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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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§. 246. Klagverjährung. Bedingungen. Bona fides. (Fortsetzung.)
Bedenken haben. -- Allein Rave wollte nun auch noch
die mala fides anbringen, für deren allgemeine Wirksam-
keit er sich, vielen älteren Schriftstellern folgend, ausge-
sprochen hatte. Er verlegte daher diese in die Zeit nach
abgelaufener Verjährung, wohin sie gar nicht mehr ge-
hört, und vereinigte sie mit der Widerlegung der Prä-
sumtion der Tilgung in der Art, daß dieselben Thatsachen
dazu dienen sollten, zugleich die Nichttilgung, und das un-
redliche Bewußtseyn, zu erweisen. Alle diese von ihm
beyspielsweise angeführte Thatsachen aber sind dazu durch-
aus nicht genügend. Das außergerichtliche Geständniß be-
weißt nur die Meynung des Beklagten über Fortdauer
der Schuld, welche aber irrig seyn kann, so daß die wirk-
liche Tilgung daneben dennoch möglich, also die durch die
lange Zeit begründete Präsumtion nicht widerlegt ist. Mit
der versuchten Zerstörung der Beweisurkunden für die Ent-
stehung der Schuld verhält es sich eben so; auch wird
der Schuldner, welcher sich von Rave's Theorie durch-
drungen hat, nicht so thöricht seyn, durch einen solchen
Versuch Verdacht zu erregen, da ja das Daseyn der un-
versehrten Urkunden die Präsumtion der Tilgung nicht
entkräften soll. Endlich die Mittheilung fremder Personen
kann gewiß noch weniger bewirken, als das eigene Ge-
ständniß des Schuldners.

So erscheint also diese ganze Lehre von allen Seiten
unhaltbar und inconsequent. Kein neuerer Schriftsteller
ist darauf eingegangen, und es würde keine Veranlassung

§. 246. Klagverjährung. Bedingungen. Bona fides. (Fortſetzung.)
Bedenken haben. — Allein Rave wollte nun auch noch
die mala fides anbringen, für deren allgemeine Wirkſam-
keit er ſich, vielen älteren Schriftſtellern folgend, ausge-
ſprochen hatte. Er verlegte daher dieſe in die Zeit nach
abgelaufener Verjährung, wohin ſie gar nicht mehr ge-
hört, und vereinigte ſie mit der Widerlegung der Prä-
ſumtion der Tilgung in der Art, daß dieſelben Thatſachen
dazu dienen ſollten, zugleich die Nichttilgung, und das un-
redliche Bewußtſeyn, zu erweiſen. Alle dieſe von ihm
beyſpielsweiſe angeführte Thatſachen aber ſind dazu durch-
aus nicht genügend. Das außergerichtliche Geſtändniß be-
weißt nur die Meynung des Beklagten über Fortdauer
der Schuld, welche aber irrig ſeyn kann, ſo daß die wirk-
liche Tilgung daneben dennoch möglich, alſo die durch die
lange Zeit begründete Präſumtion nicht widerlegt iſt. Mit
der verſuchten Zerſtörung der Beweisurkunden für die Ent-
ſtehung der Schuld verhält es ſich eben ſo; auch wird
der Schuldner, welcher ſich von Rave’s Theorie durch-
drungen hat, nicht ſo thöricht ſeyn, durch einen ſolchen
Verſuch Verdacht zu erregen, da ja das Daſeyn der un-
verſehrten Urkunden die Präſumtion der Tilgung nicht
entkräften ſoll. Endlich die Mittheilung fremder Perſonen
kann gewiß noch weniger bewirken, als das eigene Ge-
ſtändniß des Schuldners.

So erſcheint alſo dieſe ganze Lehre von allen Seiten
unhaltbar und inconſequent. Kein neuerer Schriftſteller
iſt darauf eingegangen, und es würde keine Veranlaſſung

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[345/0359] §. 246. Klagverjährung. Bedingungen. Bona fides. (Fortſetzung.) Bedenken haben. — Allein Rave wollte nun auch noch die mala fides anbringen, für deren allgemeine Wirkſam- keit er ſich, vielen älteren Schriftſtellern folgend, ausge- ſprochen hatte. Er verlegte daher dieſe in die Zeit nach abgelaufener Verjährung, wohin ſie gar nicht mehr ge- hört, und vereinigte ſie mit der Widerlegung der Prä- ſumtion der Tilgung in der Art, daß dieſelben Thatſachen dazu dienen ſollten, zugleich die Nichttilgung, und das un- redliche Bewußtſeyn, zu erweiſen. Alle dieſe von ihm beyſpielsweiſe angeführte Thatſachen aber ſind dazu durch- aus nicht genügend. Das außergerichtliche Geſtändniß be- weißt nur die Meynung des Beklagten über Fortdauer der Schuld, welche aber irrig ſeyn kann, ſo daß die wirk- liche Tilgung daneben dennoch möglich, alſo die durch die lange Zeit begründete Präſumtion nicht widerlegt iſt. Mit der verſuchten Zerſtörung der Beweisurkunden für die Ent- ſtehung der Schuld verhält es ſich eben ſo; auch wird der Schuldner, welcher ſich von Rave’s Theorie durch- drungen hat, nicht ſo thöricht ſeyn, durch einen ſolchen Verſuch Verdacht zu erregen, da ja das Daſeyn der un- verſehrten Urkunden die Präſumtion der Tilgung nicht entkräften ſoll. Endlich die Mittheilung fremder Perſonen kann gewiß noch weniger bewirken, als das eigene Ge- ſtändniß des Schuldners. So erſcheint alſo dieſe ganze Lehre von allen Seiten unhaltbar und inconſequent. Kein neuerer Schriftſteller iſt darauf eingegangen, und es würde keine Veranlaſſung

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/359>, abgerufen am 14.08.2024.