vollſtändigen Beweis durch andere Be- weismittel führt. Denn durch dieſen Beweis wird der Eid überflüſſig, und in der Anwendung eines überflüſſigen Eides liegt ſchon an ſich ein Mißbrauch des Eides. Beſonders bezeichnend aber iſt der übliche Kunſtausdruck für dieſen Fall: Vertretung des Gewiſſens durch Beweis. Eine Partei von beſonders ſtrenger, ängſtlicher Gewiſſenhaftigkeit kann nämlich, ſich ſelbſt mißtrauend, lieber dem Richter die Beurtheilung des von ihr geführten Beweiſes überlaſſen, als ſelbſt ſchwören, und dadurch Alles auf das eigene Ge- wiſſen übernehmen. Eine ſolche Geſinnung verdient viel- mehr Unterſtützung, als Tadel, und dem Gegner wird da- durch kein Unrecht zugefügt. — Die Zuläſſigkeit einer ſolchen Gewiſſensvertretung iſt allgemein anerkannt, und es muß

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/109>, abgerufen am 22.11.2024.