Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
den Sprachgebrauch aber ist zu bemerken, daß die Aus-
drücke judex und judicium mit willkührlicher Abwechslung
gebraucht werden, bald um allein das oben beschriebene
judicium im engeren Sinn zu bezeichnen (Note a. b. d),
bald als generische Bezeichnung, unter welcher auch die
arbitria begriffen sind (g). Ein ähnliches Schwanken kommt
bey den Ausdrücken arbiter und arbitrium nicht vor, welche
ganz gewiß nur bey den Prozessen der freyeren Art ge-
braucht werden (h).

Fassen wir dieses Alles zusammen, so gab es im alten
Prozeß zweyerley Klagen, die wir, der Kürze wegen,
strenge und freye nennen wollen. Die Verschiedenheit
im Verfahren, das heißt die mehr oder weniger freye
Macht, die dem urtheilenden Judex überlassen war, hieng
aber zusammen mit der persönlichen Eigenschaft desselben,

fenden Jahres, die doch stets ar-
bitri
seyn konnten, nicht in das
album gesetzt; endlich durfte der
arbiter eben sowohl aus dem
album, als außer demselben, ge-
wählt werden.
(g) Dieses erhellt ganz klar
aus den Stellen des Cicero Note c.
Ferner gebraucht Gajus IV. § 163
die Ausdrücke judex und arbiter
ganz abwechslend, vielleicht dem
bloßen Wohllaut folgend (z. B.
judicis arbitrio). In den For-
meln derjenigen Klagen, die gewiß
arbitria waren, kommt stets ju-
dex esto
vor, nie arbiter esto;
nur bey Mehreren heißt es: recu-
peratores sunto (Gajus IV.
§ 46.
47.), nicht: judices oder arbitri
sunto.
Es war also nicht etwa
nachlässiger Sprachgebrauch der
Schriftsteller, sondern die herrschen-
de Gerichtssprache. Wenn daher
gestritten wurde, ob es besser sey
judex oder arbiter zu sagen
(Cicero pro Murena C. 12), so
darf diesem Streit wohl nur eine
theoretische, sprachverbessernde, Be-
deutung zugeschrieben werden.
(h) In ganz anderer Beziehung
freylich ist auch der Ausdruck ar-
biter
zweydeutig, indem er nicht
blos den Urtheiler in einer freyen
Klage, sondern auch den außerge-
richtlichen Schiedsrichter bezeichnet.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
den Sprachgebrauch aber iſt zu bemerken, daß die Aus-
drücke judex und judicium mit willkührlicher Abwechslung
gebraucht werden, bald um allein das oben beſchriebene
judicium im engeren Sinn zu bezeichnen (Note a. b. d),
bald als generiſche Bezeichnung, unter welcher auch die
arbitria begriffen ſind (g). Ein ähnliches Schwanken kommt
bey den Ausdrücken arbiter und arbitrium nicht vor, welche
ganz gewiß nur bey den Prozeſſen der freyeren Art ge-
braucht werden (h).

Faſſen wir dieſes Alles zuſammen, ſo gab es im alten
Prozeß zweyerley Klagen, die wir, der Kürze wegen,
ſtrenge und freye nennen wollen. Die Verſchiedenheit
im Verfahren, das heißt die mehr oder weniger freye
Macht, die dem urtheilenden Judex überlaſſen war, hieng
aber zuſammen mit der perſönlichen Eigenſchaft deſſelben,

fenden Jahres, die doch ſtets ar-
bitri
ſeyn konnten, nicht in das
album geſetzt; endlich durfte der
arbiter eben ſowohl aus dem
album, als außer demſelben, ge-
wählt werden.
(g) Dieſes erhellt ganz klar
aus den Stellen des Cicero Note c.
Ferner gebraucht Gajus IV. § 163
die Ausdrücke judex und arbiter
ganz abwechſlend, vielleicht dem
bloßen Wohllaut folgend (z. B.
judicis arbitrio). In den For-
meln derjenigen Klagen, die gewiß
arbitria waren, kommt ſtets ju-
dex esto
vor, nie arbiter esto;
nur bey Mehreren heißt es: recu-
peratores sunto (Gajus IV.
§ 46.
47.), nicht: judices oder arbitri
sunto.
Es war alſo nicht etwa
nachläſſiger Sprachgebrauch der
Schriftſteller, ſondern die herrſchen-
de Gerichtsſprache. Wenn daher
geſtritten wurde, ob es beſſer ſey
judex oder arbiter zu ſagen
(Cicero pro Murena C. 12), ſo
darf dieſem Streit wohl nur eine
theoretiſche, ſprachverbeſſernde, Be-
deutung zugeſchrieben werden.
(h) In ganz anderer Beziehung
freylich iſt auch der Ausdruck ar-
biter
zweydeutig, indem er nicht
blos den Urtheiler in einer freyen
Klage, ſondern auch den außerge-
richtlichen Schiedsrichter bezeichnet.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0118" n="104"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/>
den Sprachgebrauch aber i&#x017F;t zu bemerken, daß die Aus-<lb/>
drücke <hi rendition="#aq">judex</hi> und <hi rendition="#aq">judicium</hi> mit willkührlicher Abwechslung<lb/>
gebraucht werden, bald um allein das oben be&#x017F;chriebene<lb/><hi rendition="#aq">judicium</hi> im engeren Sinn zu bezeichnen (Note <hi rendition="#aq">a. b. d</hi>),<lb/>
bald als generi&#x017F;che Bezeichnung, unter welcher auch die<lb/><hi rendition="#aq">arbitria</hi> begriffen &#x017F;ind <note place="foot" n="(g)">Die&#x017F;es erhellt ganz klar<lb/>
aus den Stellen des Cicero Note <hi rendition="#aq">c.</hi><lb/>
Ferner gebraucht <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Gajus</hi> IV.</hi> § 163<lb/>
die Ausdrücke <hi rendition="#aq">judex</hi> und <hi rendition="#aq">arbiter</hi><lb/>
ganz abwech&#x017F;lend, vielleicht dem<lb/>
bloßen Wohllaut folgend (z. B.<lb/><hi rendition="#aq">judicis arbitrio</hi>). In den For-<lb/>
meln derjenigen Klagen, die gewiß<lb/><hi rendition="#aq">arbitria</hi> waren, kommt &#x017F;tets <hi rendition="#aq">ju-<lb/>
dex esto</hi> vor, nie <hi rendition="#aq">arbiter esto;</hi><lb/>
nur bey Mehreren heißt es: <hi rendition="#aq">recu-<lb/>
peratores sunto (<hi rendition="#k">Gajus</hi> IV.</hi> § 46.<lb/>
47.), nicht: <hi rendition="#aq">judices</hi> oder <hi rendition="#aq">arbitri<lb/>
sunto.</hi> Es war al&#x017F;o nicht etwa<lb/>
nachlä&#x017F;&#x017F;iger Sprachgebrauch der<lb/>
Schrift&#x017F;teller, &#x017F;ondern die herr&#x017F;chen-<lb/>
de Gerichts&#x017F;prache. Wenn daher<lb/>
ge&#x017F;tritten wurde, ob es be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ey<lb/><hi rendition="#aq">judex</hi> oder <hi rendition="#aq">arbiter</hi> zu &#x017F;agen<lb/>
(<hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Cicero</hi> pro Murena C.</hi> 12), &#x017F;o<lb/>
darf die&#x017F;em Streit wohl nur eine<lb/>
theoreti&#x017F;che, &#x017F;prachverbe&#x017F;&#x017F;ernde, Be-<lb/>
deutung zuge&#x017F;chrieben werden.</note>. Ein ähnliches Schwanken kommt<lb/>
bey den Ausdrücken <hi rendition="#aq">arbiter</hi> und <hi rendition="#aq">arbitrium</hi> nicht vor, welche<lb/>
ganz gewiß nur bey den Proze&#x017F;&#x017F;en der freyeren Art ge-<lb/>
braucht werden <note place="foot" n="(h)">In ganz anderer Beziehung<lb/>
freylich i&#x017F;t auch der Ausdruck <hi rendition="#aq">ar-<lb/>
biter</hi> zweydeutig, indem er nicht<lb/>
blos den Urtheiler in einer freyen<lb/>
Klage, &#x017F;ondern auch den außerge-<lb/>
richtlichen Schiedsrichter bezeichnet.</note>.</p><lb/>
            <p>Fa&#x017F;&#x017F;en wir die&#x017F;es Alles zu&#x017F;ammen, &#x017F;o gab es im alten<lb/>
Prozeß zweyerley Klagen, die wir, der Kürze wegen,<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;trenge</hi> und <hi rendition="#g">freye</hi> nennen wollen. Die Ver&#x017F;chiedenheit<lb/>
im Verfahren, das heißt die mehr oder weniger freye<lb/>
Macht, die dem urtheilenden Judex überla&#x017F;&#x017F;en war, hieng<lb/>
aber zu&#x017F;ammen mit der per&#x017F;önlichen Eigen&#x017F;chaft de&#x017F;&#x017F;elben,<lb/><note xml:id="seg2pn_21_2" prev="#seg2pn_21_1" place="foot" n="(f)">fenden Jahres, die doch &#x017F;tets <hi rendition="#aq">ar-<lb/>
bitri</hi> &#x017F;eyn konnten, nicht in das<lb/><hi rendition="#aq">album</hi> ge&#x017F;etzt; endlich durfte der<lb/><hi rendition="#aq">arbiter</hi> eben &#x017F;owohl aus dem<lb/><hi rendition="#aq">album,</hi> als außer dem&#x017F;elben, ge-<lb/>
wählt werden.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0118] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. den Sprachgebrauch aber iſt zu bemerken, daß die Aus- drücke judex und judicium mit willkührlicher Abwechslung gebraucht werden, bald um allein das oben beſchriebene judicium im engeren Sinn zu bezeichnen (Note a. b. d), bald als generiſche Bezeichnung, unter welcher auch die arbitria begriffen ſind (g). Ein ähnliches Schwanken kommt bey den Ausdrücken arbiter und arbitrium nicht vor, welche ganz gewiß nur bey den Prozeſſen der freyeren Art ge- braucht werden (h). Faſſen wir dieſes Alles zuſammen, ſo gab es im alten Prozeß zweyerley Klagen, die wir, der Kürze wegen, ſtrenge und freye nennen wollen. Die Verſchiedenheit im Verfahren, das heißt die mehr oder weniger freye Macht, die dem urtheilenden Judex überlaſſen war, hieng aber zuſammen mit der perſönlichen Eigenſchaft deſſelben, (f) (g) Dieſes erhellt ganz klar aus den Stellen des Cicero Note c. Ferner gebraucht Gajus IV. § 163 die Ausdrücke judex und arbiter ganz abwechſlend, vielleicht dem bloßen Wohllaut folgend (z. B. judicis arbitrio). In den For- meln derjenigen Klagen, die gewiß arbitria waren, kommt ſtets ju- dex esto vor, nie arbiter esto; nur bey Mehreren heißt es: recu- peratores sunto (Gajus IV. § 46. 47.), nicht: judices oder arbitri sunto. Es war alſo nicht etwa nachläſſiger Sprachgebrauch der Schriftſteller, ſondern die herrſchen- de Gerichtsſprache. Wenn daher geſtritten wurde, ob es beſſer ſey judex oder arbiter zu ſagen (Cicero pro Murena C. 12), ſo darf dieſem Streit wohl nur eine theoretiſche, ſprachverbeſſernde, Be- deutung zugeſchrieben werden. (h) In ganz anderer Beziehung freylich iſt auch der Ausdruck ar- biter zweydeutig, indem er nicht blos den Urtheiler in einer freyen Klage, ſondern auch den außerge- richtlichen Schiedsrichter bezeichnet. (f) fenden Jahres, die doch ſtets ar- bitri ſeyn konnten, nicht in das album geſetzt; endlich durfte der arbiter eben ſowohl aus dem album, als außer demſelben, ge- wählt werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/118
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/118>, abgerufen am 27.11.2024.