Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
eripere ... durum et avarum esse (q), die allerdings,
buchstäblich genommen, auf das Entreißen eines schon in
Besitz genommenen Gutes zu deuten schienen. Weit ent-
scheidender jedoch für die entgegengesetzte Meynung war
die Zurückführung des ganzen Falles auf die Fiction ei-
ner mortis causa donatio. Diese aber bezweifelte selbst
Papinian nicht, da er die Gränzen der Capacität in An-
wendung brachte (Note c. f). Da nun die mortis causa do-
natio
durch Stipulation so gut, als durch Tradition be-
wirkt werden konnte, welches selbst Papinian anerkann-
te (r), so war es consequent, auch die gewöhnliche Schen-
kung unter Ehegatten durch den Tod des Gebers bestäti-
gen zu lassen, ohne Unterschied ob sie durch Stipulation
oder durch Tradition bewirkt werde.

Insofern kann man also sagen, Papinian habe mehr
auf den Buchstaben, Ulpian auf den Geist des Senats-
schlusses gesehen, wie es auch in der That manche Ver-
theidiger der richtigen Meynung aufgefaßt haben. Man
hat sogar versucht, diesen Gegensatz in die Zustimmung
Ulpians (recte putabat) hinein zu tragen, gleich als wollte
dieser sagen: dem Buchstaben nach ist Papinians Mey-
nung richtig, ich behalte mir aber vor, anderwärts zu
bemerken, daß es dem Geist nach anders verstanden wer-

(q) L. 32 § 2 de don. int. vir.
(24. 1.), wo die Worte des Se-
natsschlusses selbst angeführt wer-
den. Bey Papinian heißt es,
zwar mit dessen eigenen Worten,
aber in gleichem Sinn mit jenen
Worten des Senatsschlusses: au-
ferre
non oportere
(Note c).
(r) L. 52 § 1 de don. int. vir.
(24. 1.), s. o. § 157 Note s1.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
eripere … durum et avarum esse (q), die allerdings,
buchſtäblich genommen, auf das Entreißen eines ſchon in
Beſitz genommenen Gutes zu deuten ſchienen. Weit ent-
ſcheidender jedoch für die entgegengeſetzte Meynung war
die Zurückführung des ganzen Falles auf die Fiction ei-
ner mortis causa donatio. Dieſe aber bezweifelte ſelbſt
Papinian nicht, da er die Gränzen der Capacität in An-
wendung brachte (Note c. f). Da nun die mortis causa do-
natio
durch Stipulation ſo gut, als durch Tradition be-
wirkt werden konnte, welches ſelbſt Papinian anerkann-
te (r), ſo war es conſequent, auch die gewöhnliche Schen-
kung unter Ehegatten durch den Tod des Gebers beſtäti-
gen zu laſſen, ohne Unterſchied ob ſie durch Stipulation
oder durch Tradition bewirkt werde.

Inſofern kann man alſo ſagen, Papinian habe mehr
auf den Buchſtaben, Ulpian auf den Geiſt des Senats-
ſchluſſes geſehen, wie es auch in der That manche Ver-
theidiger der richtigen Meynung aufgefaßt haben. Man
hat ſogar verſucht, dieſen Gegenſatz in die Zuſtimmung
Ulpians (recte putabat) hinein zu tragen, gleich als wollte
dieſer ſagen: dem Buchſtaben nach iſt Papinians Mey-
nung richtig, ich behalte mir aber vor, anderwärts zu
bemerken, daß es dem Geiſt nach anders verſtanden wer-

(q) L. 32 § 2 de don. int. vir.
(24. 1.), wo die Worte des Se-
natsſchluſſes ſelbſt angeführt wer-
den. Bey Papinian heißt es,
zwar mit deſſen eigenen Worten,
aber in gleichem Sinn mit jenen
Worten des Senatsſchluſſes: au-
ferre
non oportere
(Note c).
(r) L. 52 § 1 de don. int. vir.
(24. 1.), ſ. o. § 157 Note s1.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0202" n="188"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Ent&#x017F;tehung und Untergang.</fw><lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">eripere</hi> &#x2026; durum et avarum esse</hi><note place="foot" n="(q)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 32 § 2 <hi rendition="#i">de don. int. vir.</hi></hi><lb/>
(24. 1.), wo die Worte des Se-<lb/>
nats&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;es &#x017F;elb&#x017F;t angeführt wer-<lb/>
den. Bey Papinian heißt es,<lb/>
zwar mit de&#x017F;&#x017F;en eigenen Worten,<lb/>
aber in gleichem Sinn mit jenen<lb/>
Worten des Senats&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;es: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">au-<lb/>
ferre</hi> non oportere</hi> (Note <hi rendition="#aq">c</hi>).</note>, die allerdings,<lb/>
buch&#x017F;täblich genommen, auf das Entreißen eines &#x017F;chon in<lb/>
Be&#x017F;itz genommenen Gutes zu deuten &#x017F;chienen. Weit ent-<lb/>
&#x017F;cheidender jedoch für die entgegenge&#x017F;etzte Meynung war<lb/>
die Zurückführung des ganzen Falles auf die Fiction ei-<lb/>
ner <hi rendition="#aq">mortis causa donatio.</hi> Die&#x017F;e aber bezweifelte &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
Papinian nicht, da er die Gränzen der Capacität in An-<lb/>
wendung brachte (Note <hi rendition="#aq">c. f</hi>). Da nun die <hi rendition="#aq">mortis causa do-<lb/>
natio</hi> durch Stipulation &#x017F;o gut, als durch Tradition be-<lb/>
wirkt werden konnte, welches &#x017F;elb&#x017F;t Papinian anerkann-<lb/>
te <note place="foot" n="(r)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 52 § 1 <hi rendition="#i">de don. int. vir.</hi></hi><lb/>
(24. 1.), &#x017F;. o. § 157 Note <hi rendition="#aq">s</hi><hi rendition="#sup">1</hi>.</note>, &#x017F;o war es con&#x017F;equent, auch die gewöhnliche Schen-<lb/>
kung unter Ehegatten durch den Tod des Gebers be&#x017F;täti-<lb/>
gen zu la&#x017F;&#x017F;en, ohne Unter&#x017F;chied ob &#x017F;ie durch Stipulation<lb/>
oder durch Tradition bewirkt werde.</p><lb/>
            <p>In&#x017F;ofern kann man al&#x017F;o &#x017F;agen, Papinian habe mehr<lb/>
auf den Buch&#x017F;taben, Ulpian auf den Gei&#x017F;t des Senats-<lb/>
&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;es ge&#x017F;ehen, wie es auch in der That manche Ver-<lb/>
theidiger der richtigen Meynung aufgefaßt haben. Man<lb/>
hat &#x017F;ogar ver&#x017F;ucht, die&#x017F;en Gegen&#x017F;atz in die Zu&#x017F;timmung<lb/>
Ulpians <hi rendition="#aq">(<hi rendition="#i">recte</hi> putabat)</hi> hinein zu tragen, gleich als wollte<lb/>
die&#x017F;er &#x017F;agen: dem Buch&#x017F;taben nach i&#x017F;t Papinians Mey-<lb/>
nung richtig, ich behalte mir aber vor, anderwärts zu<lb/>
bemerken, daß es dem Gei&#x017F;t nach anders ver&#x017F;tanden wer-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0202] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. eripere … durum et avarum esse (q), die allerdings, buchſtäblich genommen, auf das Entreißen eines ſchon in Beſitz genommenen Gutes zu deuten ſchienen. Weit ent- ſcheidender jedoch für die entgegengeſetzte Meynung war die Zurückführung des ganzen Falles auf die Fiction ei- ner mortis causa donatio. Dieſe aber bezweifelte ſelbſt Papinian nicht, da er die Gränzen der Capacität in An- wendung brachte (Note c. f). Da nun die mortis causa do- natio durch Stipulation ſo gut, als durch Tradition be- wirkt werden konnte, welches ſelbſt Papinian anerkann- te (r), ſo war es conſequent, auch die gewöhnliche Schen- kung unter Ehegatten durch den Tod des Gebers beſtäti- gen zu laſſen, ohne Unterſchied ob ſie durch Stipulation oder durch Tradition bewirkt werde. Inſofern kann man alſo ſagen, Papinian habe mehr auf den Buchſtaben, Ulpian auf den Geiſt des Senats- ſchluſſes geſehen, wie es auch in der That manche Ver- theidiger der richtigen Meynung aufgefaßt haben. Man hat ſogar verſucht, dieſen Gegenſatz in die Zuſtimmung Ulpians (recte putabat) hinein zu tragen, gleich als wollte dieſer ſagen: dem Buchſtaben nach iſt Papinians Mey- nung richtig, ich behalte mir aber vor, anderwärts zu bemerken, daß es dem Geiſt nach anders verſtanden wer- (q) L. 32 § 2 de don. int. vir. (24. 1.), wo die Worte des Se- natsſchluſſes ſelbſt angeführt wer- den. Bey Papinian heißt es, zwar mit deſſen eigenen Worten, aber in gleichem Sinn mit jenen Worten des Senatsſchluſſes: au- ferre non oportere (Note c). (r) L. 52 § 1 de don. int. vir. (24. 1.), ſ. o. § 157 Note s1.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/202
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/202>, abgerufen am 04.05.2024.