Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. allen sicheren Stellen qualitas nur auf die mehr oder we-niger gute Beschaffenheit geht, von welcher nie ein wesent- licher Irrthum abhängt (u). Das logische Verhältniß des quamivs und tamen beweißt für keine von beiden denkba- ren Erklärungen. Denn nach unsrer Erklärung kann es heißen: "Obgleich der Vertrag gültig ist, so folgt daraus doch nicht, daß sich der Käufer mit den bloßen Tischen, ohne Geldentschädigung, begnügen müsse" (v). Nach der entgegengesetzten aber würde es, logisch eben so befriedi- gend, heißen: "Obgleich der Vertrag als solcher nicht gilt und wirkt, so ist doch der Verkäufer (aus anderen Grün- den, also neben dem Vertrag) verpflichtet." Deceptum heißt hier, wie in vielen Stellen, nicht betrogen, sondern irrend, getäuscht durch sich selbst, oder durch des Gegners Versicherung, nicht gerade durch dessen Betrug. -- Nun ist der Hauptsatz dieser: der Vertrag ist zwar gültig, den- noch ist der Verkäufer durch die in der Tradition liegende scheinbare Erfüllung nicht frey; vielmehr muß er Entschä- (u) L. 14 de contr. emt. (18. 1.) "Quid tamen dicemus, si in materia et qualitate ambo er- rarent?" Man hat hier in dem zweyten Ausdruck eine müßige Wiederholung des ersten finden, also die gleiche Bedeutung beider Worte daraus beweisen wollen; allein es folgen nun in der That zwey Beyspiele, in dem einen wird über den Stoff geirrt (ma- teria), in dem andern blos über die Güte (qualitas), und beide Fälle werden auf entgegengesetzte Weise entschieden. (v) Cujacius findet es lächer-
lich, daß der Jurist sagen sollte: "Obgleich der Vertrag gültig ist, kann dennoch der Käufer klagen." (Comm. ad L. 22 de V. O., opp. T. 1). Allein wenn man den Nachsatz nicht auf das Da- seyn eines Klagrechts überhaupt, sondern auf dessen Gegenstand und Umfang bezieht, so verschwin- det die scheinbare Lächerlichkeit. Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. allen ſicheren Stellen qualitas nur auf die mehr oder we-niger gute Beſchaffenheit geht, von welcher nie ein weſent- licher Irrthum abhängt (u). Das logiſche Verhältniß des quamivs und tamen beweißt für keine von beiden denkba- ren Erklärungen. Denn nach unſrer Erklärung kann es heißen: „Obgleich der Vertrag gültig iſt, ſo folgt daraus doch nicht, daß ſich der Käufer mit den bloßen Tiſchen, ohne Geldentſchädigung, begnügen müſſe“ (v). Nach der entgegengeſetzten aber würde es, logiſch eben ſo befriedi- gend, heißen: „Obgleich der Vertrag als ſolcher nicht gilt und wirkt, ſo iſt doch der Verkäufer (aus anderen Grün- den, alſo neben dem Vertrag) verpflichtet.“ Deceptum heißt hier, wie in vielen Stellen, nicht betrogen, ſondern irrend, getäuſcht durch ſich ſelbſt, oder durch des Gegners Verſicherung, nicht gerade durch deſſen Betrug. — Nun iſt der Hauptſatz dieſer: der Vertrag iſt zwar gültig, den- noch iſt der Verkäufer durch die in der Tradition liegende ſcheinbare Erfüllung nicht frey; vielmehr muß er Entſchä- (u) L. 14 de contr. emt. (18. 1.) „Quid tamen dicemus, si in materia et qualitate ambo er- rarent?” Man hat hier in dem zweyten Ausdruck eine müßige Wiederholung des erſten finden, alſo die gleiche Bedeutung beider Worte daraus beweiſen wollen; allein es folgen nun in der That zwey Beyſpiele, in dem einen wird über den Stoff geirrt (ma- teria), in dem andern blos über die Güte (qualitas), und beide Fälle werden auf entgegengeſetzte Weiſe entſchieden. (v) Cujacius findet es lächer-
lich, daß der Juriſt ſagen ſollte: „Obgleich der Vertrag gültig iſt, kann dennoch der Käufer klagen.“ (Comm. ad L. 22 de V. O., opp. T. 1). Allein wenn man den Nachſatz nicht auf das Da- ſeyn eines Klagrechts überhaupt, ſondern auf deſſen Gegenſtand und Umfang bezieht, ſo verſchwin- det die ſcheinbare Lächerlichkeit. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0300" n="288"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Entſtehung und Untergang.</fw><lb/> allen ſicheren Stellen <hi rendition="#aq">qualitas</hi> nur auf die mehr oder we-<lb/> niger gute Beſchaffenheit geht, von welcher nie ein weſent-<lb/> licher Irrthum abhängt <note place="foot" n="(u)"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">L.</hi></hi> 14 <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">de contr. emt.</hi></hi> (18. 1.)<lb/><hi rendition="#aq">„Quid tamen dicemus, si in<lb/><hi rendition="#i">materia et qualitate</hi> ambo er-<lb/> rarent?”</hi> Man hat hier in dem<lb/> zweyten Ausdruck eine müßige<lb/> Wiederholung des erſten finden,<lb/> alſo die gleiche Bedeutung beider<lb/> Worte daraus beweiſen wollen;<lb/> allein es folgen nun in der That<lb/> zwey Beyſpiele, in dem einen<lb/> wird über den Stoff geirrt (<hi rendition="#aq">ma-<lb/> teria</hi>), in dem andern blos über<lb/> die Güte (<hi rendition="#aq">qualitas</hi>), und beide<lb/> Fälle werden auf entgegengeſetzte<lb/> Weiſe entſchieden.</note>. Das logiſche Verhältniß des<lb/><hi rendition="#aq">quamivs</hi> und <hi rendition="#aq">tamen</hi> beweißt für keine von beiden denkba-<lb/> ren Erklärungen. Denn nach unſrer Erklärung kann es<lb/> heißen: „Obgleich der Vertrag gültig iſt, ſo folgt daraus<lb/> doch nicht, daß ſich der Käufer mit den bloßen Tiſchen,<lb/> ohne Geldentſchädigung, begnügen müſſe“ <note place="foot" n="(v)">Cujacius findet es lächer-<lb/> lich, daß der Juriſt ſagen ſollte:<lb/> „Obgleich der Vertrag gültig iſt,<lb/> kann dennoch der Käufer klagen.“<lb/> (<hi rendition="#aq">Comm. ad L. 22 de V. O.,<lb/> opp. T.</hi> 1). Allein wenn man<lb/> den Nachſatz nicht auf das Da-<lb/> ſeyn eines Klagrechts überhaupt,<lb/> ſondern auf deſſen Gegenſtand<lb/> und Umfang bezieht, ſo verſchwin-<lb/> det die ſcheinbare Lächerlichkeit.</note>. Nach der<lb/> entgegengeſetzten aber würde es, logiſch eben ſo befriedi-<lb/> gend, heißen: „Obgleich der Vertrag als ſolcher nicht gilt<lb/> und wirkt, ſo iſt doch der Verkäufer (aus anderen Grün-<lb/> den, alſo neben dem Vertrag) verpflichtet.“ <hi rendition="#aq">Deceptum</hi><lb/> heißt hier, wie in vielen Stellen, nicht betrogen, ſondern<lb/> irrend, getäuſcht durch ſich ſelbſt, oder durch des Gegners<lb/> Verſicherung, nicht gerade durch deſſen Betrug. — Nun<lb/> iſt der Hauptſatz dieſer: der Vertrag iſt zwar gültig, den-<lb/> noch iſt der Verkäufer durch die in der Tradition liegende<lb/> ſcheinbare Erfüllung nicht frey; vielmehr muß er Entſchä-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [288/0300]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
allen ſicheren Stellen qualitas nur auf die mehr oder we-
niger gute Beſchaffenheit geht, von welcher nie ein weſent-
licher Irrthum abhängt (u). Das logiſche Verhältniß des
quamivs und tamen beweißt für keine von beiden denkba-
ren Erklärungen. Denn nach unſrer Erklärung kann es
heißen: „Obgleich der Vertrag gültig iſt, ſo folgt daraus
doch nicht, daß ſich der Käufer mit den bloßen Tiſchen,
ohne Geldentſchädigung, begnügen müſſe“ (v). Nach der
entgegengeſetzten aber würde es, logiſch eben ſo befriedi-
gend, heißen: „Obgleich der Vertrag als ſolcher nicht gilt
und wirkt, ſo iſt doch der Verkäufer (aus anderen Grün-
den, alſo neben dem Vertrag) verpflichtet.“ Deceptum
heißt hier, wie in vielen Stellen, nicht betrogen, ſondern
irrend, getäuſcht durch ſich ſelbſt, oder durch des Gegners
Verſicherung, nicht gerade durch deſſen Betrug. — Nun
iſt der Hauptſatz dieſer: der Vertrag iſt zwar gültig, den-
noch iſt der Verkäufer durch die in der Tradition liegende
ſcheinbare Erfüllung nicht frey; vielmehr muß er Entſchä-
(u) L. 14 de contr. emt. (18. 1.)
„Quid tamen dicemus, si in
materia et qualitate ambo er-
rarent?” Man hat hier in dem
zweyten Ausdruck eine müßige
Wiederholung des erſten finden,
alſo die gleiche Bedeutung beider
Worte daraus beweiſen wollen;
allein es folgen nun in der That
zwey Beyſpiele, in dem einen
wird über den Stoff geirrt (ma-
teria), in dem andern blos über
die Güte (qualitas), und beide
Fälle werden auf entgegengeſetzte
Weiſe entſchieden.
(v) Cujacius findet es lächer-
lich, daß der Juriſt ſagen ſollte:
„Obgleich der Vertrag gültig iſt,
kann dennoch der Käufer klagen.“
(Comm. ad L. 22 de V. O.,
opp. T. 1). Allein wenn man
den Nachſatz nicht auf das Da-
ſeyn eines Klagrechts überhaupt,
ſondern auf deſſen Gegenſtand
und Umfang bezieht, ſo verſchwin-
det die ſcheinbare Lächerlichkeit.
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