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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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§. 107. Altersstufen. Infantes.
schäften (theils allein, theils mit dem Tutor) fähig
wird (b).

Welches ist aber die Gränze der Infantia? Infans heißt
wörtlich ein Nichtsprechender, insbesondere jedoch verstand
man darunter Den, welcher noch nicht durch sein Alter
zum Besitz der Sprache gekommen ist, da der durch orga-
nische Mängel Sprachlose mutus genannt wurde (c). Daß
man nun in der That den Ausdruck in seinem etymologi-
schen Sinn genommen hat, erhellt unwidersprechlich aus
dem Umstand, daß die Römer in vielen Stellen, mit ganz
willkührlicher Abwechslung, bald Infans, bald qui fari non
potest
sagen; und dieses wird wieder am anschaulichsten
in solchen Stellen, worin beide Ausdrücke unmittelbar
neben einander als gleichbedeutend gebraucht werden (d).
Also sollen Diejenigen, und nur Diejenigen, Geschäfte be-
treiben dürfen, welche schon sprechen können. Allein
in dieser Gränzbestimmung liegt noch eine unverkennbare
Zweydeutigkeit. Man kann nämlich den Ausdruck nehmen
in dem Sinn des gewöhnlichen Lebens, von der niederen
Fertigkeit, wodurch das Kind seine kindischen Vorstellun-

(b) L. 70 de V. O. (45. 1.).
"Mulier .. fecerat .. promittere
dotem ... Infanti ... placebat
ex stipulatu actionem non esse,
quoniam qui fari non poterat,
stipulari non poterat." L. 141
§ 2 eod. "Pupillus .. ex quo
fari coeperit, recte stipulari po-
test."
-- Vgl. auch L. 5 de R. J.
(50. 17.)
, und die in der Note a
abgedruckte Stellen.
(c) In L. 65 § 3 ad Sc. Treb.
(36. 1.)
wird neben dem Infans,
oder qui fari non potest, der
mutus als verschieden genannt.
(d) L. 70 de V. O. (45. 1.),
s. o. Note b. -- L. 65 § 3 ad Sc.
Treb.
(36. 1.), L. 30 § 1. 2. 4 de
fid. lib.
(40. 5.), L. 1 C. ad Sc.
Tert.
(6. 56.).

§. 107. Altersſtufen. Infantes.
ſchäften (theils allein, theils mit dem Tutor) fähig
wird (b).

Welches iſt aber die Gränze der Infantia? Infans heißt
wörtlich ein Nichtſprechender, insbeſondere jedoch verſtand
man darunter Den, welcher noch nicht durch ſein Alter
zum Beſitz der Sprache gekommen iſt, da der durch orga-
niſche Mängel Sprachloſe mutus genannt wurde (c). Daß
man nun in der That den Ausdruck in ſeinem etymologi-
ſchen Sinn genommen hat, erhellt unwiderſprechlich aus
dem Umſtand, daß die Römer in vielen Stellen, mit ganz
willkührlicher Abwechslung, bald Infans, bald qui fari non
potest
ſagen; und dieſes wird wieder am anſchaulichſten
in ſolchen Stellen, worin beide Ausdrücke unmittelbar
neben einander als gleichbedeutend gebraucht werden (d).
Alſo ſollen Diejenigen, und nur Diejenigen, Geſchäfte be-
treiben dürfen, welche ſchon ſprechen können. Allein
in dieſer Gränzbeſtimmung liegt noch eine unverkennbare
Zweydeutigkeit. Man kann nämlich den Ausdruck nehmen
in dem Sinn des gewöhnlichen Lebens, von der niederen
Fertigkeit, wodurch das Kind ſeine kindiſchen Vorſtellun-

(b) L. 70 de V. O. (45. 1.).
„Mulier .. fecerat .. promittere
dotem … Infanti … placebat
ex stipulatu actionem non esse,
quoniam qui fari non poterat,
stipulari non poterat.” L. 141
§ 2 eod. „Pupillus .. ex quo
fari coeperit, recte stipulari po-
test.”
— Vgl. auch L. 5 de R. J.
(50. 17.)
, und die in der Note a
abgedruckte Stellen.
(c) In L. 65 § 3 ad Sc. Treb.
(36. 1.)
wird neben dem Infans,
oder qui fari non potest, der
mutus als verſchieden genannt.
(d) L. 70 de V. O. (45. 1.),
ſ. o. Note b. — L. 65 § 3 ad Sc.
Treb.
(36. 1.), L. 30 § 1. 2. 4 de
fid. lib.
(40. 5.), L. 1 C. ad Sc.
Tert.
(6. 56.).
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[29/0041] §. 107. Altersſtufen. Infantes. ſchäften (theils allein, theils mit dem Tutor) fähig wird (b). Welches iſt aber die Gränze der Infantia? Infans heißt wörtlich ein Nichtſprechender, insbeſondere jedoch verſtand man darunter Den, welcher noch nicht durch ſein Alter zum Beſitz der Sprache gekommen iſt, da der durch orga- niſche Mängel Sprachloſe mutus genannt wurde (c). Daß man nun in der That den Ausdruck in ſeinem etymologi- ſchen Sinn genommen hat, erhellt unwiderſprechlich aus dem Umſtand, daß die Römer in vielen Stellen, mit ganz willkührlicher Abwechslung, bald Infans, bald qui fari non potest ſagen; und dieſes wird wieder am anſchaulichſten in ſolchen Stellen, worin beide Ausdrücke unmittelbar neben einander als gleichbedeutend gebraucht werden (d). Alſo ſollen Diejenigen, und nur Diejenigen, Geſchäfte be- treiben dürfen, welche ſchon ſprechen können. Allein in dieſer Gränzbeſtimmung liegt noch eine unverkennbare Zweydeutigkeit. Man kann nämlich den Ausdruck nehmen in dem Sinn des gewöhnlichen Lebens, von der niederen Fertigkeit, wodurch das Kind ſeine kindiſchen Vorſtellun- (b) L. 70 de V. O. (45. 1.). „Mulier .. fecerat .. promittere dotem … Infanti … placebat ex stipulatu actionem non esse, quoniam qui fari non poterat, stipulari non poterat.” L. 141 § 2 eod. „Pupillus .. ex quo fari coeperit, recte stipulari po- test.” — Vgl. auch L. 5 de R. J. (50. 17.), und die in der Note a abgedruckte Stellen. (c) In L. 65 § 3 ad Sc. Treb. (36. 1.) wird neben dem Infans, oder qui fari non potest, der mutus als verſchieden genannt. (d) L. 70 de V. O. (45. 1.), ſ. o. Note b. — L. 65 § 3 ad Sc. Treb. (36. 1.), L. 30 § 1. 2. 4 de fid. lib. (40. 5.), L. 1 C. ad Sc. Tert. (6. 56.).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/41>, abgerufen am 21.11.2024.