dern von der Benutzung eines einzelnen in denselben fal- lenden Zeitpunktes, die Rede ist (§ 177), müssen die auf- gestellten Regeln nach ihrem allgemeinen Sinn dergestalt angewendet werden, daß Derjenige, der aus einem solchen Zeitpunkte ein Recht ableiten will, innerhalb des äußer- sten Tages frey wählen kann, so wie es ihm am Vor- theilhaftesten ist. Wer also die Legitimität eines Kindes deswegen behauptet, weil 182 Tage vor der Geburt eine Ehe geschlossen worden ist, wird diese Behauptung auch dann begründet haben, wenn die Ehe am Abend geschlos- sen, die Geburt aber am Morgen erfolgt war. Umge- kehrt wird Derjenige, dem ein Pferd am Abend getödtet ist, wenn er ein Jahr vorher den höheren Werth ausmit- teln will, bis auf den Morgen des der Tödtung entspre- chenden Kalendertages zurückgehen dürfen. Durch eine solche Berechnung wird also der mathematisch begränzte Zeitraum der 182 Tage oder des Jahres im ersten Fall um Etwas verkürzt, im zweyten um Etwas verlängert seyn.
Zuletzt soll noch gefragt werden, was über den End- punkt juristischer Zeiträume außer dem Römischen Recht vorkommen mag.
Im alten Deutschen Recht finden sich nicht selten Zu- gabetage (p). Diese könnte man wohl auf eine ähnliche Ansicht zurück führen, wie die welche bey Berechnung der
dern von der Benutzung eines einzelnen in denſelben fal- lenden Zeitpunktes, die Rede iſt (§ 177), müſſen die auf- geſtellten Regeln nach ihrem allgemeinen Sinn dergeſtalt angewendet werden, daß Derjenige, der aus einem ſolchen Zeitpunkte ein Recht ableiten will, innerhalb des äußer- ſten Tages frey wählen kann, ſo wie es ihm am Vor- theilhafteſten iſt. Wer alſo die Legitimität eines Kindes deswegen behauptet, weil 182 Tage vor der Geburt eine Ehe geſchloſſen worden iſt, wird dieſe Behauptung auch dann begründet haben, wenn die Ehe am Abend geſchloſ- ſen, die Geburt aber am Morgen erfolgt war. Umge- kehrt wird Derjenige, dem ein Pferd am Abend getödtet iſt, wenn er ein Jahr vorher den höheren Werth ausmit- teln will, bis auf den Morgen des der Tödtung entſpre- chenden Kalendertages zurückgehen dürfen. Durch eine ſolche Berechnung wird alſo der mathematiſch begränzte Zeitraum der 182 Tage oder des Jahres im erſten Fall um Etwas verkürzt, im zweyten um Etwas verlängert ſeyn.
Zuletzt ſoll noch gefragt werden, was über den End- punkt juriſtiſcher Zeiträume außer dem Römiſchen Recht vorkommen mag.
Im alten Deutſchen Recht finden ſich nicht ſelten Zu- gabetage (p). Dieſe könnte man wohl auf eine ähnliche Anſicht zurück führen, wie die welche bey Berechnung der
(p)Grimm Rechtsalterthümer S. 221.
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§. 188. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortſetzung.)
dern von der Benutzung eines einzelnen in denſelben fal-
lenden Zeitpunktes, die Rede iſt (§ 177), müſſen die auf-
geſtellten Regeln nach ihrem allgemeinen Sinn dergeſtalt
angewendet werden, daß Derjenige, der aus einem ſolchen
Zeitpunkte ein Recht ableiten will, innerhalb des äußer-
ſten Tages frey wählen kann, ſo wie es ihm am Vor-
theilhafteſten iſt. Wer alſo die Legitimität eines Kindes
deswegen behauptet, weil 182 Tage vor der Geburt eine
Ehe geſchloſſen worden iſt, wird dieſe Behauptung auch
dann begründet haben, wenn die Ehe am Abend geſchloſ-
ſen, die Geburt aber am Morgen erfolgt war. Umge-
kehrt wird Derjenige, dem ein Pferd am Abend getödtet
iſt, wenn er ein Jahr vorher den höheren Werth ausmit-
teln will, bis auf den Morgen des der Tödtung entſpre-
chenden Kalendertages zurückgehen dürfen. Durch eine
ſolche Berechnung wird alſo der mathematiſch begränzte
Zeitraum der 182 Tage oder des Jahres im erſten Fall
um Etwas verkürzt, im zweyten um Etwas verlängert ſeyn.
Zuletzt ſoll noch gefragt werden, was über den End-
punkt juriſtiſcher Zeiträume außer dem Römiſchen Recht
vorkommen mag.
Im alten Deutſchen Recht finden ſich nicht ſelten Zu-
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(p) Grimm Rechtsalterthümer S. 221.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/433>, abgerufen am 18.07.2024.
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