Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 186. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.)
mit den drey vorhergehenden vollkommen übereinstimmt.
Ihr eigenthümlich ist noch ein Einwurf, dem hier Ulpian
zu begegnen nöthig findet. Das intra dies centum, sagt
er, dürfe nicht so verstanden werden, als ob die verstattete
Zeit weniger betrage als 100 Tage, so daß etwa schon
mit dem vorletzten Tage die Frist abliefe; es heiße viel-
mehr, daß sie bis an die Gränze (und zwar die juristisch be-
rechnete) Gränze derselben fortgehe. Dieses bestätigt er noch
durch die Analogie von intra Kalendas, welches auch nicht
heiße: diesseits der Kalenden (also nur bis zu pridie), son-
dern mit Einschluß der ganzen Kalenden selbst, bis zu de-
ren völligem Ablauf.

Es muß hier noch eine gemeinschaftliche Bemerkung
über alle hier erklärte Stellen, worin Zahlen vorkommen,
hinzugefügt werden. Man könnte einwenden, die willkühr-
lich abwechselnde Art der Zahlenbezeichnung von Seiten
der Römischen Juristen sey durch ihre Zweydeutigkeit un-
vorsichtig gewesen, und eben darum könne sie nicht mit
Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt werden. Diese Einwen-
dung würde Grund haben, wenn den Verfassern der Stelle
die Bezeichnung des Tages als eigentlicher Gegenstand
des Zweifels und der Entscheidung vorgeschwebt hätte,
wenn es ihnen darauf angekommen wäre, zu bestimmen,
ob gerade dieser Tag, oder etwa der vorhergehende oder
nachfolgende, die Frist endige. Dieses aber stand gar
nicht in Frage; sie setzen überall als gewiß und bekannt
voraus, daß stets nur von dem novissimus dies die Rede

26*

§. 186. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortſetzung.)
mit den drey vorhergehenden vollkommen übereinſtimmt.
Ihr eigenthümlich iſt noch ein Einwurf, dem hier Ulpian
zu begegnen nöthig findet. Das intra dies centum, ſagt
er, dürfe nicht ſo verſtanden werden, als ob die verſtattete
Zeit weniger betrage als 100 Tage, ſo daß etwa ſchon
mit dem vorletzten Tage die Friſt abliefe; es heiße viel-
mehr, daß ſie bis an die Gränze (und zwar die juriſtiſch be-
rechnete) Gränze derſelben fortgehe. Dieſes beſtätigt er noch
durch die Analogie von intra Kalendas, welches auch nicht
heiße: dieſſeits der Kalenden (alſo nur bis zu pridie), ſon-
dern mit Einſchluß der ganzen Kalenden ſelbſt, bis zu de-
ren völligem Ablauf.

Es muß hier noch eine gemeinſchaftliche Bemerkung
über alle hier erklärte Stellen, worin Zahlen vorkommen,
hinzugefügt werden. Man könnte einwenden, die willkühr-
lich abwechſelnde Art der Zahlenbezeichnung von Seiten
der Roͤmiſchen Juriſten ſey durch ihre Zweydeutigkeit un-
vorſichtig geweſen, und eben darum könne ſie nicht mit
Wahrſcheinlichkeit vorausgeſetzt werden. Dieſe Einwen-
dung würde Grund haben, wenn den Verfaſſern der Stelle
die Bezeichnung des Tages als eigentlicher Gegenſtand
des Zweifels und der Entſcheidung vorgeſchwebt hätte,
wenn es ihnen darauf angekommen wäre, zu beſtimmen,
ob gerade dieſer Tag, oder etwa der vorhergehende oder
nachfolgende, die Friſt endige. Dieſes aber ſtand gar
nicht in Frage; ſie ſetzen überall als gewiß und bekannt
voraus, daß ſtets nur von dem novissimus dies die Rede

26*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0417" n="403"/><fw place="top" type="header">§. 186. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fort&#x017F;etzung.)</fw><lb/>
mit den drey vorhergehenden vollkommen überein&#x017F;timmt.<lb/>
Ihr eigenthümlich i&#x017F;t noch ein Einwurf, dem hier Ulpian<lb/>
zu begegnen nöthig findet. Das <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">intra</hi> dies centum,</hi> &#x017F;agt<lb/>
er, dürfe nicht &#x017F;o ver&#x017F;tanden werden, als ob die ver&#x017F;tattete<lb/>
Zeit <hi rendition="#g">weniger</hi> betrage als 100 Tage, &#x017F;o daß etwa &#x017F;chon<lb/>
mit dem vorletzten Tage die Fri&#x017F;t abliefe; es heiße viel-<lb/>
mehr, daß &#x017F;ie bis an die Gränze (und zwar die juri&#x017F;ti&#x017F;ch be-<lb/>
rechnete) Gränze der&#x017F;elben fortgehe. Die&#x017F;es be&#x017F;tätigt er noch<lb/>
durch die Analogie von <hi rendition="#aq">intra Kalendas,</hi> welches auch nicht<lb/>
heiße: die&#x017F;&#x017F;eits der Kalenden (al&#x017F;o nur bis zu <hi rendition="#aq">pridie</hi>), &#x017F;on-<lb/>
dern mit Ein&#x017F;chluß der ganzen Kalenden &#x017F;elb&#x017F;t, bis zu de-<lb/>
ren völligem Ablauf.</p><lb/>
              <p>Es muß hier noch eine gemein&#x017F;chaftliche Bemerkung<lb/>
über alle hier erklärte Stellen, worin Zahlen vorkommen,<lb/>
hinzugefügt werden. Man könnte einwenden, die willkühr-<lb/>
lich abwech&#x017F;elnde Art der Zahlenbezeichnung von Seiten<lb/>
der Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Juri&#x017F;ten &#x017F;ey durch ihre Zweydeutigkeit un-<lb/>
vor&#x017F;ichtig gewe&#x017F;en, und eben darum könne &#x017F;ie nicht mit<lb/>
Wahr&#x017F;cheinlichkeit vorausge&#x017F;etzt werden. Die&#x017F;e Einwen-<lb/>
dung würde Grund haben, wenn den Verfa&#x017F;&#x017F;ern der Stelle<lb/>
die Bezeichnung des Tages als eigentlicher Gegen&#x017F;tand<lb/>
des Zweifels und der Ent&#x017F;cheidung vorge&#x017F;chwebt hätte,<lb/>
wenn es ihnen darauf angekommen wäre, zu be&#x017F;timmen,<lb/>
ob gerade die&#x017F;er Tag, oder etwa der vorhergehende oder<lb/>
nachfolgende, die Fri&#x017F;t endige. Die&#x017F;es aber &#x017F;tand gar<lb/>
nicht in Frage; &#x017F;ie &#x017F;etzen überall als gewiß und bekannt<lb/>
voraus, daß &#x017F;tets nur von dem <hi rendition="#aq">novissimus dies</hi> die Rede<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">26*</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[403/0417] §. 186. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortſetzung.) mit den drey vorhergehenden vollkommen übereinſtimmt. Ihr eigenthümlich iſt noch ein Einwurf, dem hier Ulpian zu begegnen nöthig findet. Das intra dies centum, ſagt er, dürfe nicht ſo verſtanden werden, als ob die verſtattete Zeit weniger betrage als 100 Tage, ſo daß etwa ſchon mit dem vorletzten Tage die Friſt abliefe; es heiße viel- mehr, daß ſie bis an die Gränze (und zwar die juriſtiſch be- rechnete) Gränze derſelben fortgehe. Dieſes beſtätigt er noch durch die Analogie von intra Kalendas, welches auch nicht heiße: dieſſeits der Kalenden (alſo nur bis zu pridie), ſon- dern mit Einſchluß der ganzen Kalenden ſelbſt, bis zu de- ren völligem Ablauf. Es muß hier noch eine gemeinſchaftliche Bemerkung über alle hier erklärte Stellen, worin Zahlen vorkommen, hinzugefügt werden. Man könnte einwenden, die willkühr- lich abwechſelnde Art der Zahlenbezeichnung von Seiten der Roͤmiſchen Juriſten ſey durch ihre Zweydeutigkeit un- vorſichtig geweſen, und eben darum könne ſie nicht mit Wahrſcheinlichkeit vorausgeſetzt werden. Dieſe Einwen- dung würde Grund haben, wenn den Verfaſſern der Stelle die Bezeichnung des Tages als eigentlicher Gegenſtand des Zweifels und der Entſcheidung vorgeſchwebt hätte, wenn es ihnen darauf angekommen wäre, zu beſtimmen, ob gerade dieſer Tag, oder etwa der vorhergehende oder nachfolgende, die Friſt endige. Dieſes aber ſtand gar nicht in Frage; ſie ſetzen überall als gewiß und bekannt voraus, daß ſtets nur von dem novissimus dies die Rede 26*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/417
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/417>, abgerufen am 25.11.2024.