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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
wäre, wenn diese beide, so nahe verwandte, Rechtsinsti-
tute eine völlig verschiedene praktische Behandlung erfah-
ren sollten (n).

Folgende allgemeine Betrachtungen können noch als
entferntere Bestätigungen der hier vertheidigten, schwäche-
ren Wirkung der Verjährung dienen.

Alle sind darüber einverstanden, daß für die ursprüng-
liche naturalis obligatio eine Verjährung niemals eintreten
kann (§ 248). Es wäre aber ganz grundlos und unnatür-
lich, denjenigen Glaubiger, welcher durch Verjährung seine
Klage verloren hat, in eine nachtheiligere Lage zu ver-
setzen als Den, welcher niemals eine Klage hatte. Soll
diese Inconsequenz vermieden werden, so ist dazu kein an-
deres Mittel übrig, als die naturalis obligatio noch nach
der vollendeten Verjährung fortdauern zu lassen (o).

Da ferner die Verjährung der Klagen in rem dem
Berechtigten nicht Alles entzieht, was er hatte, sondern
nur den Schutz durch Klage, wodurch er freylich mit sei-
nen Hoffnungen auf eine sehr zufällige, unsichere Zukunft
verwiesen wird, so ist es ganz consequent, genau denselben
Erfolg auch bey den verjährten persönlichen Klagen ein-
treten zu lassen.

Beide Betrachtungen können insbesondere dazu dienen,
die zu weit getriebene Consequenz der Gegner in ihrer

(n) Francke S. 74 -- 78 hat
die Wichtigkeit dieser Analogie be-
merklich gemacht.
(o) Dieser Grund wird geltend
gemacht von Göschen § 154.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
wäre, wenn dieſe beide, ſo nahe verwandte, Rechtsinſti-
tute eine völlig verſchiedene praktiſche Behandlung erfah-
ren ſollten (n).

Folgende allgemeine Betrachtungen können noch als
entferntere Beſtätigungen der hier vertheidigten, ſchwäche-
ren Wirkung der Verjährung dienen.

Alle ſind darüber einverſtanden, daß für die urſprüng-
liche naturalis obligatio eine Verjährung niemals eintreten
kann (§ 248). Es wäre aber ganz grundlos und unnatür-
lich, denjenigen Glaubiger, welcher durch Verjährung ſeine
Klage verloren hat, in eine nachtheiligere Lage zu ver-
ſetzen als Den, welcher niemals eine Klage hatte. Soll
dieſe Inconſequenz vermieden werden, ſo iſt dazu kein an-
deres Mittel übrig, als die naturalis obligatio noch nach
der vollendeten Verjährung fortdauern zu laſſen (o).

Da ferner die Verjährung der Klagen in rem dem
Berechtigten nicht Alles entzieht, was er hatte, ſondern
nur den Schutz durch Klage, wodurch er freylich mit ſei-
nen Hoffnungen auf eine ſehr zufällige, unſichere Zukunft
verwieſen wird, ſo iſt es ganz conſequent, genau denſelben
Erfolg auch bey den verjährten perſönlichen Klagen ein-
treten zu laſſen.

Beide Betrachtungen können insbeſondere dazu dienen,
die zu weit getriebene Conſequenz der Gegner in ihrer

(n) Francke S. 74 — 78 hat
die Wichtigkeit dieſer Analogie be-
merklich gemacht.
(o) Dieſer Grund wird geltend
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[380/0394] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. wäre, wenn dieſe beide, ſo nahe verwandte, Rechtsinſti- tute eine völlig verſchiedene praktiſche Behandlung erfah- ren ſollten (n). Folgende allgemeine Betrachtungen können noch als entferntere Beſtätigungen der hier vertheidigten, ſchwäche- ren Wirkung der Verjährung dienen. Alle ſind darüber einverſtanden, daß für die urſprüng- liche naturalis obligatio eine Verjährung niemals eintreten kann (§ 248). Es wäre aber ganz grundlos und unnatür- lich, denjenigen Glaubiger, welcher durch Verjährung ſeine Klage verloren hat, in eine nachtheiligere Lage zu ver- ſetzen als Den, welcher niemals eine Klage hatte. Soll dieſe Inconſequenz vermieden werden, ſo iſt dazu kein an- deres Mittel übrig, als die naturalis obligatio noch nach der vollendeten Verjährung fortdauern zu laſſen (o). Da ferner die Verjährung der Klagen in rem dem Berechtigten nicht Alles entzieht, was er hatte, ſondern nur den Schutz durch Klage, wodurch er freylich mit ſei- nen Hoffnungen auf eine ſehr zufällige, unſichere Zukunft verwieſen wird, ſo iſt es ganz conſequent, genau denſelben Erfolg auch bey den verjährten perſönlichen Klagen ein- treten zu laſſen. Beide Betrachtungen können insbeſondere dazu dienen, die zu weit getriebene Conſequenz der Gegner in ihrer (n) Francke S. 74 — 78 hat die Wichtigkeit dieſer Analogie be- merklich gemacht. (o) Dieſer Grund wird geltend gemacht von Göſchen § 154.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/394>, abgerufen am 03.05.2024.