digung, nach der andern mit der dritten Klasse. Die erste Auffassung aber ist ohne Zweifel dem Römischen Recht angemessen, und dieses Verhältniß eben soll durch die von mir gewählte Terminologie ausgedrückt werden (h).
Über das Verhältniß der dritten Klasse der Vertheidi- gung zu den beiden ersten ist Folgendes zu bemerken. Die Gränze derselben, das heißt die Unterscheidung der Fälle, die dem einen oder dem andern Gebiet angehören, ist gro- ßentheils von positiven Rechtsregeln abhängig, hat also einen historischen Character, so daß darin Manches anders seyn könnte, auch wohl bey dem Übergang des Römischen Rechts in die neuere Zeit anders geworden ist. So ge- hört die Berufung des Beklagten auf Unmündigkeit oder Wahnsinn eines Contrahenten zur ersten Klasse der Ver- theidigung, die Berufung auf Zwang oder Betrug zur dritten. Behauptet der Beklagte, eine Schuld sey durch Acceptilation oder Novation, oder eine Servitut sey durch Nichtgebrauch aufgehoben worden, so liegt darin eine re- lative Verneinung, oder eine Vertheidigung der zweyten Klasse; behauptet er die Aufhebung der Schuld durch un- förmlichen Vertrag, so gehört seine Vertheidigung meist zur dritten Klasse. Diese Unterscheidung nun des unförm-
(h) Eine ähnliche Verschieden- heit der Behandlung findet sich auch in anderen Instituten des Pro- zesses. Der Eid wurde bey den Römern (wenigstens gewiß zur Zeit der alten Juristen) über das Daseyn der Rechtsverhältnisse selbst geschworen; im heutigen Recht kann er nur die Thatsachen be- treffen, woraus die Rechtsverhält- nisse entspringen.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
digung, nach der andern mit der dritten Klaſſe. Die erſte Auffaſſung aber iſt ohne Zweifel dem Römiſchen Recht angemeſſen, und dieſes Verhältniß eben ſoll durch die von mir gewählte Terminologie ausgedrückt werden (h).
Über das Verhältniß der dritten Klaſſe der Vertheidi- gung zu den beiden erſten iſt Folgendes zu bemerken. Die Gränze derſelben, das heißt die Unterſcheidung der Fälle, die dem einen oder dem andern Gebiet angehören, iſt gro- ßentheils von poſitiven Rechtsregeln abhängig, hat alſo einen hiſtoriſchen Character, ſo daß darin Manches anders ſeyn könnte, auch wohl bey dem Übergang des Römiſchen Rechts in die neuere Zeit anders geworden iſt. So ge- hört die Berufung des Beklagten auf Unmündigkeit oder Wahnſinn eines Contrahenten zur erſten Klaſſe der Ver- theidigung, die Berufung auf Zwang oder Betrug zur dritten. Behauptet der Beklagte, eine Schuld ſey durch Acceptilation oder Novation, oder eine Servitut ſey durch Nichtgebrauch aufgehoben worden, ſo liegt darin eine re- lative Verneinung, oder eine Vertheidigung der zweyten Klaſſe; behauptet er die Aufhebung der Schuld durch un- förmlichen Vertrag, ſo gehört ſeine Vertheidigung meiſt zur dritten Klaſſe. Dieſe Unterſcheidung nun des unförm-
(h) Eine ähnliche Verſchieden- heit der Behandlung findet ſich auch in anderen Inſtituten des Pro- zeſſes. Der Eid wurde bey den Römern (wenigſtens gewiß zur Zeit der alten Juriſten) über das Daſeyn der Rechtsverhältniſſe ſelbſt geſchworen; im heutigen Recht kann er nur die Thatſachen be- treffen, woraus die Rechtsverhält- niſſe entſpringen.
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
digung, nach der andern mit der dritten Klaſſe. Die erſte
Auffaſſung aber iſt ohne Zweifel dem Römiſchen Recht
angemeſſen, und dieſes Verhältniß eben ſoll durch die von
mir gewählte Terminologie ausgedrückt werden (h).
Über das Verhältniß der dritten Klaſſe der Vertheidi-
gung zu den beiden erſten iſt Folgendes zu bemerken. Die
Gränze derſelben, das heißt die Unterſcheidung der Fälle,
die dem einen oder dem andern Gebiet angehören, iſt gro-
ßentheils von poſitiven Rechtsregeln abhängig, hat alſo
einen hiſtoriſchen Character, ſo daß darin Manches anders
ſeyn könnte, auch wohl bey dem Übergang des Römiſchen
Rechts in die neuere Zeit anders geworden iſt. So ge-
hört die Berufung des Beklagten auf Unmündigkeit oder
Wahnſinn eines Contrahenten zur erſten Klaſſe der Ver-
theidigung, die Berufung auf Zwang oder Betrug zur
dritten. Behauptet der Beklagte, eine Schuld ſey durch
Acceptilation oder Novation, oder eine Servitut ſey durch
Nichtgebrauch aufgehoben worden, ſo liegt darin eine re-
lative Verneinung, oder eine Vertheidigung der zweyten
Klaſſe; behauptet er die Aufhebung der Schuld durch un-
förmlichen Vertrag, ſo gehört ſeine Vertheidigung meiſt
zur dritten Klaſſe. Dieſe Unterſcheidung nun des unförm-
(h) Eine ähnliche Verſchieden-
heit der Behandlung findet ſich
auch in anderen Inſtituten des Pro-
zeſſes. Der Eid wurde bey den
Römern (wenigſtens gewiß zur
Zeit der alten Juriſten) über das
Daſeyn der Rechtsverhältniſſe ſelbſt
geſchworen; im heutigen Recht
kann er nur die Thatſachen be-
treffen, woraus die Rechtsverhält-
niſſe entſpringen.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/170>, abgerufen am 25.11.2024.
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