§. 296. Einrede der Rechtskraft. Dieselbe Rechtsfrage.
weil diese schon durch bloße Culpa begründet werden kann (h).
II. Soweit dagegen beide Klagen auf derselben Rechtsfrage beruhen, ist die Einrede der Rechtskraft an- zuwenden, auch wenn ein Schein von Verschiedenheit vor- handen seyn sollte.
Um diese wichtige, und in manchen Beziehungen schwierige, Regel in das wahre Licht zu setzen, sollen zuerst die einfachsten Fälle betrachtet werden, die Fälle, in welchen an dem Dasein unbedingter Uebereinstimmung kein Zweifel denkbar ist. Dann ist zu untersuchen, welche einzelnen Be- standtheile jener unbedingten, vollständigen Uebereinstimmung etwa fehlen dürfen, ohne die Annahme der für unsren Zweck erforderlichen Uebereinstimmung aufzuheben, also ohne für die Anwendbarkeit der Einrede der Rechtskraft ein Hinderniß darzubieten. In solchen Fällen wird ein bloßer Schein der Verschiedenheit vorhanden seyn, bei wesent- licher Gleichheit.
Ich will zwei Fälle aufstellen, in welchen die Ueber- einstimmung beider Klagen keinem auch nur scheinbaren Zweifel unterworfen seyn kann.
Die auf ein Landgut aus dem Grund der Ersitzung angestellte Eigenthumsklage wird rechtskräftig abgewiesen. In der Folge wiederholt derselbe Kläger gegen denselben Be- klagten die Eigenthumsklage aus demselben Erwerbungs-
(h)L. 13 pr. de lib. causa (40. 12).
§. 296. Einrede der Rechtskraft. Dieſelbe Rechtsfrage.
weil dieſe ſchon durch bloße Culpa begründet werden kann (h).
II. Soweit dagegen beide Klagen auf derſelben Rechtsfrage beruhen, iſt die Einrede der Rechtskraft an- zuwenden, auch wenn ein Schein von Verſchiedenheit vor- handen ſeyn ſollte.
Um dieſe wichtige, und in manchen Beziehungen ſchwierige, Regel in das wahre Licht zu ſetzen, ſollen zuerſt die einfachſten Fälle betrachtet werden, die Fälle, in welchen an dem Daſein unbedingter Uebereinſtimmung kein Zweifel denkbar iſt. Dann iſt zu unterſuchen, welche einzelnen Be- ſtandtheile jener unbedingten, vollſtändigen Uebereinſtimmung etwa fehlen dürfen, ohne die Annahme der für unſren Zweck erforderlichen Uebereinſtimmung aufzuheben, alſo ohne für die Anwendbarkeit der Einrede der Rechtskraft ein Hinderniß darzubieten. In ſolchen Fällen wird ein bloßer Schein der Verſchiedenheit vorhanden ſeyn, bei weſent- licher Gleichheit.
Ich will zwei Fälle aufſtellen, in welchen die Ueber- einſtimmung beider Klagen keinem auch nur ſcheinbaren Zweifel unterworfen ſeyn kann.
Die auf ein Landgut aus dem Grund der Erſitzung angeſtellte Eigenthumsklage wird rechtskräftig abgewieſen. In der Folge wiederholt derſelbe Kläger gegen denſelben Be- klagten die Eigenthumsklage aus demſelben Erwerbungs-
(h)L. 13 pr. de lib. causa (40. 12).
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§. 296. Einrede der Rechtskraft. Dieſelbe Rechtsfrage.
weil dieſe ſchon durch bloße Culpa begründet werden
kann (h).
II. Soweit dagegen beide Klagen auf derſelben
Rechtsfrage beruhen, iſt die Einrede der Rechtskraft an-
zuwenden, auch wenn ein Schein von Verſchiedenheit vor-
handen ſeyn ſollte.
Um dieſe wichtige, und in manchen Beziehungen
ſchwierige, Regel in das wahre Licht zu ſetzen, ſollen zuerſt
die einfachſten Fälle betrachtet werden, die Fälle, in welchen
an dem Daſein unbedingter Uebereinſtimmung kein Zweifel
denkbar iſt. Dann iſt zu unterſuchen, welche einzelnen Be-
ſtandtheile jener unbedingten, vollſtändigen Uebereinſtimmung
etwa fehlen dürfen, ohne die Annahme der für unſren
Zweck erforderlichen Uebereinſtimmung aufzuheben, alſo ohne
für die Anwendbarkeit der Einrede der Rechtskraft ein
Hinderniß darzubieten. In ſolchen Fällen wird ein bloßer
Schein der Verſchiedenheit vorhanden ſeyn, bei weſent-
licher Gleichheit.
Ich will zwei Fälle aufſtellen, in welchen die Ueber-
einſtimmung beider Klagen keinem auch nur ſcheinbaren
Zweifel unterworfen ſeyn kann.
Die auf ein Landgut aus dem Grund der Erſitzung
angeſtellte Eigenthumsklage wird rechtskräftig abgewieſen.
In der Folge wiederholt derſelbe Kläger gegen denſelben Be-
klagten die Eigenthumsklage aus demſelben Erwerbungs-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/439>, abgerufen am 22.11.2024.
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