Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Quanti res est. VIII.
Die Gedankenverbindung, woraus diese ungenaue Rede zu
erklären, zugleich also ihre Voraussetzung zu rechtfertigen
ist, mag etwa folgende seyn. Ulpian dachte an einen Fall,
worin (wie in den allermeisten) das Interesse mit dem
Sachwerth identisch war, der Sachwerth aber, durch eine
in der Sache selbst vorgegangene Veränderung sich ver-
mindert hatte, etwa von 100 auf 60. Nun drückte Ul-
pian seine Meynung in folgender Weise aus: Es ist eine
Sache im Werth von 100 gestohlen worden, und es muß
daher die Summe von 100 als Simplum behandelt wer-
den, obgleich das gegenwärtige Interesse des Klägers
(zur Zeit der Klage) nur 60 beträgt, so daß es ihm nur
einen fühlbaren Unterschied von 60 in seinem Vermögen
macht, wenn man annimmt, die Sache wäre ihm nicht
gestohlen worden.

VIII.

In mehreren anderen speciellen Fällen hat es gar kei-
nen Zweifel, daß das quanti res est völlig gleichbedeu-
tend ist mit quanti interest. So standen jene Worte in
der Condemnationsformel der doli actio (a), und es war
so wenig zweifelhaft, dieselben von dem Interesse zu ver-
stehen, daß sogar der Eid in litem dabey gestattet wurde,
der doch auf die ausgedehnteste Leistung des Interesse
führt (b).


(a) L. 17 pr. L. 18 pr. de dolo (4. 3.).
(b) L. 18 pr. § 1. 4 de dolo (4. 3.).

Quanti res est. VIII.
Die Gedankenverbindung, woraus dieſe ungenaue Rede zu
erklären, zugleich alſo ihre Vorausſetzung zu rechtfertigen
iſt, mag etwa folgende ſeyn. Ulpian dachte an einen Fall,
worin (wie in den allermeiſten) das Intereſſe mit dem
Sachwerth identiſch war, der Sachwerth aber, durch eine
in der Sache ſelbſt vorgegangene Veränderung ſich ver-
mindert hatte, etwa von 100 auf 60. Nun drückte Ul-
pian ſeine Meynung in folgender Weiſe aus: Es iſt eine
Sache im Werth von 100 geſtohlen worden, und es muß
daher die Summe von 100 als Simplum behandelt wer-
den, obgleich das gegenwärtige Intereſſe des Klägers
(zur Zeit der Klage) nur 60 beträgt, ſo daß es ihm nur
einen fühlbaren Unterſchied von 60 in ſeinem Vermögen
macht, wenn man annimmt, die Sache wäre ihm nicht
geſtohlen worden.

VIII.

In mehreren anderen ſpeciellen Fällen hat es gar kei-
nen Zweifel, daß das quanti res est völlig gleichbedeu-
tend iſt mit quanti interest. So ſtanden jene Worte in
der Condemnationsformel der doli actio (a), und es war
ſo wenig zweifelhaft, dieſelben von dem Intereſſe zu ver-
ſtehen, daß ſogar der Eid in litem dabey geſtattet wurde,
der doch auf die ausgedehnteſte Leiſtung des Intereſſe
führt (b).


(a) L. 17 pr. L. 18 pr. de dolo (4. 3.).
(b) L. 18 pr. § 1. 4 de dolo (4. 3.).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0467" n="453"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">Quanti res est. VIII.</hi></fw><lb/>
Die Gedankenverbindung, woraus die&#x017F;e ungenaue Rede zu<lb/>
erklären, zugleich al&#x017F;o ihre Voraus&#x017F;etzung zu rechtfertigen<lb/>
i&#x017F;t, mag etwa folgende &#x017F;eyn. Ulpian dachte an einen Fall,<lb/>
worin (wie in den allermei&#x017F;ten) das Intere&#x017F;&#x017F;e mit dem<lb/>
Sachwerth identi&#x017F;ch war, der Sachwerth aber, durch eine<lb/>
in der Sache &#x017F;elb&#x017F;t vorgegangene Veränderung &#x017F;ich ver-<lb/>
mindert hatte, etwa von 100 auf 60. Nun drückte Ul-<lb/>
pian &#x017F;eine Meynung in folgender Wei&#x017F;e aus: Es i&#x017F;t eine<lb/>
Sache im Werth von 100 ge&#x017F;tohlen worden, und es muß<lb/>
daher die Summe von 100 als Simplum behandelt wer-<lb/>
den, obgleich das gegenwärtige Intere&#x017F;&#x017F;e des Klägers<lb/>
(zur Zeit der Klage) nur 60 beträgt, &#x017F;o daß es ihm nur<lb/>
einen fühlbaren Unter&#x017F;chied von 60 in &#x017F;einem Vermögen<lb/>
macht, wenn man annimmt, die Sache wäre ihm nicht<lb/>
ge&#x017F;tohlen worden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">VIII.</hi> </hi> </head><lb/>
            <p>In mehreren anderen &#x017F;peciellen Fällen hat es gar kei-<lb/>
nen Zweifel, daß das <hi rendition="#aq">quanti res est</hi> völlig gleichbedeu-<lb/>
tend i&#x017F;t mit <hi rendition="#aq">quanti interest.</hi> So &#x017F;tanden jene Worte in<lb/>
der Condemnationsformel der <hi rendition="#aq">doli actio</hi> <note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 17 <hi rendition="#i">pr. L.</hi> 18 <hi rendition="#i">pr. de dolo</hi></hi> (4. 3.).</note>, und es war<lb/>
&#x017F;o wenig zweifelhaft, die&#x017F;elben von dem Intere&#x017F;&#x017F;e zu ver-<lb/>
&#x017F;tehen, daß &#x017F;ogar der Eid <hi rendition="#aq">in litem</hi> dabey ge&#x017F;tattet wurde,<lb/>
der doch auf die ausgedehnte&#x017F;te Lei&#x017F;tung des Intere&#x017F;&#x017F;e<lb/>
führt <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 18 <hi rendition="#i">pr.</hi> § 1. 4 <hi rendition="#i">de dolo</hi></hi> (4. 3.).</note>.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[453/0467] Quanti res est. VIII. Die Gedankenverbindung, woraus dieſe ungenaue Rede zu erklären, zugleich alſo ihre Vorausſetzung zu rechtfertigen iſt, mag etwa folgende ſeyn. Ulpian dachte an einen Fall, worin (wie in den allermeiſten) das Intereſſe mit dem Sachwerth identiſch war, der Sachwerth aber, durch eine in der Sache ſelbſt vorgegangene Veränderung ſich ver- mindert hatte, etwa von 100 auf 60. Nun drückte Ul- pian ſeine Meynung in folgender Weiſe aus: Es iſt eine Sache im Werth von 100 geſtohlen worden, und es muß daher die Summe von 100 als Simplum behandelt wer- den, obgleich das gegenwärtige Intereſſe des Klägers (zur Zeit der Klage) nur 60 beträgt, ſo daß es ihm nur einen fühlbaren Unterſchied von 60 in ſeinem Vermögen macht, wenn man annimmt, die Sache wäre ihm nicht geſtohlen worden. VIII. In mehreren anderen ſpeciellen Fällen hat es gar kei- nen Zweifel, daß das quanti res est völlig gleichbedeu- tend iſt mit quanti interest. So ſtanden jene Worte in der Condemnationsformel der doli actio (a), und es war ſo wenig zweifelhaft, dieſelben von dem Intereſſe zu ver- ſtehen, daß ſogar der Eid in litem dabey geſtattet wurde, der doch auf die ausgedehnteſte Leiſtung des Intereſſe führt (b). (a) L. 17 pr. L. 18 pr. de dolo (4. 3.). (b) L. 18 pr. § 1. 4 de dolo (4. 3.).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/467
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/467>, abgerufen am 23.11.2024.