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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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§. 245. Klagverjährung. Bedingungen. Bona fides. (Fortsetzung.)
Klagen auf Restitution des Besitzes, worauf die ersten
Meynungen das Erforderniß der bona fides beschränken.
Daß hier eine unmittelbare Tilgung nicht Statt gefunden
hat, erhellt aus dem noch jetzt in den Händen des Be-
klagten befindlichen Besitz; eine indirecte Tilgung aber,
etwa durch Geldabfindung, würde ein neues Rechtsgeschäft
voraussetzen, für dessen Annahme unmöglich eine ähnliche
Präsumtion behauptet werden kann, wie für die Annahme
der in der natürlichen Entwicklung der Geldschulden lie-
genden baaren Zahlung.

Die hier aufgestellte Behauptung ist noch durch fol-
gende nähere Bestimmungen zu ergänzen.

Das Daseyn des redlichen Bewußtseyns wird dadurch
nicht ausgeschlossen, daß ein Rechtsirrthum zum Grund
liegt (e).

Man hat früher über die Frage gestritten, ob die Klag-
verjährung auch dadurch gestört werde, daß nach Ablauf
der Verjährungszeit das Bewußtseyn des fremden Rechts
eintrete (f). In neueren Zeiten aber ist allgemein aner-
kannt worden, daß dieser Umstand die Wirkung der Klag-
verjährung nicht hindere (g). Der Grund liegt darin, daß
die Verjährung selbst ein neues Recht erzeugt, oder we-
nigstens erzeugen kann, weshalb nun jeder Gedanke in Be-

(e) Vgl. oben B. 3 Beylage
VIII. Num. XXIII.
(f) Gilken de usucap. P. 2
Membr. 3 C.
8 unterscheidet ganz
willkührlich zwischen einer Verjäh-
rung aus causa lucrativa oder
onerosa.
(g) Giphanius p. 258. Müller
ad Leyser. Obs.
726. Möllen-
thiel
S. 120.

§. 245. Klagverjährung. Bedingungen. Bona fides. (Fortſetzung.)
Klagen auf Reſtitution des Beſitzes, worauf die erſten
Meynungen das Erforderniß der bona fides beſchränken.
Daß hier eine unmittelbare Tilgung nicht Statt gefunden
hat, erhellt aus dem noch jetzt in den Händen des Be-
klagten befindlichen Beſitz; eine indirecte Tilgung aber,
etwa durch Geldabfindung, würde ein neues Rechtsgeſchäft
vorausſetzen, für deſſen Annahme unmöglich eine ähnliche
Präſumtion behauptet werden kann, wie für die Annahme
der in der natürlichen Entwicklung der Geldſchulden lie-
genden baaren Zahlung.

Die hier aufgeſtellte Behauptung iſt noch durch fol-
gende nähere Beſtimmungen zu ergänzen.

Das Daſeyn des redlichen Bewußtſeyns wird dadurch
nicht ausgeſchloſſen, daß ein Rechtsirrthum zum Grund
liegt (e).

Man hat früher über die Frage geſtritten, ob die Klag-
verjährung auch dadurch geſtört werde, daß nach Ablauf
der Verjährungszeit das Bewußtſeyn des fremden Rechts
eintrete (f). In neueren Zeiten aber iſt allgemein aner-
kannt worden, daß dieſer Umſtand die Wirkung der Klag-
verjährung nicht hindere (g). Der Grund liegt darin, daß
die Verjährung ſelbſt ein neues Recht erzeugt, oder we-
nigſtens erzeugen kann, weshalb nun jeder Gedanke in Be-

(e) Vgl. oben B. 3 Beylage
VIII. Num. XXIII.
(f) Gilken de usucap. P. 2
Membr. 3 C.
8 unterſcheidet ganz
willkührlich zwiſchen einer Verjäh-
rung aus causa lucrativa oder
onerosa.
(g) Giphanius p. 258. Müller
ad Leyser. Obs.
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thiel
S. 120.
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[341/0355] §. 245. Klagverjährung. Bedingungen. Bona fides. (Fortſetzung.) Klagen auf Reſtitution des Beſitzes, worauf die erſten Meynungen das Erforderniß der bona fides beſchränken. Daß hier eine unmittelbare Tilgung nicht Statt gefunden hat, erhellt aus dem noch jetzt in den Händen des Be- klagten befindlichen Beſitz; eine indirecte Tilgung aber, etwa durch Geldabfindung, würde ein neues Rechtsgeſchäft vorausſetzen, für deſſen Annahme unmöglich eine ähnliche Präſumtion behauptet werden kann, wie für die Annahme der in der natürlichen Entwicklung der Geldſchulden lie- genden baaren Zahlung. Die hier aufgeſtellte Behauptung iſt noch durch fol- gende nähere Beſtimmungen zu ergänzen. Das Daſeyn des redlichen Bewußtſeyns wird dadurch nicht ausgeſchloſſen, daß ein Rechtsirrthum zum Grund liegt (e). Man hat früher über die Frage geſtritten, ob die Klag- verjährung auch dadurch geſtört werde, daß nach Ablauf der Verjährungszeit das Bewußtſeyn des fremden Rechts eintrete (f). In neueren Zeiten aber iſt allgemein aner- kannt worden, daß dieſer Umſtand die Wirkung der Klag- verjährung nicht hindere (g). Der Grund liegt darin, daß die Verjährung ſelbſt ein neues Recht erzeugt, oder we- nigſtens erzeugen kann, weshalb nun jeder Gedanke in Be- (e) Vgl. oben B. 3 Beylage VIII. Num. XXIII. (f) Gilken de usucap. P. 2 Membr. 3 C. 8 unterſcheidet ganz willkührlich zwiſchen einer Verjäh- rung aus causa lucrativa oder onerosa. (g) Giphanius p. 258. Müller ad Leyser. Obs. 726. Möllen- thiel S. 120.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/355>, abgerufen am 23.12.2024.