Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
grunde. -- Eine Darlehnsklage auf Hundert wird rechts-
kräftig abgewiesen, und später gegen denselben Beklagten
wiederholt. -- In beiden Fällen ist die spätere Klage von
der früheren in keiner Beziehung verschieden; sie ist eine
reine, einfache Wiederholung derselben, und die Anwend-
barkeit der Einrede der Rechtskraft kann daher keinem
Zweifel unterliegen.

Es ist jedoch keinesweges erforderlich, daß die Über-
einstimmung alle hier angegebenen Voraussetzungen umfasse;
sie kann in mehreren derselben fehlen, und dennoch als
wahre Uebereinstimmung gelten, also auch die Einrede der
Rechtskraft begründen. Alles kommt darauf an, daß in
jedem einzelnen Fall die oben aufgestellten Grundbedingungen
jener Einrede wirklich vorhanden sind, nämlich: dieselbe
Rechtsfrage
, und dieselben Personen.

Ich will eine vorläufige Übersicht der möglichen Ver-
schiedenheiten beider Klagen geben, welche nicht als noth-
wendige Hindernisse für die Anwendung unsrer Einrede zu
betrachten sind.

1. Der zweite Rechtsstreit kann über eine Klage von
anderem Namen und anderer Natur geführt werden,
als der erste. (Ungleichartige Klage).
2. Die Parteirollen können in dem zweiten Rechtsstreit
verwechselt seyn, so daß der frühere Kläger jetzt als
Beklagter auftritt.
3. Das Recht, welches in der einen Klage der Haupt-
gegenstand des Streites ist, kann in der anderen als

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
grunde. — Eine Darlehnsklage auf Hundert wird rechts-
kräftig abgewieſen, und ſpäter gegen denſelben Beklagten
wiederholt. — In beiden Fällen iſt die ſpätere Klage von
der früheren in keiner Beziehung verſchieden; ſie iſt eine
reine, einfache Wiederholung derſelben, und die Anwend-
barkeit der Einrede der Rechtskraft kann daher keinem
Zweifel unterliegen.

Es iſt jedoch keinesweges erforderlich, daß die Über-
einſtimmung alle hier angegebenen Vorausſetzungen umfaſſe;
ſie kann in mehreren derſelben fehlen, und dennoch als
wahre Uebereinſtimmung gelten, alſo auch die Einrede der
Rechtskraft begründen. Alles kommt darauf an, daß in
jedem einzelnen Fall die oben aufgeſtellten Grundbedingungen
jener Einrede wirklich vorhanden ſind, nämlich: dieſelbe
Rechtsfrage
, und dieſelben Perſonen.

Ich will eine vorläufige Überſicht der möglichen Ver-
ſchiedenheiten beider Klagen geben, welche nicht als noth-
wendige Hinderniſſe für die Anwendung unſrer Einrede zu
betrachten ſind.

1. Der zweite Rechtsſtreit kann über eine Klage von
anderem Namen und anderer Natur geführt werden,
als der erſte. (Ungleichartige Klage).
2. Die Parteirollen können in dem zweiten Rechtsſtreit
verwechſelt ſeyn, ſo daß der frühere Kläger jetzt als
Beklagter auftritt.
3. Das Recht, welches in der einen Klage der Haupt-
gegenſtand des Streites iſt, kann in der anderen als
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0440" n="422"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/>
grunde. &#x2014; Eine Darlehnsklage auf Hundert wird rechts-<lb/>
kräftig abgewie&#x017F;en, und &#x017F;päter gegen den&#x017F;elben Beklagten<lb/>
wiederholt. &#x2014; In beiden Fällen i&#x017F;t die &#x017F;pätere Klage von<lb/>
der früheren in keiner Beziehung ver&#x017F;chieden; &#x017F;ie i&#x017F;t eine<lb/>
reine, einfache Wiederholung der&#x017F;elben, und die Anwend-<lb/>
barkeit der Einrede der Rechtskraft kann daher keinem<lb/>
Zweifel unterliegen.</p><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t jedoch keinesweges erforderlich, daß die Über-<lb/>
ein&#x017F;timmung alle hier angegebenen Voraus&#x017F;etzungen umfa&#x017F;&#x017F;e;<lb/>
&#x017F;ie kann in mehreren der&#x017F;elben fehlen, und dennoch als<lb/>
wahre Ueberein&#x017F;timmung gelten, al&#x017F;o auch die Einrede der<lb/>
Rechtskraft begründen. Alles kommt darauf an, daß in<lb/>
jedem einzelnen Fall die oben aufge&#x017F;tellten Grundbedingungen<lb/>
jener Einrede wirklich vorhanden &#x017F;ind, nämlich: <hi rendition="#g">die&#x017F;elbe<lb/>
Rechtsfrage</hi>, und <hi rendition="#g">die&#x017F;elben Per&#x017F;onen</hi>.</p><lb/>
            <p>Ich will eine vorläufige Über&#x017F;icht der möglichen Ver-<lb/>
&#x017F;chiedenheiten beider Klagen geben, welche nicht als noth-<lb/>
wendige Hinderni&#x017F;&#x017F;e für die Anwendung un&#x017F;rer Einrede zu<lb/>
betrachten &#x017F;ind.</p><lb/>
            <list>
              <item>1. Der zweite Rechts&#x017F;treit kann über eine Klage von<lb/>
anderem Namen und anderer Natur geführt werden,<lb/>
als der er&#x017F;te. (Ungleichartige Klage).</item><lb/>
              <item>2. Die Parteirollen können in dem zweiten Rechts&#x017F;treit<lb/>
verwech&#x017F;elt &#x017F;eyn, &#x017F;o daß der frühere Kläger jetzt als<lb/>
Beklagter auftritt.</item><lb/>
              <item>3. Das Recht, welches in der einen Klage der Haupt-<lb/>
gegen&#x017F;tand des Streites i&#x017F;t, kann in der anderen als<lb/></item>
            </list>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[422/0440] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. grunde. — Eine Darlehnsklage auf Hundert wird rechts- kräftig abgewieſen, und ſpäter gegen denſelben Beklagten wiederholt. — In beiden Fällen iſt die ſpätere Klage von der früheren in keiner Beziehung verſchieden; ſie iſt eine reine, einfache Wiederholung derſelben, und die Anwend- barkeit der Einrede der Rechtskraft kann daher keinem Zweifel unterliegen. Es iſt jedoch keinesweges erforderlich, daß die Über- einſtimmung alle hier angegebenen Vorausſetzungen umfaſſe; ſie kann in mehreren derſelben fehlen, und dennoch als wahre Uebereinſtimmung gelten, alſo auch die Einrede der Rechtskraft begründen. Alles kommt darauf an, daß in jedem einzelnen Fall die oben aufgeſtellten Grundbedingungen jener Einrede wirklich vorhanden ſind, nämlich: dieſelbe Rechtsfrage, und dieſelben Perſonen. Ich will eine vorläufige Überſicht der möglichen Ver- ſchiedenheiten beider Klagen geben, welche nicht als noth- wendige Hinderniſſe für die Anwendung unſrer Einrede zu betrachten ſind. 1. Der zweite Rechtsſtreit kann über eine Klage von anderem Namen und anderer Natur geführt werden, als der erſte. (Ungleichartige Klage). 2. Die Parteirollen können in dem zweiten Rechtsſtreit verwechſelt ſeyn, ſo daß der frühere Kläger jetzt als Beklagter auftritt. 3. Das Recht, welches in der einen Klage der Haupt- gegenſtand des Streites iſt, kann in der anderen als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/440
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/440>, abgerufen am 23.07.2024.