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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 203. Ungültigkeit der juristischen Thatsachen. (Fortsetzung.)
auch zu keiner Zeit nichtig, fällt also gar nicht in das
Gebiet der bisher behandelten Frage.

Dagegen sind allerdings folgende Fälle wahrer Couva-
lescenz anzuerkennen, welche daher Ausnahmen der oben
aufgestellten Regel bilden. Wenn ein Ehemann ein Do-
talgrundstück veräußert, so ist dieses eine nichtige Hand-
lung; fällt ihm aber späterhin die ganze Dos zu, so con-
valescirt jene Handlung von selbst, und es braucht also die
frühere Tradition nicht wiederholt zu werden (bb). Wenn
ein Nichteigenthümer eine Sache veräußert, später aber
das Eigenthum erwirbt, so convalescirt eben so die Ver-
äußerung, und der Käufer wird jetzt von selbst Eigen-
thümer, auch ohne neue Tradition (cc).

Diese ganze Frage ist bisher nur in Beziehung auf
nichtige Rechtsgeschäfte untersucht worden; bey anfechtba-
ren kann es gar nicht bezweifelt werden, daß eine Ergän-
zung des früher mangelhaften Rechtsgeschäfts stets möglich
ist. Denn da bey der Anfechtbarkeit das Hinderniß die
selbstständige Natur eines eigenen Rechts bestimmter Per-

(bb) L. 42 de usurp. (41. 3.).
Hier steht venditio für aliena-
tio,
und das confirmari bezieht
sich zunächst auf die Gültigkeit
des Usucapionstitels, von welcher
in dieser Anwendung nur im äl-
teren Recht die Rede seyn konnte.
Daneben aber, und besonders im
Justinianischen Recht, liegt in dem
confirmari auch die unmittelbare
Convalescenz der Veräußerung,
also des Eigenthums, ohne alle
Usucapion.
(cc) L. 42 de usurp. (41. 3.)
am Ende der Stelle; über die
Erklärung derselben vgl. Note bb.
-- L. 4 § 32 de doli exc. (44. 4.)
" ... ac per hoc intelligeret,
eum fundum rursum vendidisse,
quem in bonis non haberet."
--
Die genauere Ausführung dieser
wichtigen und verwickelten Frage
ist nur im Zusammenhang der
Lehre vom Eigenthum möglich.

§. 203. Ungültigkeit der juriſtiſchen Thatſachen. (Fortſetzung.)
auch zu keiner Zeit nichtig, fällt alſo gar nicht in das
Gebiet der bisher behandelten Frage.

Dagegen ſind allerdings folgende Fälle wahrer Couva-
lescenz anzuerkennen, welche daher Ausnahmen der oben
aufgeſtellten Regel bilden. Wenn ein Ehemann ein Do-
talgrundſtück veräußert, ſo iſt dieſes eine nichtige Hand-
lung; fällt ihm aber ſpäterhin die ganze Dos zu, ſo con-
valescirt jene Handlung von ſelbſt, und es braucht alſo die
frühere Tradition nicht wiederholt zu werden (bb). Wenn
ein Nichteigenthümer eine Sache veräußert, ſpäter aber
das Eigenthum erwirbt, ſo convalescirt eben ſo die Ver-
äußerung, und der Käufer wird jetzt von ſelbſt Eigen-
thümer, auch ohne neue Tradition (cc).

Dieſe ganze Frage iſt bisher nur in Beziehung auf
nichtige Rechtsgeſchäfte unterſucht worden; bey anfechtba-
ren kann es gar nicht bezweifelt werden, daß eine Ergän-
zung des früher mangelhaften Rechtsgeſchäfts ſtets möglich
iſt. Denn da bey der Anfechtbarkeit das Hinderniß die
ſelbſtſtändige Natur eines eigenen Rechts beſtimmter Per-

(bb) L. 42 de usurp. (41. 3.).
Hier ſteht venditio für aliena-
tio,
und das confirmari bezieht
ſich zunächſt auf die Gültigkeit
des Uſucapionstitels, von welcher
in dieſer Anwendung nur im äl-
teren Recht die Rede ſeyn konnte.
Daneben aber, und beſonders im
Juſtinianiſchen Recht, liegt in dem
confirmari auch die unmittelbare
Convalescenz der Veräußerung,
alſo des Eigenthums, ohne alle
Uſucapion.
(cc) L. 42 de usurp. (41. 3.)
am Ende der Stelle; über die
Erklärung derſelben vgl. Note bb.
L. 4 § 32 de doli exc. (44. 4.)
„ … ac per hoc intelligeret,
eum fundum rursum vendidisse,
quem in bonis non haberet.

Die genauere Ausführung dieſer
wichtigen und verwickelten Frage
iſt nur im Zuſammenhang der
Lehre vom Eigenthum möglich.
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[559/0573] §. 203. Ungültigkeit der juriſtiſchen Thatſachen. (Fortſetzung.) auch zu keiner Zeit nichtig, fällt alſo gar nicht in das Gebiet der bisher behandelten Frage. Dagegen ſind allerdings folgende Fälle wahrer Couva- lescenz anzuerkennen, welche daher Ausnahmen der oben aufgeſtellten Regel bilden. Wenn ein Ehemann ein Do- talgrundſtück veräußert, ſo iſt dieſes eine nichtige Hand- lung; fällt ihm aber ſpäterhin die ganze Dos zu, ſo con- valescirt jene Handlung von ſelbſt, und es braucht alſo die frühere Tradition nicht wiederholt zu werden (bb). Wenn ein Nichteigenthümer eine Sache veräußert, ſpäter aber das Eigenthum erwirbt, ſo convalescirt eben ſo die Ver- äußerung, und der Käufer wird jetzt von ſelbſt Eigen- thümer, auch ohne neue Tradition (cc). Dieſe ganze Frage iſt bisher nur in Beziehung auf nichtige Rechtsgeſchäfte unterſucht worden; bey anfechtba- ren kann es gar nicht bezweifelt werden, daß eine Ergän- zung des früher mangelhaften Rechtsgeſchäfts ſtets möglich iſt. Denn da bey der Anfechtbarkeit das Hinderniß die ſelbſtſtändige Natur eines eigenen Rechts beſtimmter Per- (bb) L. 42 de usurp. (41. 3.). Hier ſteht venditio für aliena- tio, und das confirmari bezieht ſich zunächſt auf die Gültigkeit des Uſucapionstitels, von welcher in dieſer Anwendung nur im äl- teren Recht die Rede ſeyn konnte. Daneben aber, und beſonders im Juſtinianiſchen Recht, liegt in dem confirmari auch die unmittelbare Convalescenz der Veräußerung, alſo des Eigenthums, ohne alle Uſucapion. (cc) L. 42 de usurp. (41. 3.) am Ende der Stelle; über die Erklärung derſelben vgl. Note bb. — L. 4 § 32 de doli exc. (44. 4.) „ … ac per hoc intelligeret, eum fundum rursum vendidisse, quem in bonis non haberet.” — Die genauere Ausführung dieſer wichtigen und verwickelten Frage iſt nur im Zuſammenhang der Lehre vom Eigenthum möglich.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/573>, abgerufen am 16.06.2024.