Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung. Das eigentliche Gebiet aber für die Strafklagen sind contra heredem non compe- tit, (veluti) cum testator do- lose versatus sit, et ad here- dem ejus nihil ex eo dolo per- venerit." Wäre die Leseart ve- luti richtig, so würde in dieser Stelle die ganze, in jenen Dige- stenstellen anerkannte, Rechtsregel verneint. Wird diese Leseart (wie es geschehen muß) verworfen, so sagt die Stelle nur, daß es Aus- nahmen von der Regel gäbe, ohne diese selbst zu nennen; so lange also solche Ausnahmen nicht ander- wärts nachgewiesen werden, bleibt für uns die Stelle inhaltsleer. Jetzt wissen wir nun, daß die Stelle aus einer ungeschickten Modifika- tion des Gajus IV § 113 entstan- den ist. Dieser hatte einige wirk- lich unvererbliche Contractsklagen angegeben, die aber in Justinians Zeit nicht mehr vorkamen, und deswegen weggelassen werden muß- ten; man wollte nun nicht die ganze Bemerkung fallen lassen, und verwandelte sie daher in eine unbestimmte Verweisung auf solche ausgenommene Fälle überhaupt, wahrscheinlich in der Hoffnung, es würden sich wohl solche Fälle in den Digesten finden. Der Fall des Depositum, den sowohl eine Textvariante, als Theophilus ein- mischt, kann auf keine Weise die Schwierigkeit lösen. -- Gründlich ist die ganze Frage behandelt von Francke Beiträge S. 16 -- 26. (e) So z. B. die im zweyten Buch der Digesten enthaltenen Strafklagen. (f) Dahin gehören die Klagen,
worin lis inficiando crescit in duplum (vgl. Note c.). Diese führen nicht schon im Allgemeinen den Namen von poenales actio- nes, weil man es ihnen vor der Anstellung nicht ansehen kann, ob der Fall der Straferhöhung eintreten werde. -- Eben so die actio quod metus causa, worin die Straferhöhung nur erst ein- tritt, wenn der Beklagte versäumt, vor dem Urtheil freywillig den Kläger zu befriedigen. Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. Das eigentliche Gebiet aber für die Strafklagen ſind contra heredem non compe- tit, (veluti) cum testator do- lose versatus sit, et ad here- dem ejus nihil ex eo dolo per- venerit.” Wäre die Leſeart ve- luti richtig, ſo würde in dieſer Stelle die ganze, in jenen Dige- ſtenſtellen anerkannte, Rechtsregel verneint. Wird dieſe Leſeart (wie es geſchehen muß) verworfen, ſo ſagt die Stelle nur, daß es Aus- nahmen von der Regel gäbe, ohne dieſe ſelbſt zu nennen; ſo lange alſo ſolche Ausnahmen nicht ander- wärts nachgewieſen werden, bleibt für uns die Stelle inhaltsleer. Jetzt wiſſen wir nun, daß die Stelle aus einer ungeſchickten Modifika- tion des Gajus IV § 113 entſtan- den iſt. Dieſer hatte einige wirk- lich unvererbliche Contractsklagen angegeben, die aber in Juſtinians Zeit nicht mehr vorkamen, und deswegen weggelaſſen werden muß- ten; man wollte nun nicht die ganze Bemerkung fallen laſſen, und verwandelte ſie daher in eine unbeſtimmte Verweiſung auf ſolche ausgenommene Fälle überhaupt, wahrſcheinlich in der Hoffnung, es würden ſich wohl ſolche Fälle in den Digeſten finden. Der Fall des Depoſitum, den ſowohl eine Textvariante, als Theophilus ein- miſcht, kann auf keine Weiſe die Schwierigkeit löſen. — Gründlich iſt die ganze Frage behandelt von Francke Beiträge S. 16 — 26. (e) So z. B. die im zweyten Buch der Digeſten enthaltenen Strafklagen. (f) Dahin gehören die Klagen,
worin lis inficiando crescit in duplum (vgl. Note c.). Dieſe führen nicht ſchon im Allgemeinen den Namen von poenales actio- nes, weil man es ihnen vor der Anſtellung nicht anſehen kann, ob der Fall der Straferhöhung eintreten werde. — Eben ſo die actio quod metus causa, worin die Straferhöhung nur erſt ein- tritt, wenn der Beklagte verſäumt, vor dem Urtheil freywillig den Kläger zu befriedigen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0070" n="56"/> <fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/> <p>Das eigentliche Gebiet aber für die Strafklagen ſind<lb/> die Obligationen aus Delicten. Dieſe erzeugen insgeſammt<lb/> Strafklagen, bald zweyſeitige, bald einſeitige. — Nicht<lb/> wenige darunter beziehen ſich auf ſolche Delicte, die bey<lb/> Gelegenheit eines Prozeſſes begangen werden. Durch<lb/> ſtrafbare Handlungen dieſer Art werden bald eigene, ſelbſt-<lb/> ſtändige Strafklagen erzeugt <note place="foot" n="(e)">So z. B. die im zweyten<lb/> Buch der Digeſten enthaltenen<lb/> Strafklagen.</note>, bald nur die ohnehin gel-<lb/> tenden Klagen durch eine hinzutretende Strafe erweitert <note place="foot" n="(f)">Dahin gehören die Klagen,<lb/> worin <hi rendition="#aq">lis inficiando crescit in<lb/> duplum</hi> (vgl. Note <hi rendition="#aq">c.</hi>). Dieſe<lb/> führen nicht ſchon im Allgemeinen<lb/> den Namen von <hi rendition="#aq">poenales actio-<lb/> nes,</hi> weil man es ihnen vor der<lb/> Anſtellung nicht anſehen kann,<lb/> ob der Fall der Straferhöhung<lb/> eintreten werde. — Eben ſo die<lb/><hi rendition="#aq">actio quod metus causa</hi>, worin<lb/> die Straferhöhung nur erſt ein-<lb/> tritt, wenn der Beklagte verſäumt,<lb/> vor dem Urtheil freywillig den<lb/> Kläger zu befriedigen.</note>.</p><lb/> <p> <note xml:id="seg2pn_9_2" prev="#seg2pn_9_1" place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq">contra heredem non compe-<lb/> tit, (veluti) cum testator do-<lb/> lose versatus sit, et ad here-<lb/> dem ejus nihil ex eo dolo per-<lb/> venerit.”</hi> Wäre die Leſeart <hi rendition="#aq">ve-<lb/> luti</hi> richtig, ſo würde in dieſer<lb/> Stelle die ganze, in jenen Dige-<lb/> ſtenſtellen anerkannte, Rechtsregel<lb/> verneint. Wird dieſe Leſeart (wie<lb/> es geſchehen muß) verworfen, ſo<lb/> ſagt die Stelle nur, daß es Aus-<lb/> nahmen von der Regel gäbe, ohne<lb/> dieſe ſelbſt zu nennen; ſo lange<lb/> alſo ſolche Ausnahmen nicht ander-<lb/> wärts nachgewieſen werden, bleibt<lb/> für uns die Stelle inhaltsleer. Jetzt<lb/> wiſſen wir nun, daß die Stelle<lb/> aus einer ungeſchickten Modifika-<lb/> tion des <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Gajus</hi> IV</hi> § 113 entſtan-<lb/> den iſt. Dieſer hatte einige wirk-<lb/> lich unvererbliche Contractsklagen<lb/> angegeben, die aber in Juſtinians<lb/> Zeit nicht mehr vorkamen, und<lb/> deswegen weggelaſſen werden muß-<lb/> ten; man wollte nun nicht die<lb/> ganze Bemerkung fallen laſſen,<lb/> und verwandelte ſie daher in eine<lb/> unbeſtimmte Verweiſung auf ſolche<lb/> ausgenommene Fälle überhaupt,<lb/> wahrſcheinlich in der Hoffnung, es<lb/> würden ſich wohl ſolche Fälle in<lb/> den Digeſten finden. Der Fall<lb/> des Depoſitum, den ſowohl eine<lb/> Textvariante, als Theophilus ein-<lb/> miſcht, kann auf keine Weiſe die<lb/> Schwierigkeit löſen. — Gründlich<lb/> iſt die ganze Frage behandelt von<lb/><hi rendition="#g">Francke</hi> Beiträge S. 16 — 26.</note> </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [56/0070]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Das eigentliche Gebiet aber für die Strafklagen ſind
die Obligationen aus Delicten. Dieſe erzeugen insgeſammt
Strafklagen, bald zweyſeitige, bald einſeitige. — Nicht
wenige darunter beziehen ſich auf ſolche Delicte, die bey
Gelegenheit eines Prozeſſes begangen werden. Durch
ſtrafbare Handlungen dieſer Art werden bald eigene, ſelbſt-
ſtändige Strafklagen erzeugt (e), bald nur die ohnehin gel-
tenden Klagen durch eine hinzutretende Strafe erweitert (f).
(d)
(e) So z. B. die im zweyten
Buch der Digeſten enthaltenen
Strafklagen.
(f) Dahin gehören die Klagen,
worin lis inficiando crescit in
duplum (vgl. Note c.). Dieſe
führen nicht ſchon im Allgemeinen
den Namen von poenales actio-
nes, weil man es ihnen vor der
Anſtellung nicht anſehen kann,
ob der Fall der Straferhöhung
eintreten werde. — Eben ſo die
actio quod metus causa, worin
die Straferhöhung nur erſt ein-
tritt, wenn der Beklagte verſäumt,
vor dem Urtheil freywillig den
Kläger zu befriedigen.
(d) contra heredem non compe-
tit, (veluti) cum testator do-
lose versatus sit, et ad here-
dem ejus nihil ex eo dolo per-
venerit.” Wäre die Leſeart ve-
luti richtig, ſo würde in dieſer
Stelle die ganze, in jenen Dige-
ſtenſtellen anerkannte, Rechtsregel
verneint. Wird dieſe Leſeart (wie
es geſchehen muß) verworfen, ſo
ſagt die Stelle nur, daß es Aus-
nahmen von der Regel gäbe, ohne
dieſe ſelbſt zu nennen; ſo lange
alſo ſolche Ausnahmen nicht ander-
wärts nachgewieſen werden, bleibt
für uns die Stelle inhaltsleer. Jetzt
wiſſen wir nun, daß die Stelle
aus einer ungeſchickten Modifika-
tion des Gajus IV § 113 entſtan-
den iſt. Dieſer hatte einige wirk-
lich unvererbliche Contractsklagen
angegeben, die aber in Juſtinians
Zeit nicht mehr vorkamen, und
deswegen weggelaſſen werden muß-
ten; man wollte nun nicht die
ganze Bemerkung fallen laſſen,
und verwandelte ſie daher in eine
unbeſtimmte Verweiſung auf ſolche
ausgenommene Fälle überhaupt,
wahrſcheinlich in der Hoffnung, es
würden ſich wohl ſolche Fälle in
den Digeſten finden. Der Fall
des Depoſitum, den ſowohl eine
Textvariante, als Theophilus ein-
miſcht, kann auf keine Weiſe die
Schwierigkeit löſen. — Gründlich
iſt die ganze Frage behandelt von
Francke Beiträge S. 16 — 26.
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