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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.

Aber auch wenn man nicht blos das Gegentheil des
jetzigen Zustandes, sondern dessen Entstehung in jener
älteren Zeit beweist (das initium), so ist auch dieses an
sich noch nicht hinreichend zur Widerlegung der aus der
unvordenklichen Zeit entspringenden Vermuthung. Denn
ist die bewiesene Entstehung eine rechtmäßige, so ist das
Recht gewiß, selbst ohne unvordenkliche Zeit. Ist sie eine
unrechtmäßige, so ist dadurch nicht die Möglichkeit ausge-
schlossen, daß nachher ein Rechtsgrund hinzugetreten sey,
und eben auf dessen Annahme geht ja die in der unvor-
denklichen Zeit liegende Vermuthung. Dasselbe muß um
so mehr gelten in den noch häufigeren Fällen, worin zwar
die Entstehung bewiesen wird, aber so daß es dabey un-
gewiß bleibt, ob dieselbe rechtmäßig war oder nicht. --
Daher wird ein solcher Beweis nur dann als Widerlegung
der Vermuthung gelten können, wenn durch ihn nicht nur
die unrechtmäßige Entstehung selbst gewiß ist, sondern auch
deren fortgehender, ununterbrochener Causalzusammenhang
mit dem in die zwey letzten Menschenalter fallenden Zu-
stand. Es leuchtet von selbst ein, wie schwer ein solcher
Beweis ist, und wie er um so schwerer werden muß, je
entfernter der Zeitpunkt jener bewiesenen Entstehung in
der Vorzeit liegt.

Als Beweismittel für einen solchen unrechtmäßigen
Anfang werden besonders Urkunden gebraucht werden kön-
nen; weniger brauchbar werden dazu Zeugen seyn. Daß
diese nicht aus eigener Wahrnehmung eine so alte Thatsache

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.

Aber auch wenn man nicht blos das Gegentheil des
jetzigen Zuſtandes, ſondern deſſen Entſtehung in jener
älteren Zeit beweiſt (das initium), ſo iſt auch dieſes an
ſich noch nicht hinreichend zur Widerlegung der aus der
unvordenklichen Zeit entſpringenden Vermuthung. Denn
iſt die bewieſene Entſtehung eine rechtmäßige, ſo iſt das
Recht gewiß, ſelbſt ohne unvordenkliche Zeit. Iſt ſie eine
unrechtmäßige, ſo iſt dadurch nicht die Möglichkeit ausge-
ſchloſſen, daß nachher ein Rechtsgrund hinzugetreten ſey,
und eben auf deſſen Annahme geht ja die in der unvor-
denklichen Zeit liegende Vermuthung. Daſſelbe muß um
ſo mehr gelten in den noch häufigeren Fällen, worin zwar
die Entſtehung bewieſen wird, aber ſo daß es dabey un-
gewiß bleibt, ob dieſelbe rechtmäßig war oder nicht. —
Daher wird ein ſolcher Beweis nur dann als Widerlegung
der Vermuthung gelten können, wenn durch ihn nicht nur
die unrechtmäßige Entſtehung ſelbſt gewiß iſt, ſondern auch
deren fortgehender, ununterbrochener Cauſalzuſammenhang
mit dem in die zwey letzten Menſchenalter fallenden Zu-
ſtand. Es leuchtet von ſelbſt ein, wie ſchwer ein ſolcher
Beweis iſt, und wie er um ſo ſchwerer werden muß, je
entfernter der Zeitpunkt jener bewieſenen Entſtehung in
der Vorzeit liegt.

Als Beweismittel für einen ſolchen unrechtmäßigen
Anfang werden beſonders Urkunden gebraucht werden kön-
nen; weniger brauchbar werden dazu Zeugen ſeyn. Daß
dieſe nicht aus eigener Wahrnehmung eine ſo alte Thatſache

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[534/0548] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. Aber auch wenn man nicht blos das Gegentheil des jetzigen Zuſtandes, ſondern deſſen Entſtehung in jener älteren Zeit beweiſt (das initium), ſo iſt auch dieſes an ſich noch nicht hinreichend zur Widerlegung der aus der unvordenklichen Zeit entſpringenden Vermuthung. Denn iſt die bewieſene Entſtehung eine rechtmäßige, ſo iſt das Recht gewiß, ſelbſt ohne unvordenkliche Zeit. Iſt ſie eine unrechtmäßige, ſo iſt dadurch nicht die Möglichkeit ausge- ſchloſſen, daß nachher ein Rechtsgrund hinzugetreten ſey, und eben auf deſſen Annahme geht ja die in der unvor- denklichen Zeit liegende Vermuthung. Daſſelbe muß um ſo mehr gelten in den noch häufigeren Fällen, worin zwar die Entſtehung bewieſen wird, aber ſo daß es dabey un- gewiß bleibt, ob dieſelbe rechtmäßig war oder nicht. — Daher wird ein ſolcher Beweis nur dann als Widerlegung der Vermuthung gelten können, wenn durch ihn nicht nur die unrechtmäßige Entſtehung ſelbſt gewiß iſt, ſondern auch deren fortgehender, ununterbrochener Cauſalzuſammenhang mit dem in die zwey letzten Menſchenalter fallenden Zu- ſtand. Es leuchtet von ſelbſt ein, wie ſchwer ein ſolcher Beweis iſt, und wie er um ſo ſchwerer werden muß, je entfernter der Zeitpunkt jener bewieſenen Entſtehung in der Vorzeit liegt. Als Beweismittel für einen ſolchen unrechtmäßigen Anfang werden beſonders Urkunden gebraucht werden kön- nen; weniger brauchbar werden dazu Zeugen ſeyn. Daß dieſe nicht aus eigener Wahrnehmung eine ſo alte Thatſache

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/548>, abgerufen am 22.11.2024.