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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 178. Zeit. Einleitung. (Fortsetzung.)
fehlt es an einem Bedürfniß zur Errichtung von Obliga-
tionen durch Usucapion, die gleichfalls aus jenem abstrac-
ten Begriff gefolgert werden könnte; das Preußische Land-
recht, welches den in unbestimmter Allgemeinheit gefaßten
Begriff einer Verjährung von unsren Schriftstellern des
gemeinen Rechts angenommen hat (e), läßt nun in der
That auch eine Schuldforderung dadurch entstehen, daß
ein vermeyntlicher Glaubiger dreyßig Jahre hindurch Zin-
sen einer gar nicht vorhandenen Schuld bezogen hat (f).

Die Entstehung, und besonders die Befestigung dieser
irrigen Begriffe steht im genauen Zusammenhang mit den
in dieser Lehre eingeführten unächten Kunstausdrücken, die
nun noch besonders zu betrachten sind. Praescriptio näm-
lich soll heißen ein Erwerb oder Verlust von Rechten, her-
beygeführt durch Zeitlauf. Es heißt aber in unsren Rechts-
quellen niemals Erwerb oder Verlust, sondern stets genau
so viel als exceptio, Einrede, mit welchem Ausdruck es
daher überall unbedenklich verwechselt werden darf, ohne
daß der Sinn einer Rede dadurch verändert würde (g).
Eine Exception nun kann unter andern auch durch ver-
säumte Ausübung eines Klagerechts herbeygeführt werden,
und insofern bezeichnet allerdings praescriptio die Einrede
aus einer Klagverjährung; jedoch (eben so wie exceptio)
niemals da wo der Ausdruck allein steht, sondern immer

(e) A. L. R. I. 9 § 500 -- 502.
(f) A. L R. I. 11 § 839.
(g) Dieses ist schlechthin zu be-
haupten für die Quellen des Ju-
stinianischen Rechts; wie sich die-
ser Sprachgebrauch gebildet hat,
und wie es damit früher stand,
sagt Gajus IV. § 130 -- 137.

§. 178. Zeit. Einleitung. (Fortſetzung.)
fehlt es an einem Bedürfniß zur Errichtung von Obliga-
tionen durch Uſucapion, die gleichfalls aus jenem abſtrac-
ten Begriff gefolgert werden könnte; das Preußiſche Land-
recht, welches den in unbeſtimmter Allgemeinheit gefaßten
Begriff einer Verjährung von unſren Schriftſtellern des
gemeinen Rechts angenommen hat (e), läßt nun in der
That auch eine Schuldforderung dadurch entſtehen, daß
ein vermeyntlicher Glaubiger dreyßig Jahre hindurch Zin-
ſen einer gar nicht vorhandenen Schuld bezogen hat (f).

Die Entſtehung, und beſonders die Befeſtigung dieſer
irrigen Begriffe ſteht im genauen Zuſammenhang mit den
in dieſer Lehre eingeführten unächten Kunſtausdrücken, die
nun noch beſonders zu betrachten ſind. Praescriptio näm-
lich ſoll heißen ein Erwerb oder Verluſt von Rechten, her-
beygeführt durch Zeitlauf. Es heißt aber in unſren Rechts-
quellen niemals Erwerb oder Verluſt, ſondern ſtets genau
ſo viel als exceptio, Einrede, mit welchem Ausdruck es
daher überall unbedenklich verwechſelt werden darf, ohne
daß der Sinn einer Rede dadurch verändert würde (g).
Eine Exception nun kann unter andern auch durch ver-
ſäumte Ausübung eines Klagerechts herbeygeführt werden,
und inſofern bezeichnet allerdings praescriptio die Einrede
aus einer Klagverjährung; jedoch (eben ſo wie exceptio)
niemals da wo der Ausdruck allein ſteht, ſondern immer

(e) A. L. R. I. 9 § 500 — 502.
(f) A. L R. I. 11 § 839.
(g) Dieſes iſt ſchlechthin zu be-
haupten für die Quellen des Ju-
ſtinianiſchen Rechts; wie ſich die-
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und wie es damit früher ſtand,
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[313/0327] §. 178. Zeit. Einleitung. (Fortſetzung.) fehlt es an einem Bedürfniß zur Errichtung von Obliga- tionen durch Uſucapion, die gleichfalls aus jenem abſtrac- ten Begriff gefolgert werden könnte; das Preußiſche Land- recht, welches den in unbeſtimmter Allgemeinheit gefaßten Begriff einer Verjährung von unſren Schriftſtellern des gemeinen Rechts angenommen hat (e), läßt nun in der That auch eine Schuldforderung dadurch entſtehen, daß ein vermeyntlicher Glaubiger dreyßig Jahre hindurch Zin- ſen einer gar nicht vorhandenen Schuld bezogen hat (f). Die Entſtehung, und beſonders die Befeſtigung dieſer irrigen Begriffe ſteht im genauen Zuſammenhang mit den in dieſer Lehre eingeführten unächten Kunſtausdrücken, die nun noch beſonders zu betrachten ſind. Praescriptio näm- lich ſoll heißen ein Erwerb oder Verluſt von Rechten, her- beygeführt durch Zeitlauf. Es heißt aber in unſren Rechts- quellen niemals Erwerb oder Verluſt, ſondern ſtets genau ſo viel als exceptio, Einrede, mit welchem Ausdruck es daher überall unbedenklich verwechſelt werden darf, ohne daß der Sinn einer Rede dadurch verändert würde (g). Eine Exception nun kann unter andern auch durch ver- ſäumte Ausübung eines Klagerechts herbeygeführt werden, und inſofern bezeichnet allerdings praescriptio die Einrede aus einer Klagverjährung; jedoch (eben ſo wie exceptio) niemals da wo der Ausdruck allein ſteht, ſondern immer (e) A. L. R. I. 9 § 500 — 502. (f) A. L R. I. 11 § 839. (g) Dieſes iſt ſchlechthin zu be- haupten für die Quellen des Ju- ſtinianiſchen Rechts; wie ſich die- ſer Sprachgebrauch gebildet hat, und wie es damit früher ſtand, ſagt Gajus IV. § 130 — 137.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/327>, abgerufen am 15.08.2024.