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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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§. 261. Wirkung der L. C. -- I. Verurtheilung selbst gesichert.

Ich halte die zweite Meinung für die richtige, und
zwar hauptsächlich deswegen, weil Justinian selbst den
Besitz von 3, 10, 20 Jahren geradezu als Usucapion
bezeichnet (h), und dadurch als einen Rechtsbegriff aufstellt,
auf welchen er die in seinen Rechtsbüchern über die Usu-
capion aufgestellten Vorschriften angewendet wissen will. --
Für die entgegengesetzte Meinung wird ein Gesetz von Ju-
stinian
angeführt, welches folgenden Inhalt hat (i). Wenn
der Eigenthümer eine Vindication gegen den Besitzer seiner
Sache deswegen nicht anbringen kann, weil dieser Be-
sitzer abwesend, oder Kind, oder wahnsinnig ist, so darf der
Eigenthümer seine Klage bei dem Präses, oder dem Bischof,
oder dem Defensor einreichen u. s. w.,
"et hoc sufficere ad omnem temporalem interruptio-
nem, sive triennii, sive longi temporis, sive triginta
vel quadraginta annorum sit."
(Vorher heißt es:
interruptionem temporis facere, et sufficere hoc ad
plenissimam interruptionem.)

Aus diesen Worten wird gefolgert, die Klage unter-
breche jetzt wirklich die Usucapion. Allein Justinian hatte

(h) pr. j. de usuc. (2. 6) "et
ideo Constitutionem super hoc
promulgavimus, qua cautum
est, ut res quidem mobiles per
triennium, immobiles vero per
longi temporis possessionem,
i. e. inter praesentes decennio,
inter absentes viginti annis,
usucapiantur."
-- Daß hier der
dreißigjährige Besitz nicht mit auf-
geführt ist, mag aus Nachlässigkeit
oder aus Rücksicht auf dessen
exceptionelle Natur und Beschaffen-
heit herrühren; eine wesentliche
Verschiedenheit kann aus dieser
Auslassung auch für diesen Fall
nicht abgeleitet werden. Auch er
enthält eine wahre Usucapion, und
wird nur zufällig nicht so genannt.
(i) L. 2 C. de ann. exc. (7. 40).
§. 261. Wirkung der L. C. — I. Verurtheilung ſelbſt geſichert.

Ich halte die zweite Meinung für die richtige, und
zwar hauptſächlich deswegen, weil Juſtinian ſelbſt den
Beſitz von 3, 10, 20 Jahren geradezu als Uſucapion
bezeichnet (h), und dadurch als einen Rechtsbegriff aufſtellt,
auf welchen er die in ſeinen Rechtsbüchern über die Uſu-
capion aufgeſtellten Vorſchriften angewendet wiſſen will. —
Für die entgegengeſetzte Meinung wird ein Geſetz von Ju-
ſtinian
angeführt, welches folgenden Inhalt hat (i). Wenn
der Eigenthümer eine Vindication gegen den Beſitzer ſeiner
Sache deswegen nicht anbringen kann, weil dieſer Be-
ſitzer abweſend, oder Kind, oder wahnſinnig iſt, ſo darf der
Eigenthümer ſeine Klage bei dem Präſes, oder dem Biſchof,
oder dem Defenſor einreichen u. ſ. w.,
„et hoc sufficere ad omnem temporalem interruptio-
nem, sive triennii, sive longi temporis, sive triginta
vel quadraginta annorum sit.“
(Vorher heißt es:
interruptionem temporis facere, et sufficere hoc ad
plenissimam interruptionem.)

Aus dieſen Worten wird gefolgert, die Klage unter-
breche jetzt wirklich die Uſucapion. Allein Juſtinian hatte

(h) pr. j. de usuc. (2. 6) „et
ideo Constitutionem super hoc
promulgavimus, qua cautum
est, ut res quidem mobiles per
triennium, immobiles vero per
longi temporis possessionem,
i. e. inter praesentes decennio,
inter absentes viginti annis,
usucapiantur.“
— Daß hier der
dreißigjährige Beſitz nicht mit auf-
geführt iſt, mag aus Nachläſſigkeit
oder aus Rückſicht auf deſſen
exceptionelle Natur und Beſchaffen-
heit herrühren; eine weſentliche
Verſchiedenheit kann aus dieſer
Auslaſſung auch für dieſen Fall
nicht abgeleitet werden. Auch er
enthält eine wahre Uſucapion, und
wird nur zufällig nicht ſo genannt.
(i) L. 2 C. de ann. exc. (7. 40).
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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/77>, abgerufen am 27.11.2024.