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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
hier aufgestellte Behauptung in folgender Stelle des Pau-
lus
finden wollen (h):
"Si mandavero tibi, ut a Titio decem exigeres, et
ante exacta ea, mandati tecum egero, si ante rem ju-
dicatam exegeris, condemnandum te esse constat."

Dieser Widerspruch ist in der That nicht vorhanden.
Durch den übernommenen Auftrag das Geld einzufordern,
ist die actio mandati bereits vollständig begründet, und
durch die während des Rechtsstreits erfolgte Einforderung
kann höchstens der Inhalt und Umfang des Urtheils etwas
anders bestimmt werden. Paulus will also nicht sagen,
daß nur im Fall einer früheren Einforderung eine Verur-
theilung überhaupt erfolgen solle (i); die Meinung geht
vielmehr dahin, daß nach der Einforderung unbedingt auf
die Auszahlung des erhobenen Geldes erkannt werde, an-
statt daß vor der Einforderung auf die Vollziehung des
Auftrags (nach R. R. auf das Interesse) erkannt werden
müßte. Der Ausspruch des Paulus muß daher in Ge-
danken so ergänzt werden: decem condemnandum te esse
constat.
-- Um den vermeintlichen Widerspruch zwischen
dieser Stelle und den oben angeführten zu lösen, haben
mehrere Schriftsteller (k) einen Unterschied zwischen den

(h) L. 17 mandati (17. 1).
(i) So verstehen die Gegner die
Stelle, indem sie durch das arg.
a contrario
hinzudenken: si non
exegeris, absolvendum te esse.

Allein die unbedingte Anwendung
dieses Arguments ist überall be-
denklich, und sie muß besonders
hier verworfen werden, da die Ab-
solution, nach der allgemeinen Na-
tur der Mandatsklage, in keinem
Fall zu rechtfertigen wäre.
(k) Keller S. 185. 187. Wäch-
ter
H. 3 S. 121.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
hier aufgeſtellte Behauptung in folgender Stelle des Pau-
lus
finden wollen (h):
„Si mandavero tibi, ut a Titio decem exigeres, et
ante exacta ea, mandati tecum egero, si ante rem ju-
dicatam exegeris, condemnandum te esse constat.“

Dieſer Widerſpruch iſt in der That nicht vorhanden.
Durch den übernommenen Auftrag das Geld einzufordern,
iſt die actio mandati bereits vollſtändig begründet, und
durch die während des Rechtsſtreits erfolgte Einforderung
kann höchſtens der Inhalt und Umfang des Urtheils etwas
anders beſtimmt werden. Paulus will alſo nicht ſagen,
daß nur im Fall einer früheren Einforderung eine Verur-
theilung überhaupt erfolgen ſolle (i); die Meinung geht
vielmehr dahin, daß nach der Einforderung unbedingt auf
die Auszahlung des erhobenen Geldes erkannt werde, an-
ſtatt daß vor der Einforderung auf die Vollziehung des
Auftrags (nach R. R. auf das Intereſſe) erkannt werden
müßte. Der Ausſpruch des Paulus muß daher in Ge-
danken ſo ergänzt werden: decem condemnandum te esse
constat.
— Um den vermeintlichen Widerſpruch zwiſchen
dieſer Stelle und den oben angeführten zu löſen, haben
mehrere Schriftſteller (k) einen Unterſchied zwiſchen den

(h) L. 17 mandati (17. 1).
(i) So verſtehen die Gegner die
Stelle, indem ſie durch das arg.
a contrario
hinzudenken: si non
exegeris, absolvendum te esse.

Allein die unbedingte Anwendung
dieſes Arguments iſt überall be-
denklich, und ſie muß beſonders
hier verworfen werden, da die Ab-
ſolution, nach der allgemeinen Na-
tur der Mandatsklage, in keinem
Fall zu rechtfertigen wäre.
(k) Keller S. 185. 187. Wäch-
ter
H. 3 S. 121.
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[68/0086] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. hier aufgeſtellte Behauptung in folgender Stelle des Pau- lus finden wollen (h): „Si mandavero tibi, ut a Titio decem exigeres, et ante exacta ea, mandati tecum egero, si ante rem ju- dicatam exegeris, condemnandum te esse constat.“ Dieſer Widerſpruch iſt in der That nicht vorhanden. Durch den übernommenen Auftrag das Geld einzufordern, iſt die actio mandati bereits vollſtändig begründet, und durch die während des Rechtsſtreits erfolgte Einforderung kann höchſtens der Inhalt und Umfang des Urtheils etwas anders beſtimmt werden. Paulus will alſo nicht ſagen, daß nur im Fall einer früheren Einforderung eine Verur- theilung überhaupt erfolgen ſolle (i); die Meinung geht vielmehr dahin, daß nach der Einforderung unbedingt auf die Auszahlung des erhobenen Geldes erkannt werde, an- ſtatt daß vor der Einforderung auf die Vollziehung des Auftrags (nach R. R. auf das Intereſſe) erkannt werden müßte. Der Ausſpruch des Paulus muß daher in Ge- danken ſo ergänzt werden: decem condemnandum te esse constat. — Um den vermeintlichen Widerſpruch zwiſchen dieſer Stelle und den oben angeführten zu löſen, haben mehrere Schriftſteller (k) einen Unterſchied zwiſchen den (h) L. 17 mandati (17. 1). (i) So verſtehen die Gegner die Stelle, indem ſie durch das arg. a contrario hinzudenken: si non exegeris, absolvendum te esse. Allein die unbedingte Anwendung dieſes Arguments iſt überall be- denklich, und ſie muß beſonders hier verworfen werden, da die Ab- ſolution, nach der allgemeinen Na- tur der Mandatsklage, in keinem Fall zu rechtfertigen wäre. (k) Keller S. 185. 187. Wäch- ter H. 3 S. 121.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/86>, abgerufen am 03.05.2024.