§. 203. Ungültigkeit der juristischen Thatsachen. (Fortsetzung.)
Rückwirkung der veränderten Umstände die Convales- cenz, und drückt daher die aufgeworfene Frage auch so aus: Ist bey ungültigen Rechtsgeschäften die Convales- cenz zulässig? (l).
Nach einer ganz allgemein lautenden Stelle des Römi- schen Rechts müßte man die Convalescenz durchaus ver- werfen (m). Diese Regel wird noch für Testamente über- haupt bestätigt (n), und bey den Legaten ist die alte regula Catoniana eigentlich nur eine Wiederholung derselben (o). Zwar kommen auch neben dieser Regel Ausnahmen vor, und namentlich wird gleich bey der Mittheilung der regula Catoniana gegen ihre zu allgemeine Anwendung gewarnt (Note o). Wären diese Ausnahmen so zahlreich und man- nichfaltig, wie bey der vorher erklärten entgegengesetzten Regel, so würde es auch hier gerathener seyn, eine so ge- fährliche Regel lieber ganz aufzugeben; so ist es aber in der That nicht, die meisten angeblichen Ausnahmen sind als solche nicht anzuerkennen, und wir müssen daher jene Regel allerdings gelten lassen, daneben aber die einzelnen
(l) Vgl. Averanius interpret. Lib. 4 C. 22.
(m)L. 29 de R. J. (50. 17.) "Quod initio vitiosum est, non potest tractu temporis conva- lescere."
(n)L. 201 de R. J. (50. 17.) "Omnia, quae ex testamento proficiscuntur, ita statum even- tus capiunt, si initium quoque sine vitio ceperint."
(o)L. 1 pr. de reg. Catonia- na (34. 7.) "Regula Catoniana sic definit: quod si testamenti facti tempore decessisset tes- tator, inutile foret, id legatum, quandocunque decesserit, non valere. Quae definitio in qui- busdam falsa est."
§. 203. Ungültigkeit der juriſtiſchen Thatſachen. (Fortſetzung.)
Rückwirkung der veränderten Umſtände die Convales- cenz, und drückt daher die aufgeworfene Frage auch ſo aus: Iſt bey ungültigen Rechtsgeſchäften die Convales- cenz zuläſſig? (l).
Nach einer ganz allgemein lautenden Stelle des Römi- ſchen Rechts müßte man die Convalescenz durchaus ver- werfen (m). Dieſe Regel wird noch für Teſtamente über- haupt beſtätigt (n), und bey den Legaten iſt die alte regula Catoniana eigentlich nur eine Wiederholung derſelben (o). Zwar kommen auch neben dieſer Regel Ausnahmen vor, und namentlich wird gleich bey der Mittheilung der regula Catoniana gegen ihre zu allgemeine Anwendung gewarnt (Note o). Wären dieſe Ausnahmen ſo zahlreich und man- nichfaltig, wie bey der vorher erklärten entgegengeſetzten Regel, ſo würde es auch hier gerathener ſeyn, eine ſo ge- fährliche Regel lieber ganz aufzugeben; ſo iſt es aber in der That nicht, die meiſten angeblichen Ausnahmen ſind als ſolche nicht anzuerkennen, und wir müſſen daher jene Regel allerdings gelten laſſen, daneben aber die einzelnen
(l) Vgl. Averanius interpret. Lib. 4 C. 22.
(m)L. 29 de R. J. (50. 17.) „Quod initio vitiosum est, non potest tractu temporis conva- lescere.”
(n)L. 201 de R. J. (50. 17.) „Omnia, quae ex testamento proficiscuntur, ita statum even- tus capiunt, si initium quoque sine vitio ceperint.”
(o)L. 1 pr. de reg. Catonia- na (34. 7.) „Regula Catoniana sic definit: quod si testamenti facti tempore decessisset tes- tator, inutile foret, id legatum, quandocunque decesserit, non valere. Quae definitio in qui- busdam falsa est.”
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0569"n="555"/><fwplace="top"type="header">§. 203. Ungültigkeit der juriſtiſchen Thatſachen. (Fortſetzung.)</fw><lb/>
Rückwirkung der veränderten Umſtände die <hirendition="#g">Convales-<lb/>
cenz</hi>, und drückt daher die aufgeworfene Frage auch ſo<lb/>
aus: Iſt bey ungültigen Rechtsgeſchäften die Convales-<lb/>
cenz zuläſſig? <noteplace="foot"n="(l)">Vgl. <hirendition="#aq"><hirendition="#k">Averanius</hi> interpret.<lb/>
Lib. 4 C.</hi> 22.</note>.</p><lb/><p>Nach einer ganz allgemein lautenden Stelle des Römi-<lb/>ſchen Rechts müßte man die Convalescenz durchaus ver-<lb/>
werfen <noteplace="foot"n="(m)"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">L.</hi> 29 <hirendition="#i">de R. J.</hi> (50. 17.)<lb/>„Quod initio vitiosum est, non<lb/>
potest tractu temporis conva-<lb/>
lescere.”</hi></note>. Dieſe Regel wird noch für Teſtamente über-<lb/>
haupt beſtätigt <noteplace="foot"n="(n)"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">L.</hi> 201 <hirendition="#i">de R. J.</hi> (50. 17.)<lb/>„Omnia, quae ex testamento<lb/>
proficiscuntur, ita statum even-<lb/>
tus capiunt, si initium quoque<lb/>
sine vitio ceperint.”</hi></note>, und bey den Legaten iſt die alte <hirendition="#aq">regula<lb/>
Catoniana</hi> eigentlich nur eine Wiederholung derſelben <noteplace="foot"n="(o)"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">L.</hi> 1 <hirendition="#i">pr. de reg. Catonia-<lb/>
na</hi> (34. 7.) „Regula Catoniana<lb/>
sic definit: quod si testamenti<lb/>
facti tempore decessisset tes-<lb/>
tator, inutile foret, id legatum,<lb/>
quandocunque decesserit, non<lb/>
valere. <hirendition="#i">Quae definitio in qui-<lb/>
busdam falsa est.”</hi></hi></note>.<lb/>
Zwar kommen auch neben dieſer Regel Ausnahmen vor,<lb/>
und namentlich wird gleich bey der Mittheilung der <hirendition="#aq">regula<lb/>
Catoniana</hi> gegen ihre zu allgemeine Anwendung gewarnt<lb/>
(Note <hirendition="#aq">o</hi>). Wären dieſe Ausnahmen ſo zahlreich und man-<lb/>
nichfaltig, wie bey der vorher erklärten entgegengeſetzten<lb/>
Regel, ſo würde es auch hier gerathener ſeyn, eine ſo ge-<lb/>
fährliche Regel lieber ganz aufzugeben; ſo iſt es aber in<lb/>
der That nicht, die meiſten angeblichen Ausnahmen ſind<lb/>
als ſolche nicht anzuerkennen, und wir müſſen daher jene<lb/>
Regel allerdings gelten laſſen, daneben aber die einzelnen<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[555/0569]
§. 203. Ungültigkeit der juriſtiſchen Thatſachen. (Fortſetzung.)
Rückwirkung der veränderten Umſtände die Convales-
cenz, und drückt daher die aufgeworfene Frage auch ſo
aus: Iſt bey ungültigen Rechtsgeſchäften die Convales-
cenz zuläſſig? (l).
Nach einer ganz allgemein lautenden Stelle des Römi-
ſchen Rechts müßte man die Convalescenz durchaus ver-
werfen (m). Dieſe Regel wird noch für Teſtamente über-
haupt beſtätigt (n), und bey den Legaten iſt die alte regula
Catoniana eigentlich nur eine Wiederholung derſelben (o).
Zwar kommen auch neben dieſer Regel Ausnahmen vor,
und namentlich wird gleich bey der Mittheilung der regula
Catoniana gegen ihre zu allgemeine Anwendung gewarnt
(Note o). Wären dieſe Ausnahmen ſo zahlreich und man-
nichfaltig, wie bey der vorher erklärten entgegengeſetzten
Regel, ſo würde es auch hier gerathener ſeyn, eine ſo ge-
fährliche Regel lieber ganz aufzugeben; ſo iſt es aber in
der That nicht, die meiſten angeblichen Ausnahmen ſind
als ſolche nicht anzuerkennen, und wir müſſen daher jene
Regel allerdings gelten laſſen, daneben aber die einzelnen
(l) Vgl. Averanius interpret.
Lib. 4 C. 22.
(m) L. 29 de R. J. (50. 17.)
„Quod initio vitiosum est, non
potest tractu temporis conva-
lescere.”
(n) L. 201 de R. J. (50. 17.)
„Omnia, quae ex testamento
proficiscuntur, ita statum even-
tus capiunt, si initium quoque
sine vitio ceperint.”
(o) L. 1 pr. de reg. Catonia-
na (34. 7.) „Regula Catoniana
sic definit: quod si testamenti
facti tempore decessisset tes-
tator, inutile foret, id legatum,
quandocunque decesserit, non
valere. Quae definitio in qui-
busdam falsa est.”
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/569>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.