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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Beylage VII.
kommen: dieser Zusatz aber ist irrig, und der Tod war
vielmehr erst vor einem Vierteljahr erfolgt. Wenn jetzt
die Wittwe auf der Stelle eine zweyte Ehe schließt, so
kann sie und den Vater kein Vorwurf treffen, weil ihnen
die noch nicht abgelaufene Trauerzeit unbekannt war: was
sie thaten, war, unter Voraussetzung der von ihnen ge-
glaubten Thatsachen, ganz erlaubt (b).

Diese Erklärung drängt sich nur darum nicht auf den
ersten Blick als richtig auf, weil es dabey nöthig ist, die
Worte mortuum esse intra id tempus auf den rückwärts
liegenden Zeitraum zu beziehen, was jedoch sowohl mit
dem Gedanken, als mit den Worten, völlig vereinbar ist.
Übrigens ist dieselbe schon längst auf ganz befriedigende
Weise dargestellt worden (c).


(b) L. 8 de his qui not. (3. 2.)
"sed cum tempus luctus con-
tinuum est, merito et ignoranti
cedit ex die mortis mariti: et
ideo si post legitimum tempus
cognovit, Labeo ait, ipsa die
et sumere eam lugubria et de-
ponere."
Was hier zunächst von
der eigentlichen Trauer gesagt ist,
gilt eben so auch von der Zeit,
worin eine neue Ehe unterblei-
ben muß: ja in dieser Beziehung
allein wird es von Ulpian ange-
führt. -- Für diese ganze Erklä-
rung ist es freylich nöthig, in der
eben angeführten commentiren-
den Stelle die Worte cum eum
mortuum esse sciret
so aufzu-
fassen, als ob die folgenden Worte
intra id tempus ... moris est
noch dahinter gesetzt wären (gleich
als wenn hinter sciret ein etce-
tera
stände), sonst ist der Unsinn
unvermeidlich, daß der Vater ta-
dellos seyn sollte, wenn er zur
Zeit der zweyten Ehe den ersten
Schwiegersohn noch am Leben
glaubte.
(c) Rücker Observ. C. 1 hin-
ter dessen Diss. de civ. et nat.
temp. comput. C. 1. Lugd. Bat.

1749. -- Auch Wenck l. c. p.
XXXIV -- XXXVI
hat diesen
Punkt richtig aufgefaßt.

Beylage VII.
kommen: dieſer Zuſatz aber iſt irrig, und der Tod war
vielmehr erſt vor einem Vierteljahr erfolgt. Wenn jetzt
die Wittwe auf der Stelle eine zweyte Ehe ſchließt, ſo
kann ſie und den Vater kein Vorwurf treffen, weil ihnen
die noch nicht abgelaufene Trauerzeit unbekannt war: was
ſie thaten, war, unter Vorausſetzung der von ihnen ge-
glaubten Thatſachen, ganz erlaubt (b).

Dieſe Erklärung drängt ſich nur darum nicht auf den
erſten Blick als richtig auf, weil es dabey nöthig iſt, die
Worte mortuum esse intra id tempus auf den rückwärts
liegenden Zeitraum zu beziehen, was jedoch ſowohl mit
dem Gedanken, als mit den Worten, völlig vereinbar iſt.
Übrigens iſt dieſelbe ſchon längſt auf ganz befriedigende
Weiſe dargeſtellt worden (c).


(b) L. 8 de his qui not. (3. 2.)
„sed cum tempus luctus con-
tinuum est, merito et ignoranti
cedit ex die mortis mariti: et
ideo si post legitimum tempus
cognovit, Labeo ait, ipsa die
et sumere eam lugubria et de-
ponere.”
Was hier zunächſt von
der eigentlichen Trauer geſagt iſt,
gilt eben ſo auch von der Zeit,
worin eine neue Ehe unterblei-
ben muß: ja in dieſer Beziehung
allein wird es von Ulpian ange-
führt. — Für dieſe ganze Erklä-
rung iſt es freylich nöthig, in der
eben angeführten commentiren-
den Stelle die Worte cum eum
mortuum esse sciret
ſo aufzu-
faſſen, als ob die folgenden Worte
intra id tempus … moris est
noch dahinter geſetzt wären (gleich
als wenn hinter sciret ein etce-
tera
ſtände), ſonſt iſt der Unſinn
unvermeidlich, daß der Vater ta-
dellos ſeyn ſollte, wenn er zur
Zeit der zweyten Ehe den erſten
Schwiegerſohn noch am Leben
glaubte.
(c) Rücker Observ. C. 1 hin-
ter deſſen Diss. de civ. et nat.
temp. comput. C. 1. Lugd. Bat.

1749. — Auch Wenck l. c. p.
XXXIV — XXXVI
hat dieſen
Punkt richtig aufgefaßt.
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[550/0564] Beylage VII. kommen: dieſer Zuſatz aber iſt irrig, und der Tod war vielmehr erſt vor einem Vierteljahr erfolgt. Wenn jetzt die Wittwe auf der Stelle eine zweyte Ehe ſchließt, ſo kann ſie und den Vater kein Vorwurf treffen, weil ihnen die noch nicht abgelaufene Trauerzeit unbekannt war: was ſie thaten, war, unter Vorausſetzung der von ihnen ge- glaubten Thatſachen, ganz erlaubt (b). Dieſe Erklärung drängt ſich nur darum nicht auf den erſten Blick als richtig auf, weil es dabey nöthig iſt, die Worte mortuum esse intra id tempus auf den rückwärts liegenden Zeitraum zu beziehen, was jedoch ſowohl mit dem Gedanken, als mit den Worten, völlig vereinbar iſt. Übrigens iſt dieſelbe ſchon längſt auf ganz befriedigende Weiſe dargeſtellt worden (c). (b) L. 8 de his qui not. (3. 2.) „sed cum tempus luctus con- tinuum est, merito et ignoranti cedit ex die mortis mariti: et ideo si post legitimum tempus cognovit, Labeo ait, ipsa die et sumere eam lugubria et de- ponere.” Was hier zunächſt von der eigentlichen Trauer geſagt iſt, gilt eben ſo auch von der Zeit, worin eine neue Ehe unterblei- ben muß: ja in dieſer Beziehung allein wird es von Ulpian ange- führt. — Für dieſe ganze Erklä- rung iſt es freylich nöthig, in der eben angeführten commentiren- den Stelle die Worte cum eum mortuum esse sciret ſo aufzu- faſſen, als ob die folgenden Worte intra id tempus … moris est noch dahinter geſetzt wären (gleich als wenn hinter sciret ein etce- tera ſtände), ſonſt iſt der Unſinn unvermeidlich, daß der Vater ta- dellos ſeyn ſollte, wenn er zur Zeit der zweyten Ehe den erſten Schwiegerſohn noch am Leben glaubte. (c) Rücker Observ. C. 1 hin- ter deſſen Diss. de civ. et nat. temp. comput. C. 1. Lugd. Bat. 1749. — Auch Wenck l. c. p. XXXIV — XXXVI hat dieſen Punkt richtig aufgefaßt.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/564>, abgerufen am 27.11.2024.