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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 183. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.)
sind, als ob es zusammenhängende Sätze einer und dersel-
ben Stelle wären.

Die erste Stelle nun sagt: Bei der Usucapion rechnen
wir nicht mit Beachtung der (in den letzten Kalendertag
fallenden) kleineren Zeittheile, sondern wir nehmen den letz-
ten Kalendertag als ein (untheilbares) Ganzes, welches
daher in jedem seiner wirklichen einzelnen Theile schon als
vollendet gelten muß (f).

Wer also (fährt die zweyte Stelle fort) in der sechsten
Tagesstunde eines 1. Januars zu besitzen anfängt, vollendet
(in einem folgenden Jahr) die Usucapion in einer dem
31. December angehörenden sechsten Nachtstunde.

Die hora sexta noctis ist die der Mitternacht unmittel-
bar vorhergehende Stunde (g). Hier muß nun offenbar im
Sinn Ulpians hinzugedacht werden: completa oder exacta,
so daß die Usucapion zu Ende geht nicht etwa am Anfang,
oder in der Mitte, sondern genau am Schluß der erwähn-
ten Stunde (h). Es ist also nur eine umschreibende Be-

(f) Mit dieser Erklärung des
totum postremum diem stimmen
überein Donellus § 2, Rücker
p.
20, Unterholzner S. 303.
-- Erb S. 199 (der außerdem
die von der Usucapion handelnden
Stellen richtig ansieht) erklärt das
totum postremum so: den letz-
ten Tag, der noch als ein gan-
zer
in die Usucapionszeit fällt,
also den 31. Dec.; dessen Ablauf
sey hier bezeichnet. Das Resul-
tat ist bey ihm dasselbe wie das
meinige, aber seine Worterklärung
ist gezwungen und verwerflich.
(g) Es ist die Stunde, die an
den Äquinoctien genau unsrer
Mitternachtsstunde (von 11 -- 12
Uhr) entspricht. In der Neujahrs-
nacht hat diese hora sexta der
Römer eine merklich größere Aus-
dehnung, so wie die folgende hora
sexta diei
eine merklich kleinere.
(h) In demselben Sinn sagt
Gellius III. 2 "diem .. civi-
lem .. a sexta noctis hora oriri,"
IV. 24

§. 183. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortſetzung.)
ſind, als ob es zuſammenhängende Sätze einer und derſel-
ben Stelle wären.

Die erſte Stelle nun ſagt: Bei der Uſucapion rechnen
wir nicht mit Beachtung der (in den letzten Kalendertag
fallenden) kleineren Zeittheile, ſondern wir nehmen den letz-
ten Kalendertag als ein (untheilbares) Ganzes, welches
daher in jedem ſeiner wirklichen einzelnen Theile ſchon als
vollendet gelten muß (f).

Wer alſo (fährt die zweyte Stelle fort) in der ſechſten
Tagesſtunde eines 1. Januars zu beſitzen anfängt, vollendet
(in einem folgenden Jahr) die Uſucapion in einer dem
31. December angehörenden ſechſten Nachtſtunde.

Die hora sexta noctis iſt die der Mitternacht unmittel-
bar vorhergehende Stunde (g). Hier muß nun offenbar im
Sinn Ulpians hinzugedacht werden: completa oder exacta,
ſo daß die Uſucapion zu Ende geht nicht etwa am Anfang,
oder in der Mitte, ſondern genau am Schluß der erwähn-
ten Stunde (h). Es iſt alſo nur eine umſchreibende Be-

(f) Mit dieſer Erklärung des
totum postremum diem ſtimmen
überein Donellus § 2, Rücker
p.
20, Unterholzner S. 303.
Erb S. 199 (der außerdem
die von der Uſucapion handelnden
Stellen richtig anſieht) erklärt das
totum postremum ſo: den letz-
ten Tag, der noch als ein gan-
zer
in die Uſucapionszeit fällt,
alſo den 31. Dec.; deſſen Ablauf
ſey hier bezeichnet. Das Reſul-
tat iſt bey ihm daſſelbe wie das
meinige, aber ſeine Worterklärung
iſt gezwungen und verwerflich.
(g) Es iſt die Stunde, die an
den Äquinoctien genau unſrer
Mitternachtsſtunde (von 11 — 12
Uhr) entſpricht. In der Neujahrs-
nacht hat dieſe hora sexta der
Römer eine merklich größere Aus-
dehnung, ſo wie die folgende hora
sexta diei
eine merklich kleinere.
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Gellius III. 2 „diem .. civi-
lem .. a sexta noctis hora oriri,”
IV. 24
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[369/0383] §. 183. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortſetzung.) ſind, als ob es zuſammenhängende Sätze einer und derſel- ben Stelle wären. Die erſte Stelle nun ſagt: Bei der Uſucapion rechnen wir nicht mit Beachtung der (in den letzten Kalendertag fallenden) kleineren Zeittheile, ſondern wir nehmen den letz- ten Kalendertag als ein (untheilbares) Ganzes, welches daher in jedem ſeiner wirklichen einzelnen Theile ſchon als vollendet gelten muß (f). Wer alſo (fährt die zweyte Stelle fort) in der ſechſten Tagesſtunde eines 1. Januars zu beſitzen anfängt, vollendet (in einem folgenden Jahr) die Uſucapion in einer dem 31. December angehörenden ſechſten Nachtſtunde. Die hora sexta noctis iſt die der Mitternacht unmittel- bar vorhergehende Stunde (g). Hier muß nun offenbar im Sinn Ulpians hinzugedacht werden: completa oder exacta, ſo daß die Uſucapion zu Ende geht nicht etwa am Anfang, oder in der Mitte, ſondern genau am Schluß der erwähn- ten Stunde (h). Es iſt alſo nur eine umſchreibende Be- (f) Mit dieſer Erklärung des totum postremum diem ſtimmen überein Donellus § 2, Rücker p. 20, Unterholzner S. 303. — Erb S. 199 (der außerdem die von der Uſucapion handelnden Stellen richtig anſieht) erklärt das totum postremum ſo: den letz- ten Tag, der noch als ein gan- zer in die Uſucapionszeit fällt, alſo den 31. Dec.; deſſen Ablauf ſey hier bezeichnet. Das Reſul- tat iſt bey ihm daſſelbe wie das meinige, aber ſeine Worterklärung iſt gezwungen und verwerflich. (g) Es iſt die Stunde, die an den Äquinoctien genau unſrer Mitternachtsſtunde (von 11 — 12 Uhr) entſpricht. In der Neujahrs- nacht hat dieſe hora sexta der Römer eine merklich größere Aus- dehnung, ſo wie die folgende hora sexta diei eine merklich kleinere. (h) In demſelben Sinn ſagt Gellius III. 2 „diem .. civi- lem .. a sexta noctis hora oriri,” IV. 24

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/383>, abgerufen am 22.05.2024.