Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung. vor allen Anderen, mit großer Consequenz durchgeführt hat,sollte wankend gemacht haben. -- Eine historische Erklärung dieser Worte liegt allerdings nahe. Zur Zeit des Ulpian hatten Frauen einen allgemeinen Anspruch auf Restitution, wenn sie durch Rechtsunwissenheit in Nachtheil geriethen, und zwar besonders, wenn diese Rechtsunwissenheit bei schädlichen Handlungen oder Unterlassungen in einer Pro- zeßführung wahrgenommen wurde (l). Daß aber die Frau, von welcher hier die Rede ist, durch Rechtsunwissenheit den Verlust des ersten Prozesses sich zugezogen hatte, ist schon oben gezeigt worden. Vielleicht hatte also Ulpian ausdrücklich gesagt, daß der Frau diese Restitution wegen ihres Geschlechts gegeben werden müsse, und die Compila- toren haben diese Erwähnung, wegen des hierin verän- derten Rechts, vertilgt (m). Allerdings kann diese histo- rische Erklärung auf die Stelle, wie sie als Bestandtheil des Justinianischen Rechts vor uns liegt, nicht angewendet werden. Allein auch hier wird der ganze Schlußsatz doch nur dadurch wichtig und gefährlich, daß manche Ausleger die Worte: ex causa, auf eine unbeschränkte Willkühr des Richters in Gestattung einer milden Nachsicht deuten. Eben so nahe, und noch näher, liegt es aber, die Worte: (l) Vgl. oben B. 3 S. 432 und S. 384 (Num. XIX.), S. 427 (Num. XXIX). (m) Vielleicht hatte Ulpian
geschrieben: sed sexus causa succurrendum erit ei, so wie es in L. 2 § 7 de j. fisci (49. 14) heißt: si ea persona sit, quae ignorare propter rusticitatem, vel propter sexum femininum, jus suum possit. Die Verände- rung von sexus causa in ex causa war dann sehr einfach und leicht. Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. vor allen Anderen, mit großer Conſequenz durchgeführt hat,ſollte wankend gemacht haben. — Eine hiſtoriſche Erklärung dieſer Worte liegt allerdings nahe. Zur Zeit des Ulpian hatten Frauen einen allgemeinen Anſpruch auf Reſtitution, wenn ſie durch Rechtsunwiſſenheit in Nachtheil geriethen, und zwar beſonders, wenn dieſe Rechtsunwiſſenheit bei ſchädlichen Handlungen oder Unterlaſſungen in einer Pro- zeßführung wahrgenommen wurde (l). Daß aber die Frau, von welcher hier die Rede iſt, durch Rechtsunwiſſenheit den Verluſt des erſten Prozeſſes ſich zugezogen hatte, iſt ſchon oben gezeigt worden. Vielleicht hatte alſo Ulpian ausdrücklich geſagt, daß der Frau dieſe Reſtitution wegen ihres Geſchlechts gegeben werden müſſe, und die Compila- toren haben dieſe Erwähnung, wegen des hierin verän- derten Rechts, vertilgt (m). Allerdings kann dieſe hiſto- riſche Erklärung auf die Stelle, wie ſie als Beſtandtheil des Juſtinianiſchen Rechts vor uns liegt, nicht angewendet werden. Allein auch hier wird der ganze Schlußſatz doch nur dadurch wichtig und gefährlich, daß manche Ausleger die Worte: ex causa, auf eine unbeſchränkte Willkühr des Richters in Geſtattung einer milden Nachſicht deuten. Eben ſo nahe, und noch näher, liegt es aber, die Worte: (l) Vgl. oben B. 3 S. 432 und S. 384 (Num. XIX.), S. 427 (Num. XXIX). (m) Vielleicht hatte Ulpian
geſchrieben: sed sexus causa succurrendum erit ei, ſo wie es in L. 2 § 7 de j. fisci (49. 14) heißt: si ea persona sit, quae ignorare propter rusticitatem, vel propter sexum femininum, jus suum possit. Die Verände- rung von sexus causa in ex causa war dann ſehr einfach und leicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0480" n="462"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/> vor allen Anderen, mit großer Conſequenz durchgeführt hat,<lb/> ſollte wankend gemacht haben. — Eine hiſtoriſche Erklärung<lb/> dieſer Worte liegt allerdings nahe. Zur Zeit des <hi rendition="#g">Ulpian</hi><lb/> hatten Frauen einen allgemeinen Anſpruch auf Reſtitution,<lb/> wenn ſie durch Rechtsunwiſſenheit in Nachtheil geriethen,<lb/> und zwar beſonders, wenn dieſe Rechtsunwiſſenheit bei<lb/> ſchädlichen Handlungen oder Unterlaſſungen in einer Pro-<lb/> zeßführung wahrgenommen wurde <note place="foot" n="(l)">Vgl. oben B. 3 S. 432 und<lb/> S. 384 (Num. <hi rendition="#aq">XIX.</hi>), S. 427<lb/> (Num. <hi rendition="#aq">XXIX</hi>).</note>. Daß aber die Frau,<lb/> von welcher hier die Rede iſt, durch Rechtsunwiſſenheit<lb/> den Verluſt des erſten Prozeſſes ſich zugezogen hatte, iſt<lb/> ſchon oben gezeigt worden. Vielleicht hatte alſo <hi rendition="#g">Ulpian</hi><lb/> ausdrücklich geſagt, daß der Frau dieſe Reſtitution wegen<lb/> ihres Geſchlechts gegeben werden müſſe, und die Compila-<lb/> toren haben dieſe Erwähnung, wegen des hierin verän-<lb/> derten Rechts, vertilgt <note place="foot" n="(m)">Vielleicht hatte <hi rendition="#g">Ulpian</hi><lb/> geſchrieben: <hi rendition="#aq">sed <hi rendition="#i">sexus</hi> causa<lb/> succurrendum erit ei,</hi> ſo wie es<lb/> in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 2 § 7 <hi rendition="#i">de j. fisci</hi></hi> (49. 14)<lb/> heißt: <hi rendition="#aq">si ea persona sit, quae<lb/> ignorare propter rusticitatem,<lb/><hi rendition="#i">vel propter sexum femininum,</hi><lb/> jus suum possit.</hi> Die Verände-<lb/> rung von <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">sexus</hi> causa in <hi rendition="#i">ex</hi><lb/> causa</hi> war dann ſehr einfach und<lb/> leicht.</note>. Allerdings kann dieſe hiſto-<lb/> riſche Erklärung auf die Stelle, wie ſie als Beſtandtheil<lb/> des Juſtinianiſchen Rechts vor uns liegt, nicht angewendet<lb/> werden. Allein auch hier wird der ganze Schlußſatz doch<lb/> nur dadurch wichtig und gefährlich, daß manche Ausleger<lb/> die Worte: <hi rendition="#aq">ex causa,</hi> auf eine unbeſchränkte Willkühr des<lb/> Richters in Geſtattung einer milden Nachſicht deuten.<lb/> Eben ſo nahe, und noch näher, liegt es aber, die Worte:<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [462/0480]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
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ſollte wankend gemacht haben. — Eine hiſtoriſche Erklärung
dieſer Worte liegt allerdings nahe. Zur Zeit des Ulpian
hatten Frauen einen allgemeinen Anſpruch auf Reſtitution,
wenn ſie durch Rechtsunwiſſenheit in Nachtheil geriethen,
und zwar beſonders, wenn dieſe Rechtsunwiſſenheit bei
ſchädlichen Handlungen oder Unterlaſſungen in einer Pro-
zeßführung wahrgenommen wurde (l). Daß aber die Frau,
von welcher hier die Rede iſt, durch Rechtsunwiſſenheit
den Verluſt des erſten Prozeſſes ſich zugezogen hatte, iſt
ſchon oben gezeigt worden. Vielleicht hatte alſo Ulpian
ausdrücklich geſagt, daß der Frau dieſe Reſtitution wegen
ihres Geſchlechts gegeben werden müſſe, und die Compila-
toren haben dieſe Erwähnung, wegen des hierin verän-
derten Rechts, vertilgt (m). Allerdings kann dieſe hiſto-
riſche Erklärung auf die Stelle, wie ſie als Beſtandtheil
des Juſtinianiſchen Rechts vor uns liegt, nicht angewendet
werden. Allein auch hier wird der ganze Schlußſatz doch
nur dadurch wichtig und gefährlich, daß manche Ausleger
die Worte: ex causa, auf eine unbeſchränkte Willkühr des
Richters in Geſtattung einer milden Nachſicht deuten.
Eben ſo nahe, und noch näher, liegt es aber, die Worte:
(l) Vgl. oben B. 3 S. 432 und
S. 384 (Num. XIX.), S. 427
(Num. XXIX).
(m) Vielleicht hatte Ulpian
geſchrieben: sed sexus causa
succurrendum erit ei, ſo wie es
in L. 2 § 7 de j. fisci (49. 14)
heißt: si ea persona sit, quae
ignorare propter rusticitatem,
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Zitationshilfe: | Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/480>, abgerufen am 22.07.2024. |