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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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§. 134. Erklärung ohne Willen. Absichtliche.
blos den Prozeß reguliren sollte, und niemals eingeklagt
wurde (f).

Wird ein Rechtsgeschäft durch Drohungen herbeyge-
führt, so ist dasselbe darum nicht minder vorhanden und
an sich wirksam, aber der Bedrohte wird gegen die nach-
theiligen Folgen desselben durch mancherley Anstalten des
positiven Rechts geschützt (§ 114). Ganz anders wenn
die Drohung angewendet wird, nicht um den Willen selbst,
sondern um das bloße Zeichen des Willens hervorzubrin-
gen, z. B. wenn Einer durch Drohungen bestimmt wird,
seinen Namen unter eine Urkunde, die er nicht einmal ge-
lesen hat, zu schreiben (§ 131). Hier ist es einleuchtend,
daß kein Wille vorhanden seyn konnte, da er den Inhalt
der Urkunde nicht kannte: es war also das bloße Zeichen
des Willens vorhanden, welches nicht den Zweck hatte,
den Willen zu erklären, sondern nur das gedrohte Ubel
abzuwenden (g).

Endlich gehört dahin auch der, oft allein erwähnte,
Fall der Simulation. Darunter wird eine gemein-

(f) Gajus IV. § 93. 94.
(g) Die Unterscheidung beider
Fälle im allgemeinen Begriff ist
unzweifelhaft, in der Anwendung
kann es ungewiß seyn, wohin der
einzelne Fall zu rechnen ist, da
die Gränzen in einander laufen.
Erheblich wird der Zweifel nicht
seyn, da die praktische Behand-
lung des gar nicht vorhandenen
und die des erzwungnen Ver-
trags nicht sehr verschieden aus-
fallen kann. -- Gar nicht dahin
gehört der Fall, wenn Einem mit
absoluter Gewalt die Hand zur
Unterschrift geführt wird. Hier
handelt er gar nicht, eben so wie
wenn ein Anderer seine Schrift-
züge nachmacht; es ist also über-
haupt keine von ihm ausgehende
Erklärung vorhanden, deren Wi-
derspruch mit seinem Willen be-
merkt werden könnte.

§. 134. Erklärung ohne Willen. Abſichtliche.
blos den Prozeß reguliren ſollte, und niemals eingeklagt
wurde (f).

Wird ein Rechtsgeſchäft durch Drohungen herbeyge-
führt, ſo iſt daſſelbe darum nicht minder vorhanden und
an ſich wirkſam, aber der Bedrohte wird gegen die nach-
theiligen Folgen deſſelben durch mancherley Anſtalten des
poſitiven Rechts geſchützt (§ 114). Ganz anders wenn
die Drohung angewendet wird, nicht um den Willen ſelbſt,
ſondern um das bloße Zeichen des Willens hervorzubrin-
gen, z. B. wenn Einer durch Drohungen beſtimmt wird,
ſeinen Namen unter eine Urkunde, die er nicht einmal ge-
leſen hat, zu ſchreiben (§ 131). Hier iſt es einleuchtend,
daß kein Wille vorhanden ſeyn konnte, da er den Inhalt
der Urkunde nicht kannte: es war alſo das bloße Zeichen
des Willens vorhanden, welches nicht den Zweck hatte,
den Willen zu erklären, ſondern nur das gedrohte Ubel
abzuwenden (g).

Endlich gehört dahin auch der, oft allein erwähnte,
Fall der Simulation. Darunter wird eine gemein-

(f) Gajus IV. § 93. 94.
(g) Die Unterſcheidung beider
Fälle im allgemeinen Begriff iſt
unzweifelhaft, in der Anwendung
kann es ungewiß ſeyn, wohin der
einzelne Fall zu rechnen iſt, da
die Gränzen in einander laufen.
Erheblich wird der Zweifel nicht
ſeyn, da die praktiſche Behand-
lung des gar nicht vorhandenen
und die des erzwungnen Ver-
trags nicht ſehr verſchieden aus-
fallen kann. — Gar nicht dahin
gehört der Fall, wenn Einem mit
abſoluter Gewalt die Hand zur
Unterſchrift geführt wird. Hier
handelt er gar nicht, eben ſo wie
wenn ein Anderer ſeine Schrift-
züge nachmacht; es iſt alſo über-
haupt keine von ihm ausgehende
Erklärung vorhanden, deren Wi-
derſpruch mit ſeinem Willen be-
merkt werden könnte.
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[261/0273] §. 134. Erklärung ohne Willen. Abſichtliche. blos den Prozeß reguliren ſollte, und niemals eingeklagt wurde (f). Wird ein Rechtsgeſchäft durch Drohungen herbeyge- führt, ſo iſt daſſelbe darum nicht minder vorhanden und an ſich wirkſam, aber der Bedrohte wird gegen die nach- theiligen Folgen deſſelben durch mancherley Anſtalten des poſitiven Rechts geſchützt (§ 114). Ganz anders wenn die Drohung angewendet wird, nicht um den Willen ſelbſt, ſondern um das bloße Zeichen des Willens hervorzubrin- gen, z. B. wenn Einer durch Drohungen beſtimmt wird, ſeinen Namen unter eine Urkunde, die er nicht einmal ge- leſen hat, zu ſchreiben (§ 131). Hier iſt es einleuchtend, daß kein Wille vorhanden ſeyn konnte, da er den Inhalt der Urkunde nicht kannte: es war alſo das bloße Zeichen des Willens vorhanden, welches nicht den Zweck hatte, den Willen zu erklären, ſondern nur das gedrohte Ubel abzuwenden (g). Endlich gehört dahin auch der, oft allein erwähnte, Fall der Simulation. Darunter wird eine gemein- (f) Gajus IV. § 93. 94. (g) Die Unterſcheidung beider Fälle im allgemeinen Begriff iſt unzweifelhaft, in der Anwendung kann es ungewiß ſeyn, wohin der einzelne Fall zu rechnen iſt, da die Gränzen in einander laufen. Erheblich wird der Zweifel nicht ſeyn, da die praktiſche Behand- lung des gar nicht vorhandenen und die des erzwungnen Ver- trags nicht ſehr verſchieden aus- fallen kann. — Gar nicht dahin gehört der Fall, wenn Einem mit abſoluter Gewalt die Hand zur Unterſchrift geführt wird. Hier handelt er gar nicht, eben ſo wie wenn ein Anderer ſeine Schrift- züge nachmacht; es iſt alſo über- haupt keine von ihm ausgehende Erklärung vorhanden, deren Wi- derſpruch mit ſeinem Willen be- merkt werden könnte.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/273>, abgerufen am 18.05.2024.