Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.Beilage XVI. §. 3. De fructibus eadem quaestio est, ut(n)de (n) Die Handschriften und Aus- gaben lesen et, der Sinn fordert ut. Der Sinn geht nämlich da- hin, daß die oben für das Sclaven- kind aufgeworfene Frage ganz eben so auch für die Früchte aufgefaßt und beantwortet werden müsse (wo- hin die gleich Anfangs genannten arbores excisae gerechnet wer- den können). Anstatt ut könnte auch gesetzt werden ac, welches durch die gemeinsame Abbreviatur der Handschriften in et irrig über- gegangen seyn könnte. (o) Die Handschriften und Aus-
gaben lesen: non noceat, allein die Glosse sagt: "Si habes sine non, plana est ... si vero habeas non noceat, ut habent fere omnes communiter" rel. Es ist nicht richtig, Dieses als eine von Accursius vorgeschlagene Emendation aufzufassen; vielmehr liegt darin das Zeugniß, daß in der That zwei handschriftliche Lese- arten vorlägen, zwischen welchen zu wählen sey, deren eine jedoch die überwiegende Zahl der Handschrif- ten für sich habe; für beide Texte werden dann Erklärungen versucht. -- Die Leseart noceat (ohne non) halte ich aus folgendem Grunde für die richtige. Nach dem Grund- satz der negativen Function könnte man vielleicht unterscheiden wollen zwischen der Erzeugung vor oder nach der L. C.; Ulpian aber unter- scheidet nicht. Nach dem Grund- satz der positiven Function (der eadem quaestio), den Ulpian in der ganzen Stelle überall auf- stellt und anwendend durchführt, ist die allgemeine Anwendbarkeit der Exception unzweifelhaft, da die Verneinung des Eigenthums an der Mutter auch die Vindication des von dieser Mutter gebornen Kindes unmöglich machen muß. Was aber diese Leseart und Er- klärung durchaus nothwendig macht, ist der Ausdruck des § 1: In his fere omnibus ... nocet. Dieser Ausdruck wäre ganz widersinnig, wenn gerade in den so häufigen Fällen der Sclavenkinder und der Früchte das Gegentheil gelten sollte. -- Die Worte: haec enim nondum . . petita est müssen nun so erklärt werden: "denn wenngleich das Kind in manchen Fällen zur Zeit der Klage noch nicht existirte, also nicht mit in judicium deducirt war, so ist doch überall durchgreifend der Grund- satz der eadem quaestio, indem hier das Eigenthum an dem später vindicirten Kind nur aus dem Eigenthum an der Mutter abge- leitet werden soll (sed ex ea re sunt, quae petita est), welches Beilage XVI. §. 3. De fructibus eadem quaestio est, ut(n)de (n) Die Handſchriften und Aus- gaben leſen et, der Sinn fordert ut. Der Sinn geht nämlich da- hin, daß die oben für das Sclaven- kind aufgeworfene Frage ganz eben ſo auch für die Früchte aufgefaßt und beantwortet werden müſſe (wo- hin die gleich Anfangs genannten arbores excisae gerechnet wer- den können). Anſtatt ut könnte auch geſetzt werden ac, welches durch die gemeinſame Abbreviatur der Handſchriften in et irrig über- gegangen ſeyn könnte. (o) Die Handſchriften und Aus-
gaben leſen: non noceat, allein die Gloſſe ſagt: „Si habes sine non, plana est … si vero habeas non noceat, ut habent fere omnes communiter“ rel. Es iſt nicht richtig, Dieſes als eine von Accurſius vorgeſchlagene Emendation aufzufaſſen; vielmehr liegt darin das Zeugniß, daß in der That zwei handſchriftliche Leſe- arten vorlägen, zwiſchen welchen zu wählen ſey, deren eine jedoch die überwiegende Zahl der Handſchrif- ten für ſich habe; für beide Texte werden dann Erklärungen verſucht. — Die Leſeart noceat (ohne non) halte ich aus folgendem Grunde für die richtige. Nach dem Grund- ſatz der negativen Function könnte man vielleicht unterſcheiden wollen zwiſchen der Erzeugung vor oder nach der L. C.; Ulpian aber unter- ſcheidet nicht. Nach dem Grund- ſatz der poſitiven Function (der eadem quaestio), den Ulpian in der ganzen Stelle überall auf- ſtellt und anwendend durchführt, iſt die allgemeine Anwendbarkeit der Exception unzweifelhaft, da die Verneinung des Eigenthums an der Mutter auch die Vindication des von dieſer Mutter gebornen Kindes unmöglich machen muß. Was aber dieſe Leſeart und Er- klärung durchaus nothwendig macht, iſt der Ausdruck des § 1: In his fere omnibus … nocet. Dieſer Ausdruck wäre ganz widerſinnig, wenn gerade in den ſo häufigen Fällen der Sclavenkinder und der Früchte das Gegentheil gelten ſollte. — Die Worte: haec enim nondum . . petita est müſſen nun ſo erklärt werden: „denn wenngleich das Kind in manchen Fällen zur Zeit der Klage noch nicht exiſtirte, alſo nicht mit in judicium deducirt war, ſo iſt doch überall durchgreifend der Grund- ſatz der eadem quaestio, indem hier das Eigenthum an dem ſpäter vindicirten Kind nur aus dem Eigenthum an der Mutter abge- leitet werden ſoll (sed ex ea re sunt, quae petita est), welches <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0526" n="508"/> <fw place="top" type="header">Beilage <hi rendition="#aq">XVI.</hi></fw><lb/> <p><hi rendition="#aq">§. 3. 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Beilage XVI.
§. 3. De fructibus eadem quaestio est, ut (n)de
partu; haec enim nondum erant in rebus humanis, sed ex
ea re sunt, quae petita est: magisque est, ut ista excep-
tio noceat (o). Plane si in restitutionem vel fructus, vel
(n) Die Handſchriften und Aus-
gaben leſen et, der Sinn fordert
ut. Der Sinn geht nämlich da-
hin, daß die oben für das Sclaven-
kind aufgeworfene Frage ganz eben
ſo auch für die Früchte aufgefaßt
und beantwortet werden müſſe (wo-
hin die gleich Anfangs genannten
arbores excisae gerechnet wer-
den können). Anſtatt ut könnte
auch geſetzt werden ac, welches
durch die gemeinſame Abbreviatur
der Handſchriften in et irrig über-
gegangen ſeyn könnte.
(o) Die Handſchriften und Aus-
gaben leſen: non noceat, allein
die Gloſſe ſagt: „Si habes sine
non, plana est … si vero
habeas non noceat, ut habent
fere omnes communiter“ rel.
Es iſt nicht richtig, Dieſes als
eine von Accurſius vorgeſchlagene
Emendation aufzufaſſen; vielmehr
liegt darin das Zeugniß, daß in
der That zwei handſchriftliche Leſe-
arten vorlägen, zwiſchen welchen zu
wählen ſey, deren eine jedoch die
überwiegende Zahl der Handſchrif-
ten für ſich habe; für beide Texte
werden dann Erklärungen verſucht.
— Die Leſeart noceat (ohne non)
halte ich aus folgendem Grunde für
die richtige. Nach dem Grund-
ſatz der negativen Function könnte
man vielleicht unterſcheiden wollen
zwiſchen der Erzeugung vor oder
nach der L. C.; Ulpian aber unter-
ſcheidet nicht. Nach dem Grund-
ſatz der poſitiven Function (der
eadem quaestio), den Ulpian in
der ganzen Stelle überall auf-
ſtellt und anwendend durchführt,
iſt die allgemeine Anwendbarkeit
der Exception unzweifelhaft, da die
Verneinung des Eigenthums an
der Mutter auch die Vindication
des von dieſer Mutter gebornen
Kindes unmöglich machen muß.
Was aber dieſe Leſeart und Er-
klärung durchaus nothwendig macht,
iſt der Ausdruck des § 1: In his
fere omnibus … nocet. Dieſer
Ausdruck wäre ganz widerſinnig,
wenn gerade in den ſo häufigen
Fällen der Sclavenkinder und der
Früchte das Gegentheil gelten
ſollte. — Die Worte: haec enim
nondum . . petita est müſſen
nun ſo erklärt werden: „denn
wenngleich das Kind in manchen
Fällen zur Zeit der Klage noch
nicht exiſtirte, alſo nicht mit in
judicium deducirt war, ſo iſt doch
überall durchgreifend der Grund-
ſatz der eadem quaestio, indem
hier das Eigenthum an dem ſpäter
vindicirten Kind nur aus dem
Eigenthum an der Mutter abge-
leitet werden ſoll (sed ex ea re
sunt, quae petita est), welches
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