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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
-- Justinian hat diese Wirkung der capitis deminutio
nicht im Allgemeinen, namentlich nicht bey der Arroga-
tion, aufgehoben; nur für die Emancipation hat er ver-
ordnet, daß die Agnation durch sie nicht zerstört seyn
sollte (m). Allein durch seine spätere Gesetzgebung ist frey-
lich der Agnation jede wichtige Einwirkung so sehr entzo-
gen worden, daß diese ganze Frage fast alles praktische
Interesse verloren hat.

Die Gentilität wurde gleichfalls aufgehoben, das
heißt jede minima c. d. zerstörte nothwendig das Verhält-
niß zwischen dem deminutus und seinen bisherigen Gen-
tilen (n).

Das Patronat gieng unter, sowohl durch die capi-
tis deminutio
des Patrons, als durch die des Freygelas-

(m) L. 13 § 1 C. de leg. her.
(6. 58.). Bey dem Tod des Eman-
cipirten solle dessen hereditas an
die Geschwister (als Agnaten),
nicht an den Vater (als Patron)
fallen.
(n) Cicero top. § 6. "Genti-
les sunt qui inter se eodem
nomine sunt ... Qui capite non
sunt deminuti
"
Zunächst dachte
wohl Cicero nur an den Eman-
cip rten, und er wollte warnen,
man möge sich nicht durch das
unveränderte nomen verleiten las-
sen zu glauben, als wäre Jener
in seiner angebornen Gens ge-
blieben. Daß der Adoptirte und
der Arrogirte nicht in der ange-
bornen Gens blieben, war schon
durch das aufgegebene nomen un-
zweifelhaft, aber sollten sie nicht
in die des neuen Vaters (so wie
ganz sicher in dessen Agnation)
eingetreten seyn, dessen nomen
sie doch annahmen? Nach Cice-
ro's Worten müßte man es ver-
neinen, da sie doch gewiß eine
capitis deminutio erlitten hat-
ten; bey dem Adoptirten könnte
man noch etwa glauben, die vor-
übergehende mancipii causa habe
ihn zeitlebens unfähig gemacht,
in den reinen und hohen Verhält-
nissen irgend einer Gens zu ste-
hen; aber bey dem Arrogirten
würde doch selbst dieser Zweifels-
grund wegfallen, und das Na-
türlichste ist wohl anzunehmen,
Cicero habe nur allein an die
Emancipation gedacht.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
— Juſtinian hat dieſe Wirkung der capitis deminutio
nicht im Allgemeinen, namentlich nicht bey der Arroga-
tion, aufgehoben; nur für die Emancipation hat er ver-
ordnet, daß die Agnation durch ſie nicht zerſtört ſeyn
ſollte (m). Allein durch ſeine ſpätere Geſetzgebung iſt frey-
lich der Agnation jede wichtige Einwirkung ſo ſehr entzo-
gen worden, daß dieſe ganze Frage faſt alles praktiſche
Intereſſe verloren hat.

Die Gentilität wurde gleichfalls aufgehoben, das
heißt jede minima c. d. zerſtörte nothwendig das Verhält-
niß zwiſchen dem deminutus und ſeinen bisherigen Gen-
tilen (n).

Das Patronat gieng unter, ſowohl durch die capi-
tis deminutio
des Patrons, als durch die des Freygelaſ-

(m) L. 13 § 1 C. de leg. her.
(6. 58.). Bey dem Tod des Eman-
cipirten ſolle deſſen hereditas an
die Geſchwiſter (als Agnaten),
nicht an den Vater (als Patron)
fallen.
(n) Cicero top. § 6. „Genti-
les sunt qui inter se eodem
nomine sunt … Qui capite non
sunt deminuti
Zunächſt dachte
wohl Cicero nur an den Eman-
cip rten, und er wollte warnen,
man möge ſich nicht durch das
unveränderte nomen verleiten laſ-
ſen zu glauben, als wäre Jener
in ſeiner angebornen Gens ge-
blieben. Daß der Adoptirte und
der Arrogirte nicht in der ange-
bornen Gens blieben, war ſchon
durch das aufgegebene nomen un-
zweifelhaft, aber ſollten ſie nicht
in die des neuen Vaters (ſo wie
ganz ſicher in deſſen Agnation)
eingetreten ſeyn, deſſen nomen
ſie doch annahmen? Nach Cice-
ro’s Worten müßte man es ver-
neinen, da ſie doch gewiß eine
capitis deminutio erlitten hat-
ten; bey dem Adoptirten könnte
man noch etwa glauben, die vor-
übergehende mancipii causa habe
ihn zeitlebens unfähig gemacht,
in den reinen und hohen Verhält-
niſſen irgend einer Gens zu ſte-
hen; aber bey dem Arrogirten
würde doch ſelbſt dieſer Zweifels-
grund wegfallen, und das Na-
türlichſte iſt wohl anzunehmen,
Cicero habe nur allein an die
Emancipation gedacht.
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[76/0090] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. — Juſtinian hat dieſe Wirkung der capitis deminutio nicht im Allgemeinen, namentlich nicht bey der Arroga- tion, aufgehoben; nur für die Emancipation hat er ver- ordnet, daß die Agnation durch ſie nicht zerſtört ſeyn ſollte (m). Allein durch ſeine ſpätere Geſetzgebung iſt frey- lich der Agnation jede wichtige Einwirkung ſo ſehr entzo- gen worden, daß dieſe ganze Frage faſt alles praktiſche Intereſſe verloren hat. Die Gentilität wurde gleichfalls aufgehoben, das heißt jede minima c. d. zerſtörte nothwendig das Verhält- niß zwiſchen dem deminutus und ſeinen bisherigen Gen- tilen (n). Das Patronat gieng unter, ſowohl durch die capi- tis deminutio des Patrons, als durch die des Freygelaſ- (m) L. 13 § 1 C. de leg. her. (6. 58.). Bey dem Tod des Eman- cipirten ſolle deſſen hereditas an die Geſchwiſter (als Agnaten), nicht an den Vater (als Patron) fallen. (n) Cicero top. § 6. „Genti- les sunt qui inter se eodem nomine sunt … Qui capite non sunt deminuti” Zunächſt dachte wohl Cicero nur an den Eman- cip rten, und er wollte warnen, man möge ſich nicht durch das unveränderte nomen verleiten laſ- ſen zu glauben, als wäre Jener in ſeiner angebornen Gens ge- blieben. Daß der Adoptirte und der Arrogirte nicht in der ange- bornen Gens blieben, war ſchon durch das aufgegebene nomen un- zweifelhaft, aber ſollten ſie nicht in die des neuen Vaters (ſo wie ganz ſicher in deſſen Agnation) eingetreten ſeyn, deſſen nomen ſie doch annahmen? Nach Cice- ro’s Worten müßte man es ver- neinen, da ſie doch gewiß eine capitis deminutio erlitten hat- ten; bey dem Adoptirten könnte man noch etwa glauben, die vor- übergehende mancipii causa habe ihn zeitlebens unfähig gemacht, in den reinen und hohen Verhält- niſſen irgend einer Gens zu ſte- hen; aber bey dem Arrogirten würde doch ſelbſt dieſer Zweifels- grund wegfallen, und das Na- türlichſte iſt wohl anzunehmen, Cicero habe nur allein an die Emancipation gedacht.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/90>, abgerufen am 03.05.2024.