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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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§. 291. Rechtskraft der Gründe.

In dem oben angeführten Beispiel von der Eigenthums-
klage wird also rechtskräftig: die Bejahung, oder Vernei-
nung des Eigenthums, des Besitzes; ferner des Vergleichs,
des Miethvertrags, des Pfandrechts.

Zu dieser Überzeugung sind wir hier gelangt durch die
Hinsicht auf die künftige Wirkung der Rechtskraft (S. 355);
zu demselben Ziel aber führt uns auch die Hinsicht
auf die Natur des Rechtsstreits und die Aufgabe des
Richteramts.

Diese Aufgabe geht dahin, das streitige Rechtsver-
hältniß, sobald es durch die Verhandlung spruchreif ge-
worden ist, festzustellen, und dieser Feststellung Wirksam-
keit zu sichern Zu dieser Wirksamkeit aber gehört nicht
blos die augenblickliche Abwehr äußerer Rechtsverletzung,
sondern auch die Sicherung durch die in alle Zukunft fort-
wirkende Rechtskraft. Daß Dieses geschehe, dabei hat die
obsiegende Partei ein augenscheinliches Interesse; was aber
mehr ist, sie hat darauf ein unzweifelhaftes Recht.

Der Richter also würde seiner Pflicht nicht genügen,
wenn er blos für das Bedürfniß des nächsten Augen-
blicks nothdürftig sorgen, die Sicherung aber für alle Zu-
kunft versäumen wollte. Diese Sicherung begründet er
nur dadurch, daß er die Elemente der Entscheidung fest-
stellt, deren Rechtskraft hinfort bei jedem neuen Rechtsstreit
benutzt werden kann.

Rechtskräftig wird demnach Alles, was der Richter in
Folge der spruchreif gewordenen Verhandlung entscheiden

§. 291. Rechtskraft der Gründe.

In dem oben angeführten Beiſpiel von der Eigenthums-
klage wird alſo rechtskräftig: die Bejahung, oder Vernei-
nung des Eigenthums, des Beſitzes; ferner des Vergleichs,
des Miethvertrags, des Pfandrechts.

Zu dieſer Überzeugung ſind wir hier gelangt durch die
Hinſicht auf die künftige Wirkung der Rechtskraft (S. 355);
zu demſelben Ziel aber führt uns auch die Hinſicht
auf die Natur des Rechtsſtreits und die Aufgabe des
Richteramts.

Dieſe Aufgabe geht dahin, das ſtreitige Rechtsver-
hältniß, ſobald es durch die Verhandlung ſpruchreif ge-
worden iſt, feſtzuſtellen, und dieſer Feſtſtellung Wirkſam-
keit zu ſichern Zu dieſer Wirkſamkeit aber gehört nicht
blos die augenblickliche Abwehr äußerer Rechtsverletzung,
ſondern auch die Sicherung durch die in alle Zukunft fort-
wirkende Rechtskraft. Daß Dieſes geſchehe, dabei hat die
obſiegende Partei ein augenſcheinliches Intereſſe; was aber
mehr iſt, ſie hat darauf ein unzweifelhaftes Recht.

Der Richter alſo würde ſeiner Pflicht nicht genügen,
wenn er blos für das Bedürfniß des nächſten Augen-
blicks nothdürftig ſorgen, die Sicherung aber für alle Zu-
kunft verſäumen wollte. Dieſe Sicherung begründet er
nur dadurch, daß er die Elemente der Entſcheidung feſt-
ſtellt, deren Rechtskraft hinfort bei jedem neuen Rechtsſtreit
benutzt werden kann.

Rechtskräftig wird demnach Alles, was der Richter in
Folge der ſpruchreif gewordenen Verhandlung entſcheiden

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[359/0377] §. 291. Rechtskraft der Gründe. In dem oben angeführten Beiſpiel von der Eigenthums- klage wird alſo rechtskräftig: die Bejahung, oder Vernei- nung des Eigenthums, des Beſitzes; ferner des Vergleichs, des Miethvertrags, des Pfandrechts. Zu dieſer Überzeugung ſind wir hier gelangt durch die Hinſicht auf die künftige Wirkung der Rechtskraft (S. 355); zu demſelben Ziel aber führt uns auch die Hinſicht auf die Natur des Rechtsſtreits und die Aufgabe des Richteramts. Dieſe Aufgabe geht dahin, das ſtreitige Rechtsver- hältniß, ſobald es durch die Verhandlung ſpruchreif ge- worden iſt, feſtzuſtellen, und dieſer Feſtſtellung Wirkſam- keit zu ſichern Zu dieſer Wirkſamkeit aber gehört nicht blos die augenblickliche Abwehr äußerer Rechtsverletzung, ſondern auch die Sicherung durch die in alle Zukunft fort- wirkende Rechtskraft. Daß Dieſes geſchehe, dabei hat die obſiegende Partei ein augenſcheinliches Intereſſe; was aber mehr iſt, ſie hat darauf ein unzweifelhaftes Recht. Der Richter alſo würde ſeiner Pflicht nicht genügen, wenn er blos für das Bedürfniß des nächſten Augen- blicks nothdürftig ſorgen, die Sicherung aber für alle Zu- kunft verſäumen wollte. Dieſe Sicherung begründet er nur dadurch, daß er die Elemente der Entſcheidung feſt- ſtellt, deren Rechtskraft hinfort bei jedem neuen Rechtsſtreit benutzt werden kann. Rechtskräftig wird demnach Alles, was der Richter in Folge der ſpruchreif gewordenen Verhandlung entſcheiden

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/377>, abgerufen am 24.11.2024.