derselbe Gang des Rechtsstreits eintreten, wenn nicht die publiciana, sondern die Eigenthumsklage angestellt wird, und der Beklagte gleichfalls durch den Beweis seines Eigenthums die Freisprechung bewirkt. Sollte er nun etwa den Vortheil der Rechtskraft dieses Grundes der Entschei- dung nicht genießen, den er im Fall der publiciana ge- nossen haben würde? Blos deswegen nicht, weil der juristische Begriff einer exceptio in dem einen Fall vor- handen, in dem anderen Fall nicht vorhanden wäre? Dieses würde gewiß dem praktischen Rechtssinn in hohem Grade widersprechen.
Oben ist ausführlich dargethan worden, daß die Frei- sprechung des Beklagten niemals in eine Verurtheilung des Klägers umgebildet werden dürfe (§ 288.), und man könnte auf den ersten Blick geneigt seyn, zwischen dieser Behauptung und den so eben aufgestellten Sätzen einen Widerspruch anzunehmen. Folgende zwei Erwägungen werden dazu dienen, den Schein dieses Widerspruchs zu beseitigen. Mit der Verurtheilung sind überhaupt zwei mögliche Folgen verknüpft, die zwar zusammenhangen, je- doch von einander unterschieden werden können. Die erste Folge ist das Gebot, Etwas zu thun, zu geben, zu unter- lassen; diese kann in keinem Fall den Kläger als solchen treffen, und in dieser Hinsicht ist die oben aufgestellte Behauptung unbedingt wahr und wichtig. Die zweite Folge ist die Einwirkung der Rechtskraft auf zukünftige Streit- verhältnisse, und hierauf allein bezieht sich der so eben angege-
§. 291. Rechtskraft der Gründe.
derſelbe Gang des Rechtsſtreits eintreten, wenn nicht die publiciana, ſondern die Eigenthumsklage angeſtellt wird, und der Beklagte gleichfalls durch den Beweis ſeines Eigenthums die Freiſprechung bewirkt. Sollte er nun etwa den Vortheil der Rechtskraft dieſes Grundes der Entſchei- dung nicht genießen, den er im Fall der publiciana ge- noſſen haben würde? Blos deswegen nicht, weil der juriſtiſche Begriff einer exceptio in dem einen Fall vor- handen, in dem anderen Fall nicht vorhanden wäre? Dieſes würde gewiß dem praktiſchen Rechtsſinn in hohem Grade widerſprechen.
Oben iſt ausführlich dargethan worden, daß die Frei- ſprechung des Beklagten niemals in eine Verurtheilung des Klägers umgebildet werden dürfe (§ 288.), und man könnte auf den erſten Blick geneigt ſeyn, zwiſchen dieſer Behauptung und den ſo eben aufgeſtellten Sätzen einen Widerſpruch anzunehmen. Folgende zwei Erwägungen werden dazu dienen, den Schein dieſes Widerſpruchs zu beſeitigen. Mit der Verurtheilung ſind überhaupt zwei mögliche Folgen verknüpft, die zwar zuſammenhangen, je- doch von einander unterſchieden werden können. Die erſte Folge iſt das Gebot, Etwas zu thun, zu geben, zu unter- laſſen; dieſe kann in keinem Fall den Kläger als ſolchen treffen, und in dieſer Hinſicht iſt die oben aufgeſtellte Behauptung unbedingt wahr und wichtig. Die zweite Folge iſt die Einwirkung der Rechtskraft auf zukünftige Streit- verhältniſſe, und hierauf allein bezieht ſich der ſo eben angege-
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§. 291. Rechtskraft der Gründe.
derſelbe Gang des Rechtsſtreits eintreten, wenn nicht die
publiciana, ſondern die Eigenthumsklage angeſtellt wird,
und der Beklagte gleichfalls durch den Beweis ſeines
Eigenthums die Freiſprechung bewirkt. Sollte er nun etwa
den Vortheil der Rechtskraft dieſes Grundes der Entſchei-
dung nicht genießen, den er im Fall der publiciana ge-
noſſen haben würde? Blos deswegen nicht, weil der
juriſtiſche Begriff einer exceptio in dem einen Fall vor-
handen, in dem anderen Fall nicht vorhanden wäre? Dieſes
würde gewiß dem praktiſchen Rechtsſinn in hohem Grade
widerſprechen.
Oben iſt ausführlich dargethan worden, daß die Frei-
ſprechung des Beklagten niemals in eine Verurtheilung des
Klägers umgebildet werden dürfe (§ 288.), und man
könnte auf den erſten Blick geneigt ſeyn, zwiſchen dieſer
Behauptung und den ſo eben aufgeſtellten Sätzen einen
Widerſpruch anzunehmen. Folgende zwei Erwägungen
werden dazu dienen, den Schein dieſes Widerſpruchs zu
beſeitigen. Mit der Verurtheilung ſind überhaupt zwei
mögliche Folgen verknüpft, die zwar zuſammenhangen, je-
doch von einander unterſchieden werden können. Die erſte
Folge iſt das Gebot, Etwas zu thun, zu geben, zu unter-
laſſen; dieſe kann in keinem Fall den Kläger als ſolchen
treffen, und in dieſer Hinſicht iſt die oben aufgeſtellte
Behauptung unbedingt wahr und wichtig. Die zweite Folge
iſt die Einwirkung der Rechtskraft auf zukünftige Streit-
verhältniſſe, und hierauf allein bezieht ſich der ſo eben angege-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/383>, abgerufen am 24.11.2024.
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