Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
einer gesetzlichen Begünstigung des letzten Willens (e). In
welchem Sinn diese hier gewissermaßen zugegeben werden
könnte, wird sich weiter unten zeigen; nach dem einfachen
Wortsinn, wie man sie gewöhnlich auffaßt, kann sie nicht
gelten, denn so dürfte sie doch nur gebraucht werden, um
den wahren Willen des Verstorbenen gegen das Hinderniß
gesetzlicher Formen in Schutz zu nehmen; hier aber scheint
Etwas gegen jenen Willen durchgesetzt zu werden.

Eine befriedigende Erklärung ist nur möglich, wenn
wir die oben dargestellte Genealogie der Gedanken gera-
dezu umkehren, indem wir annehmen, es war ursprünglich
die Rede von den unsittlichen Bedingungen, und nachdem
man diese als nicht geschrieben anerkannt hatte, ist die-
selbe Behandlung auf die unmöglichen übertragen worden,
mit denen man, eben zu diesem Zweck, die unsittlichen
identificirte. Gelingt es, diese Herleitung zu rechtfertigen,
so wird dadurch zugleich ein anderer Anstoß beseitigt. Es
läßt sich schwerlich annehmen, daß in Römischen Testa-
menten die absolut unmöglichen Bedingungen oft genug
vorgekommen seyn sollten, um dieser Frage irgend eine
Erheblichkeit zu geben; die alten Juristen stellten vielmehr
Beyspiele derselben auf, nur um den Begriff in aller
Schärfe zur Anschauung zu bringen. Dagegen mögen die
Fälle unsittlicher Bedingungen, die ja in so vielen Gestal-

(e) So z. B. Sell S. 38 fg.,
der nach vielen künstlichen Wen-
dungen endlich doch wieder auf
diesen favor testamentorum zu-
rück kommt.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
einer geſetzlichen Begünſtigung des letzten Willens (e). In
welchem Sinn dieſe hier gewiſſermaßen zugegeben werden
könnte, wird ſich weiter unten zeigen; nach dem einfachen
Wortſinn, wie man ſie gewöhnlich auffaßt, kann ſie nicht
gelten, denn ſo dürfte ſie doch nur gebraucht werden, um
den wahren Willen des Verſtorbenen gegen das Hinderniß
geſetzlicher Formen in Schutz zu nehmen; hier aber ſcheint
Etwas gegen jenen Willen durchgeſetzt zu werden.

Eine befriedigende Erklärung iſt nur möglich, wenn
wir die oben dargeſtellte Genealogie der Gedanken gera-
dezu umkehren, indem wir annehmen, es war urſprünglich
die Rede von den unſittlichen Bedingungen, und nachdem
man dieſe als nicht geſchrieben anerkannt hatte, iſt die-
ſelbe Behandlung auf die unmöglichen übertragen worden,
mit denen man, eben zu dieſem Zweck, die unſittlichen
identificirte. Gelingt es, dieſe Herleitung zu rechtfertigen,
ſo wird dadurch zugleich ein anderer Anſtoß beſeitigt. Es
läßt ſich ſchwerlich annehmen, daß in Römiſchen Teſta-
menten die abſolut unmöglichen Bedingungen oft genug
vorgekommen ſeyn ſollten, um dieſer Frage irgend eine
Erheblichkeit zu geben; die alten Juriſten ſtellten vielmehr
Beyſpiele derſelben auf, nur um den Begriff in aller
Schärfe zur Anſchauung zu bringen. Dagegen mögen die
Fälle unſittlicher Bedingungen, die ja in ſo vielen Geſtal-

(e) So z. B. Sell S. 38 fg.,
der nach vielen künſtlichen Wen-
dungen endlich doch wieder auf
dieſen favor testamentorum zu-
rück kommt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0208" n="196"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Ent&#x017F;tehung und Untergang.</fw><lb/>
einer ge&#x017F;etzlichen Begün&#x017F;tigung des letzten Willens <note place="foot" n="(e)">So z. B. <hi rendition="#g">Sell</hi> S. 38 fg.,<lb/>
der nach vielen kün&#x017F;tlichen Wen-<lb/>
dungen endlich doch wieder auf<lb/>
die&#x017F;en <hi rendition="#aq">favor testamentorum</hi> zu-<lb/>
rück kommt.</note>. In<lb/>
welchem Sinn die&#x017F;e hier gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen zugegeben werden<lb/>
könnte, wird &#x017F;ich weiter unten zeigen; nach dem einfachen<lb/>
Wort&#x017F;inn, wie man &#x017F;ie gewöhnlich auffaßt, kann &#x017F;ie nicht<lb/>
gelten, denn &#x017F;o dürfte &#x017F;ie doch nur gebraucht werden, um<lb/>
den wahren Willen des Ver&#x017F;torbenen gegen das Hinderniß<lb/>
ge&#x017F;etzlicher Formen in Schutz zu nehmen; hier aber &#x017F;cheint<lb/>
Etwas gegen jenen Willen durchge&#x017F;etzt zu werden.</p><lb/>
            <p>Eine befriedigende Erklärung i&#x017F;t nur möglich, wenn<lb/>
wir die oben darge&#x017F;tellte Genealogie der Gedanken gera-<lb/>
dezu umkehren, indem wir annehmen, es war ur&#x017F;prünglich<lb/>
die Rede von den un&#x017F;ittlichen Bedingungen, und nachdem<lb/>
man die&#x017F;e als nicht ge&#x017F;chrieben anerkannt hatte, i&#x017F;t die-<lb/>
&#x017F;elbe Behandlung auf die unmöglichen übertragen worden,<lb/>
mit denen man, eben zu die&#x017F;em Zweck, die un&#x017F;ittlichen<lb/>
identificirte. Gelingt es, die&#x017F;e Herleitung zu rechtfertigen,<lb/>
&#x017F;o wird dadurch zugleich ein anderer An&#x017F;toß be&#x017F;eitigt. Es<lb/>
läßt &#x017F;ich &#x017F;chwerlich annehmen, daß in Römi&#x017F;chen Te&#x017F;ta-<lb/>
menten die ab&#x017F;olut unmöglichen Bedingungen oft genug<lb/>
vorgekommen &#x017F;eyn &#x017F;ollten, um die&#x017F;er Frage irgend eine<lb/>
Erheblichkeit zu geben; die alten Juri&#x017F;ten &#x017F;tellten vielmehr<lb/>
Bey&#x017F;piele der&#x017F;elben auf, nur um den Begriff in aller<lb/>
Schärfe zur An&#x017F;chauung zu bringen. Dagegen mögen die<lb/>
Fälle un&#x017F;ittlicher Bedingungen, die ja in &#x017F;o vielen Ge&#x017F;tal-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0208] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. einer geſetzlichen Begünſtigung des letzten Willens (e). In welchem Sinn dieſe hier gewiſſermaßen zugegeben werden könnte, wird ſich weiter unten zeigen; nach dem einfachen Wortſinn, wie man ſie gewöhnlich auffaßt, kann ſie nicht gelten, denn ſo dürfte ſie doch nur gebraucht werden, um den wahren Willen des Verſtorbenen gegen das Hinderniß geſetzlicher Formen in Schutz zu nehmen; hier aber ſcheint Etwas gegen jenen Willen durchgeſetzt zu werden. Eine befriedigende Erklärung iſt nur möglich, wenn wir die oben dargeſtellte Genealogie der Gedanken gera- dezu umkehren, indem wir annehmen, es war urſprünglich die Rede von den unſittlichen Bedingungen, und nachdem man dieſe als nicht geſchrieben anerkannt hatte, iſt die- ſelbe Behandlung auf die unmöglichen übertragen worden, mit denen man, eben zu dieſem Zweck, die unſittlichen identificirte. Gelingt es, dieſe Herleitung zu rechtfertigen, ſo wird dadurch zugleich ein anderer Anſtoß beſeitigt. Es läßt ſich ſchwerlich annehmen, daß in Römiſchen Teſta- menten die abſolut unmöglichen Bedingungen oft genug vorgekommen ſeyn ſollten, um dieſer Frage irgend eine Erheblichkeit zu geben; die alten Juriſten ſtellten vielmehr Beyſpiele derſelben auf, nur um den Begriff in aller Schärfe zur Anſchauung zu bringen. Dagegen mögen die Fälle unſittlicher Bedingungen, die ja in ſo vielen Geſtal- (e) So z. B. Sell S. 38 fg., der nach vielen künſtlichen Wen- dungen endlich doch wieder auf dieſen favor testamentorum zu- rück kommt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/208
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/208>, abgerufen am 06.05.2024.