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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Die Condictionen. XXIII.
werden kann (b). Diese Bedeutung ist in unsrer Stelle
völlig unmöglich, denn wenn man den incertus contractus
in diesem Sinn als Grundlage einer möglichen certi con-
dictio
ansehen wollte, so bliebe für die incerti condictio
gar kein Raum mehr übrig. Ulpian denkt also an die
Unbestimmtheit der Contractsart, mit welcher die Be-
gründung einer bestimmten Geldforderung, also einer certi
condictio,
wohl vereinbar ist. In diesem Sinn sind certi
contractus
die Stipulation, das Darlehen, der Kauf u. s. w.,
incerti solche Verträge, die entweder gar keinen indivi-
duellen Namen führen, oder, wegen ihrer zweydeutigen
Natur, zwischen mehreren bestimmten Contracten in der
Mitte schweben (c); von solchen incerti contractus redet
hier Ulpian.

Die scheinbare Allgemeinheit der hier behandelten Stelle
ist vom Mittelalter her den Juristen sehr bedenklich er-
schienen. Schon seit der Glosse war es gewöhnlich, um
dieser Stelle Willen, neben der condictio certi ex mutuo,
eine condictio certi generalis anzunehmen (d). Theils

(b) L. 74. 75 de V. O. (45. 1.).
-- Die Ausdrücke certus, incer-
tus contractus
kommen noch in
einigen anderen Stellen vor, in
welchen es mir zweifelhaft ist, ob
sie in dem einen oder dem ande-
ren Sinn gebraucht werden. L. 18
pr. de acceptil. (46. 4.), L. 1
§ 6 de pec. const.
(13. 5.). Vgl.
Heffter in Gajum Lib. 4 p. 68.
(c) L. 1--4 de praescr. verb.
(19. 5.). Es ist also ungefähr
das, Was die neueren Innomi-
natcontracte nennen, doch nur un-
gefähr, weil diese letzten wieder
zu sehr auf das do ut des aut
facias, facio ut des aut facias,

beschränkt sind.
(d) Glossa in L. 9 de R. C.
(12. 1.). -- Cujacius in Opp. V.
399, VII. 650, X.
164.

Die Condictionen. XXIII.
werden kann (b). Dieſe Bedeutung iſt in unſrer Stelle
völlig unmöglich, denn wenn man den incertus contractus
in dieſem Sinn als Grundlage einer möglichen certi con-
dictio
anſehen wollte, ſo bliebe für die incerti condictio
gar kein Raum mehr übrig. Ulpian denkt alſo an die
Unbeſtimmtheit der Contractsart, mit welcher die Be-
gründung einer beſtimmten Geldforderung, alſo einer certi
condictio,
wohl vereinbar iſt. In dieſem Sinn ſind certi
contractus
die Stipulation, das Darlehen, der Kauf u. ſ. w.,
incerti ſolche Verträge, die entweder gar keinen indivi-
duellen Namen führen, oder, wegen ihrer zweydeutigen
Natur, zwiſchen mehreren beſtimmten Contracten in der
Mitte ſchweben (c); von ſolchen incerti contractus redet
hier Ulpian.

Die ſcheinbare Allgemeinheit der hier behandelten Stelle
iſt vom Mittelalter her den Juriſten ſehr bedenklich er-
ſchienen. Schon ſeit der Gloſſe war es gewöhnlich, um
dieſer Stelle Willen, neben der condictio certi ex mutuo,
eine condictio certi generalis anzunehmen (d). Theils

(b) L. 74. 75 de V. O. (45. 1.).
— Die Ausdrücke certus, incer-
tus contractus
kommen noch in
einigen anderen Stellen vor, in
welchen es mir zweifelhaft iſt, ob
ſie in dem einen oder dem ande-
ren Sinn gebraucht werden. L. 18
pr. de acceptil. (46. 4.), L. 1
§ 6 de pec. const.
(13. 5.). Vgl.
Heffter in Gajum Lib. 4 p. 68.
(c) L. 1—4 de praescr. verb.
(19. 5.). Es iſt alſo ungefähr
das, Was die neueren Innomi-
natcontracte nennen, doch nur un-
gefähr, weil dieſe letzten wieder
zu ſehr auf das do ut des aut
facias, facio ut des aut facias,

beſchränkt ſind.
(d) Glossa in L. 9 de R. C.
(12. 1.). — Cujacius in Opp. V.
399, VII. 650, X.
164.
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[581/0595] Die Condictionen. XXIII. werden kann (b). Dieſe Bedeutung iſt in unſrer Stelle völlig unmöglich, denn wenn man den incertus contractus in dieſem Sinn als Grundlage einer möglichen certi con- dictio anſehen wollte, ſo bliebe für die incerti condictio gar kein Raum mehr übrig. Ulpian denkt alſo an die Unbeſtimmtheit der Contractsart, mit welcher die Be- gründung einer beſtimmten Geldforderung, alſo einer certi condictio, wohl vereinbar iſt. In dieſem Sinn ſind certi contractus die Stipulation, das Darlehen, der Kauf u. ſ. w., incerti ſolche Verträge, die entweder gar keinen indivi- duellen Namen führen, oder, wegen ihrer zweydeutigen Natur, zwiſchen mehreren beſtimmten Contracten in der Mitte ſchweben (c); von ſolchen incerti contractus redet hier Ulpian. Die ſcheinbare Allgemeinheit der hier behandelten Stelle iſt vom Mittelalter her den Juriſten ſehr bedenklich er- ſchienen. Schon ſeit der Gloſſe war es gewöhnlich, um dieſer Stelle Willen, neben der condictio certi ex mutuo, eine condictio certi generalis anzunehmen (d). Theils (b) L. 74. 75 de V. O. (45. 1.). — Die Ausdrücke certus, incer- tus contractus kommen noch in einigen anderen Stellen vor, in welchen es mir zweifelhaft iſt, ob ſie in dem einen oder dem ande- ren Sinn gebraucht werden. L. 18 pr. de acceptil. (46. 4.), L. 1 § 6 de pec. const. (13. 5.). Vgl. Heffter in Gajum Lib. 4 p. 68. (c) L. 1—4 de praescr. verb. (19. 5.). Es iſt alſo ungefähr das, Was die neueren Innomi- natcontracte nennen, doch nur un- gefähr, weil dieſe letzten wieder zu ſehr auf das do ut des aut facias, facio ut des aut facias, beſchränkt ſind. (d) Glossa in L. 9 de R. C. (12. 1.). — Cujacius in Opp. V. 399, VII. 650, X. 164.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 581. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/595>, abgerufen am 02.05.2024.