Sprachgebrauch wird wohl am Wenigsten bezweifelt wer- den, und daher sind von mir auch schon bisher, ehe noch der Sprachgebrauch besonders untersucht war, die von einer incerti condictio redende Stellen unbedenklich auf Condictionen der dritten Klasse bezogen worden (a).
Hieraus folgt also, daß die incerti condictio einen Theil der triticaria in sich schließt, ein anderer Theil der- selben aber, nämlich die Condiction der zweyten Klasse, gar keinen besonderen Namen führt. Ohne Zweifel aber liegt hierin der Hauptgrund, welcher bisher die Anerken- nung der richtigen Terminologie verhindert hat. Denn es hat einen täuschenden Schein logischer Nothwendigkeit, daß alle Condictionen entweder certi oder incerti seyn müßten; nach der hier vorgetragenen Lehre liegt zwischen beiden eine Klasse in der Mitte, welcher weder der eine, noch der andere Name zukommt (b). Der Grund dieser auf- fallenden Erscheinung aber liegt darin, daß die Natur dieser Mittelklasse in der That zweydeutig, und aus beiden Eigenschaften gemischt ist, da sie nämlich eine incerta
(a) So z. B. Num. XXXIV. e. -- Nicht gleichbedeutend mit der incerti condictio ist die incerta formula bey Gajus IV. § 54. 131, denn darunter sind auch die b. f. actiones mit begriffen.
(b) Ein scheinbarer Einwurf liegt in L. 12 de nov. (46. 2) "tenetur condictione vel incerti, si non pecunia soluta esset, vel certi si soluta esset." Allein hier gründet sich das wirklich Ausschlie- ßende dieses Gegensatzes auf die Umstände des besonderen Rechts- falles. Denn es mußte entweder auf liberatio geklagt werden, welches als facere durch die in- certi condictio gefordert wurde, oder auf Baarzahlung. Eine Con- diction der zweyten Klasse konnte hier in keinem Fall vorkommen.
Beylage XIV.
Sprachgebrauch wird wohl am Wenigſten bezweifelt wer- den, und daher ſind von mir auch ſchon bisher, ehe noch der Sprachgebrauch beſonders unterſucht war, die von einer incerti condictio redende Stellen unbedenklich auf Condictionen der dritten Klaſſe bezogen worden (a).
Hieraus folgt alſo, daß die incerti condictio einen Theil der triticaria in ſich ſchließt, ein anderer Theil der- ſelben aber, nämlich die Condiction der zweyten Klaſſe, gar keinen beſonderen Namen führt. Ohne Zweifel aber liegt hierin der Hauptgrund, welcher bisher die Anerken- nung der richtigen Terminologie verhindert hat. Denn es hat einen täuſchenden Schein logiſcher Nothwendigkeit, daß alle Condictionen entweder certi oder incerti ſeyn müßten; nach der hier vorgetragenen Lehre liegt zwiſchen beiden eine Klaſſe in der Mitte, welcher weder der eine, noch der andere Name zukommt (b). Der Grund dieſer auf- fallenden Erſcheinung aber liegt darin, daß die Natur dieſer Mittelklaſſe in der That zweydeutig, und aus beiden Eigenſchaften gemiſcht iſt, da ſie nämlich eine incerta
(a) So z. B. Num. XXXIV. e. — Nicht gleichbedeutend mit der incerti condictio iſt die incerta formula bey Gajus IV. § 54. 131, denn darunter ſind auch die b. f. actiones mit begriffen.
(b) Ein ſcheinbarer Einwurf liegt in L. 12 de nov. (46. 2) „tenetur condictione vel incerti, si non pecunia soluta esset, vel certi si soluta esset.” Allein hier gründet ſich das wirklich Ausſchlie- ßende dieſes Gegenſatzes auf die Umſtände des beſonderen Rechts- falles. Denn es mußte entweder auf liberatio geklagt werden, welches als facere durch die in- certi condictio gefordert wurde, oder auf Baarzahlung. Eine Con- diction der zweyten Klaſſe konnte hier in keinem Fall vorkommen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0642"n="628"/><fwplace="top"type="header">Beylage <hirendition="#aq">XIV.</hi></fw><lb/>
Sprachgebrauch wird wohl am Wenigſten bezweifelt wer-<lb/>
den, und daher ſind von mir auch ſchon bisher, ehe noch<lb/>
der Sprachgebrauch beſonders unterſucht war, die von<lb/>
einer <hirendition="#aq">incerti condictio</hi> redende Stellen unbedenklich auf<lb/>
Condictionen der dritten Klaſſe bezogen worden <noteplace="foot"n="(a)">So z. B. Num. <hirendition="#aq">XXXIV. e.</hi><lb/>— Nicht gleichbedeutend mit der<lb/><hirendition="#aq">incerti <hirendition="#i">condictio</hi></hi> iſt die <hirendition="#aq">incerta<lb/><hirendition="#i">formula</hi></hi> bey <hirendition="#aq"><hirendition="#k">Gajus</hi> IV.</hi> § 54.<lb/>
131, denn darunter ſind auch die<lb/><hirendition="#aq">b. f. actiones</hi> mit begriffen.</note>.</p><lb/><p>Hieraus folgt alſo, daß die <hirendition="#aq">incerti condictio</hi> einen<lb/>
Theil der <hirendition="#aq">triticaria</hi> in ſich ſchließt, ein anderer Theil der-<lb/>ſelben aber, nämlich die Condiction der zweyten Klaſſe,<lb/>
gar keinen beſonderen Namen führt. Ohne Zweifel aber<lb/>
liegt hierin der Hauptgrund, welcher bisher die Anerken-<lb/>
nung der richtigen Terminologie verhindert hat. Denn es<lb/>
hat einen täuſchenden Schein logiſcher Nothwendigkeit, daß<lb/>
alle Condictionen entweder <hirendition="#aq">certi</hi> oder <hirendition="#aq">incerti</hi>ſeyn müßten;<lb/>
nach der hier vorgetragenen Lehre liegt zwiſchen beiden<lb/>
eine Klaſſe in der Mitte, welcher weder der eine, noch<lb/>
der andere Name zukommt <noteplace="foot"n="(b)">Ein ſcheinbarer Einwurf<lb/>
liegt in <hirendition="#aq"><hirendition="#i">L.</hi> 12 <hirendition="#i">de nov.</hi> (46. 2)<lb/>„tenetur condictione vel incerti,<lb/>
si non pecunia soluta esset, vel<lb/>
certi si soluta esset.”</hi> Allein hier<lb/>
gründet ſich das wirklich Ausſchlie-<lb/>
ßende dieſes Gegenſatzes auf die<lb/>
Umſtände des beſonderen Rechts-<lb/>
falles. Denn es mußte entweder<lb/>
auf <hirendition="#aq">liberatio</hi> geklagt werden,<lb/>
welches als <hirendition="#aq">facere</hi> durch die <hirendition="#aq">in-<lb/>
certi condictio</hi> gefordert wurde,<lb/>
oder auf Baarzahlung. Eine Con-<lb/>
diction der zweyten Klaſſe konnte<lb/>
hier in keinem Fall vorkommen.</note>. Der Grund dieſer auf-<lb/>
fallenden Erſcheinung aber liegt darin, daß die Natur<lb/>
dieſer Mittelklaſſe in der That zweydeutig, und aus beiden<lb/>
Eigenſchaften gemiſcht iſt, da ſie nämlich eine <hirendition="#aq">incerta</hi><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[628/0642]
Beylage XIV.
Sprachgebrauch wird wohl am Wenigſten bezweifelt wer-
den, und daher ſind von mir auch ſchon bisher, ehe noch
der Sprachgebrauch beſonders unterſucht war, die von
einer incerti condictio redende Stellen unbedenklich auf
Condictionen der dritten Klaſſe bezogen worden (a).
Hieraus folgt alſo, daß die incerti condictio einen
Theil der triticaria in ſich ſchließt, ein anderer Theil der-
ſelben aber, nämlich die Condiction der zweyten Klaſſe,
gar keinen beſonderen Namen führt. Ohne Zweifel aber
liegt hierin der Hauptgrund, welcher bisher die Anerken-
nung der richtigen Terminologie verhindert hat. Denn es
hat einen täuſchenden Schein logiſcher Nothwendigkeit, daß
alle Condictionen entweder certi oder incerti ſeyn müßten;
nach der hier vorgetragenen Lehre liegt zwiſchen beiden
eine Klaſſe in der Mitte, welcher weder der eine, noch
der andere Name zukommt (b). Der Grund dieſer auf-
fallenden Erſcheinung aber liegt darin, daß die Natur
dieſer Mittelklaſſe in der That zweydeutig, und aus beiden
Eigenſchaften gemiſcht iſt, da ſie nämlich eine incerta
(a) So z. B. Num. XXXIV. e.
— Nicht gleichbedeutend mit der
incerti condictio iſt die incerta
formula bey Gajus IV. § 54.
131, denn darunter ſind auch die
b. f. actiones mit begriffen.
(b) Ein ſcheinbarer Einwurf
liegt in L. 12 de nov. (46. 2)
„tenetur condictione vel incerti,
si non pecunia soluta esset, vel
certi si soluta esset.” Allein hier
gründet ſich das wirklich Ausſchlie-
ßende dieſes Gegenſatzes auf die
Umſtände des beſonderen Rechts-
falles. Denn es mußte entweder
auf liberatio geklagt werden,
welches als facere durch die in-
certi condictio gefordert wurde,
oder auf Baarzahlung. Eine Con-
diction der zweyten Klaſſe konnte
hier in keinem Fall vorkommen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 628. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/642>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.