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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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Schenkung durch bloße Unterlassungen.
kann man auch noch folgenden Grund anführen. In der
Lehre von der Schenkung ist dargethan worden, daß die
Zahlung oder Expromission einer naturalis obligatio nicht
als Schenkung gelte (§ 149. a. i). Da nun durch die
Klagverjährung lediglich eine civilis obligatio in eine na-
turalis
verwandelt wird, so scheint auch diese umgekehrte
Veränderung nicht als Schenkung betrachtet werden zu
dürfen (a).

Man könnte jedoch folgende Einwendung versuchen.
Wenn ein insolventer Schuldner die ihm zustehende Klage
wissentlich durch Verjährung untergehen läßt, so kann al-
lerdings die Pauliana actio gegen den befreyten Beklagten
angestellt werden; eben so verhält es sich mit der Fa-
viana
(b). Hierin scheint also ein solches Verfahren in der
That als wahre Veräußerung anerkannt zu seyn. Indes-
sen ist diese Analogie nicht entscheidend, weil bey den er-
wähnten beiden Klagen eine größere Strenge durch die
Unredlichkeit des Schuldners oder des Freygelassenen wohl
gerechtfertigt werden kann.


(a) Für ganz entscheidend dürfte
indessen dieser Grund nicht gel-
ten. Die naturalis obligatio hat
ihren Halt, abgesehen von zufäl-
ligen Zwangsmitteln, in der recht-
lichen Gesinnung des Schuldners,
und darum hauptsächlich gilt hier
die freywillige Zahlung oder Ex-
promission nicht als Schenkung,
sondern als gewöhnliche Schul-
denzahlung. Wenn aber der Glau-
biger die Klagverjährung wissent-
lich ablaufen läßt, welches nur
eine Form des Erlasses ist, so ist
durch dessen Willen in dem Schuld-
ner jener Beweggrund (der frey-
willigen Pflichterfüllung) aufge-
hoben.
(b) L. 3 § 1 quae in fraud.
(42. 8.) "vel a debitore non pe-
tit, ut tempore liberetur." L. 1
§ 7. 8 si quid in fraud.
(38. 5.).
Vgl. § 145. u.

Schenkung durch bloße Unterlaſſungen.
kann man auch noch folgenden Grund anführen. In der
Lehre von der Schenkung iſt dargethan worden, daß die
Zahlung oder Expromiſſion einer naturalis obligatio nicht
als Schenkung gelte (§ 149. a. i). Da nun durch die
Klagverjährung lediglich eine civilis obligatio in eine na-
turalis
verwandelt wird, ſo ſcheint auch dieſe umgekehrte
Veränderung nicht als Schenkung betrachtet werden zu
dürfen (a).

Man könnte jedoch folgende Einwendung verſuchen.
Wenn ein inſolventer Schuldner die ihm zuſtehende Klage
wiſſentlich durch Verjährung untergehen läßt, ſo kann al-
lerdings die Pauliana actio gegen den befreyten Beklagten
angeſtellt werden; eben ſo verhält es ſich mit der Fa-
viana
(b). Hierin ſcheint alſo ein ſolches Verfahren in der
That als wahre Veräußerung anerkannt zu ſeyn. Indeſ-
ſen iſt dieſe Analogie nicht entſcheidend, weil bey den er-
wähnten beiden Klagen eine größere Strenge durch die
Unredlichkeit des Schuldners oder des Freygelaſſenen wohl
gerechtfertigt werden kann.


(a) Für ganz entſcheidend dürfte
indeſſen dieſer Grund nicht gel-
ten. Die naturalis obligatio hat
ihren Halt, abgeſehen von zufäl-
ligen Zwangsmitteln, in der recht-
lichen Geſinnung des Schuldners,
und darum hauptſächlich gilt hier
die freywillige Zahlung oder Ex-
promiſſion nicht als Schenkung,
ſondern als gewöhnliche Schul-
denzahlung. Wenn aber der Glau-
biger die Klagverjährung wiſſent-
lich ablaufen läßt, welches nur
eine Form des Erlaſſes iſt, ſo iſt
durch deſſen Willen in dem Schuld-
ner jener Beweggrund (der frey-
willigen Pflichterfüllung) aufge-
hoben.
(b) L. 3 § 1 quae in fraud.
(42. 8.) „vel a debitore non pe-
tit, ut tempore liberetur.” L. 1
§ 7. 8 si quid in fraud.
(38. 5.).
Vgl. § 145. u.
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[583/0597] Schenkung durch bloße Unterlaſſungen. kann man auch noch folgenden Grund anführen. In der Lehre von der Schenkung iſt dargethan worden, daß die Zahlung oder Expromiſſion einer naturalis obligatio nicht als Schenkung gelte (§ 149. a. i). Da nun durch die Klagverjährung lediglich eine civilis obligatio in eine na- turalis verwandelt wird, ſo ſcheint auch dieſe umgekehrte Veränderung nicht als Schenkung betrachtet werden zu dürfen (a). Man könnte jedoch folgende Einwendung verſuchen. Wenn ein inſolventer Schuldner die ihm zuſtehende Klage wiſſentlich durch Verjährung untergehen läßt, ſo kann al- lerdings die Pauliana actio gegen den befreyten Beklagten angeſtellt werden; eben ſo verhält es ſich mit der Fa- viana (b). Hierin ſcheint alſo ein ſolches Verfahren in der That als wahre Veräußerung anerkannt zu ſeyn. Indeſ- ſen iſt dieſe Analogie nicht entſcheidend, weil bey den er- wähnten beiden Klagen eine größere Strenge durch die Unredlichkeit des Schuldners oder des Freygelaſſenen wohl gerechtfertigt werden kann. (a) Für ganz entſcheidend dürfte indeſſen dieſer Grund nicht gel- ten. Die naturalis obligatio hat ihren Halt, abgeſehen von zufäl- ligen Zwangsmitteln, in der recht- lichen Geſinnung des Schuldners, und darum hauptſächlich gilt hier die freywillige Zahlung oder Ex- promiſſion nicht als Schenkung, ſondern als gewöhnliche Schul- denzahlung. Wenn aber der Glau- biger die Klagverjährung wiſſent- lich ablaufen läßt, welches nur eine Form des Erlaſſes iſt, ſo iſt durch deſſen Willen in dem Schuld- ner jener Beweggrund (der frey- willigen Pflichterfüllung) aufge- hoben. (b) L. 3 § 1 quae in fraud. (42. 8.) „vel a debitore non pe- tit, ut tempore liberetur.” L. 1 § 7. 8 si quid in fraud. (38. 5.). Vgl. § 145. u.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/597>, abgerufen am 15.06.2024.