Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
ist es also auch für das in der Unwissenheit liegende Hin- derniß ganz unpassend, wenn man es als ein Hinderniß ratione initii bezeichnen will.
Diese Betrachtung war lediglich gegen die allgemein verbreiteten Kunstausdrücke gerichtet, und ich bin über- zeugt, daß unbefangene Bekenner der herrschenden Lehre in den von mir an die Stelle gesetzten Ausdrücken ihre wahre Meynung erkennen werden; daneben ließe sich also eine völlige Übereinstimmung in der Sache selbst sehr wohl denken. Allein hinter diesen ungeschickten Ausdrücken, die über das ganze Verhältniß eine große Unklarheit verbrei- teten, hat sich der wichtigste, die Sache selbst betreffende, Irrthum versteckt, der sich eben unter dem Schutz jener Unklarheit nicht blos der Widerlegung, sondern selbst ei- ner eigentlichen Prüfung, stets entzogen hat. Gehen wir nun auf die Sache ein, so findet sich daß bey der Bono- rum possessio, wegen der deutlichen Aussprüche unsrer Rechtsquellen, keine Meynungsverschiedenheit möglich ist; die Unwissenheit des Berufenen und das äußere Hinderniß stehen hier auf gleicher Linie. Bey der Klagverjährung aber geht die herrschende Meynung dahin, daß es sich hier in der Regel eben so verhalte, wie bey der Bonorum possessio, daß also (mit Vorbehalt weniger Ausnahmen) die Anwendung des utile tempus durch die Unwissenheit des Klägers über sein Klagrecht eben so hervorgerufen
lich, daß der eine wie der andere Fall völlig gleichen Anspruch auf die Berechnung nach utile tem- pus bey der B. P. gebe.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
iſt es alſo auch für das in der Unwiſſenheit liegende Hin- derniß ganz unpaſſend, wenn man es als ein Hinderniß ratione initii bezeichnen will.
Dieſe Betrachtung war lediglich gegen die allgemein verbreiteten Kunſtausdrücke gerichtet, und ich bin über- zeugt, daß unbefangene Bekenner der herrſchenden Lehre in den von mir an die Stelle geſetzten Ausdrücken ihre wahre Meynung erkennen werden; daneben ließe ſich alſo eine völlige Übereinſtimmung in der Sache ſelbſt ſehr wohl denken. Allein hinter dieſen ungeſchickten Ausdrücken, die über das ganze Verhältniß eine große Unklarheit verbrei- teten, hat ſich der wichtigſte, die Sache ſelbſt betreffende, Irrthum verſteckt, der ſich eben unter dem Schutz jener Unklarheit nicht blos der Widerlegung, ſondern ſelbſt ei- ner eigentlichen Prüfung, ſtets entzogen hat. Gehen wir nun auf die Sache ein, ſo findet ſich daß bey der Bono- rum possessio, wegen der deutlichen Ausſprüche unſrer Rechtsquellen, keine Meynungsverſchiedenheit möglich iſt; die Unwiſſenheit des Berufenen und das äußere Hinderniß ſtehen hier auf gleicher Linie. Bey der Klagverjährung aber geht die herrſchende Meynung dahin, daß es ſich hier in der Regel eben ſo verhalte, wie bey der Bonorum possessio, daß alſo (mit Vorbehalt weniger Ausnahmen) die Anwendung des utile tempus durch die Unwiſſenheit des Klägers über ſein Klagrecht eben ſo hervorgerufen
lich, daß der eine wie der andere Fall völlig gleichen Anſpruch auf die Berechnung nach utile tem- pus bey der B. P. gebe.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0464"n="450"/><fwplace="top"type="header">Buch <hirendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hirendition="#aq">III.</hi> Entſtehung und Untergang.</fw><lb/>
iſt es alſo auch für das in der Unwiſſenheit liegende Hin-<lb/>
derniß ganz unpaſſend, wenn man es als ein Hinderniß<lb/><hirendition="#aq">ratione initii</hi> bezeichnen will.</p><lb/><p>Dieſe Betrachtung war lediglich gegen die allgemein<lb/>
verbreiteten Kunſtausdrücke gerichtet, und ich bin über-<lb/>
zeugt, daß unbefangene Bekenner der herrſchenden Lehre<lb/>
in den von mir an die Stelle geſetzten Ausdrücken ihre<lb/>
wahre Meynung erkennen werden; daneben ließe ſich alſo<lb/>
eine völlige Übereinſtimmung in der Sache ſelbſt ſehr wohl<lb/>
denken. Allein hinter dieſen ungeſchickten Ausdrücken, die<lb/>
über das ganze Verhältniß eine große Unklarheit verbrei-<lb/>
teten, hat ſich der wichtigſte, die Sache ſelbſt betreffende,<lb/>
Irrthum verſteckt, der ſich eben unter dem Schutz jener<lb/>
Unklarheit nicht blos der Widerlegung, ſondern ſelbſt ei-<lb/>
ner eigentlichen Prüfung, ſtets entzogen hat. Gehen wir<lb/>
nun auf die Sache ein, ſo findet ſich daß bey der <hirendition="#aq">Bono-<lb/>
rum possessio,</hi> wegen der deutlichen Ausſprüche unſrer<lb/>
Rechtsquellen, keine Meynungsverſchiedenheit möglich iſt;<lb/>
die Unwiſſenheit des Berufenen und das äußere Hinderniß<lb/>ſtehen hier auf gleicher Linie. Bey der Klagverjährung<lb/>
aber geht die herrſchende Meynung dahin, daß es ſich<lb/>
hier in der Regel eben ſo verhalte, wie bey der <hirendition="#aq">Bonorum<lb/>
possessio,</hi> daß alſo (mit Vorbehalt weniger Ausnahmen)<lb/>
die Anwendung des <hirendition="#aq">utile tempus</hi> durch die Unwiſſenheit<lb/>
des Klägers über ſein Klagrecht eben ſo hervorgerufen<lb/><notexml:id="seg2pn_84_2"prev="#seg2pn_84_1"place="foot"n="(h)">lich, daß der eine wie der andere<lb/>
Fall völlig gleichen Anſpruch auf<lb/>
die Berechnung nach <hirendition="#aq">utile tem-<lb/>
pus</hi> bey der <hirendition="#aq">B. P.</hi> gebe.</note><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[450/0464]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
iſt es alſo auch für das in der Unwiſſenheit liegende Hin-
derniß ganz unpaſſend, wenn man es als ein Hinderniß
ratione initii bezeichnen will.
Dieſe Betrachtung war lediglich gegen die allgemein
verbreiteten Kunſtausdrücke gerichtet, und ich bin über-
zeugt, daß unbefangene Bekenner der herrſchenden Lehre
in den von mir an die Stelle geſetzten Ausdrücken ihre
wahre Meynung erkennen werden; daneben ließe ſich alſo
eine völlige Übereinſtimmung in der Sache ſelbſt ſehr wohl
denken. Allein hinter dieſen ungeſchickten Ausdrücken, die
über das ganze Verhältniß eine große Unklarheit verbrei-
teten, hat ſich der wichtigſte, die Sache ſelbſt betreffende,
Irrthum verſteckt, der ſich eben unter dem Schutz jener
Unklarheit nicht blos der Widerlegung, ſondern ſelbſt ei-
ner eigentlichen Prüfung, ſtets entzogen hat. Gehen wir
nun auf die Sache ein, ſo findet ſich daß bey der Bono-
rum possessio, wegen der deutlichen Ausſprüche unſrer
Rechtsquellen, keine Meynungsverſchiedenheit möglich iſt;
die Unwiſſenheit des Berufenen und das äußere Hinderniß
ſtehen hier auf gleicher Linie. Bey der Klagverjährung
aber geht die herrſchende Meynung dahin, daß es ſich
hier in der Regel eben ſo verhalte, wie bey der Bonorum
possessio, daß alſo (mit Vorbehalt weniger Ausnahmen)
die Anwendung des utile tempus durch die Unwiſſenheit
des Klägers über ſein Klagrecht eben ſo hervorgerufen
(h)
(h) lich, daß der eine wie der andere
Fall völlig gleichen Anſpruch auf
die Berechnung nach utile tem-
pus bey der B. P. gebe.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/464>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.