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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Beylage VII.

Das allgemeine Verbot, welches für die Freygebornen
überhaupt, und in manchen Fällen auch für die Senato-
ren, stets nur gewisse Nachtheile im Vermögen bezweckte,
wurde durch mehrere Kaisergesetze beseitigt, welche die
Strafen des Cölibats und der Orbität allgemein aufho-
ben (a); denn durch diese Aufhebung verlor jenes allge-
meine Verbot alle praktische Bedeutung.

Das specielle Verbot, welches seit Marc Aurel die
Nichtigkeit der Ehen zwischen Senatoren und Freygelasse-
nen oder Schauspielern u. s. w. bewirkt hatte, dauerte
fort bis auf Justinian. Dieser entkräftete dasselbe stu-
fenweise.

Zuerst verordnete er, die Ehe zwischen einem Freyge-
bornen und einer Freygelassenen solle nicht dadurch un-
gültig werden, daß der Freygeborne späterhin die sena-
torische Würde erlange (b).

Dann erlaubte er den Senatoren die Ehe mit Schau-
spielerinnen, wenn nur diese ihrem bisherigen Gewerbe
entsagen würden (c).


(a) Tit. de infirmandis poenis
coelibatus etc.,
im Theodosischen
Codex VIII. 16, im Justiniani-
schen VIII. 58.
(b) L. 28 C. de nupt. (5. 4.).
Nach den Worten dieser Stelle
könnte man glauben, die L. Papia
selbst habe schon die Nichtigkeit
ausgesprochen; es ist aber blos
ein ungenauer Ausdruck, der un-
ter dem Namen der L. Papia zu-
gleich die späteren Zusätze zu die-
sem Gesetz befaßt.
(c) L. 29 C. de nupt. (5. 4.).
Dieses war der L. Julia so sehr
entgegen, daß dieselbe das Ver-
bot sogar auf die Kinder der
Schauspieler ausdehnte, also auch
wenn diese Kinder nicht selbst
Schauspieler waren. Justinians
Neuerung wurde unmittelbar ver-
anlaßt durch den früheren Lebens-
lauf der regierenden Kaiserin
Theodora.
Beylage VII.

Das allgemeine Verbot, welches für die Freygebornen
überhaupt, und in manchen Fällen auch für die Senato-
ren, ſtets nur gewiſſe Nachtheile im Vermögen bezweckte,
wurde durch mehrere Kaiſergeſetze beſeitigt, welche die
Strafen des Cölibats und der Orbität allgemein aufho-
ben (a); denn durch dieſe Aufhebung verlor jenes allge-
meine Verbot alle praktiſche Bedeutung.

Das ſpecielle Verbot, welches ſeit Marc Aurel die
Nichtigkeit der Ehen zwiſchen Senatoren und Freygelaſſe-
nen oder Schauſpielern u. ſ. w. bewirkt hatte, dauerte
fort bis auf Juſtinian. Dieſer entkräftete daſſelbe ſtu-
fenweiſe.

Zuerſt verordnete er, die Ehe zwiſchen einem Freyge-
bornen und einer Freygelaſſenen ſolle nicht dadurch un-
gültig werden, daß der Freygeborne ſpäterhin die ſena-
toriſche Würde erlange (b).

Dann erlaubte er den Senatoren die Ehe mit Schau-
ſpielerinnen, wenn nur dieſe ihrem bisherigen Gewerbe
entſagen würden (c).


(a) Tit. de infirmandis poenis
coelibatus etc.,
im Theodoſiſchen
Codex VIII. 16, im Juſtiniani-
ſchen VIII. 58.
(b) L. 28 C. de nupt. (5. 4.).
Nach den Worten dieſer Stelle
könnte man glauben, die L. Papia
ſelbſt habe ſchon die Nichtigkeit
ausgeſprochen; es iſt aber blos
ein ungenauer Ausdruck, der un-
ter dem Namen der L. Papia zu-
gleich die ſpäteren Zuſätze zu die-
ſem Geſetz befaßt.
(c) L. 29 C. de nupt. (5. 4.).
Dieſes war der L. Julia ſo ſehr
entgegen, daß dieſelbe das Ver-
bot ſogar auf die Kinder der
Schauſpieler ausdehnte, alſo auch
wenn dieſe Kinder nicht ſelbſt
Schauſpieler waren. Juſtinians
Neuerung wurde unmittelbar ver-
anlaßt durch den früheren Lebens-
lauf der regierenden Kaiſerin
Theodora.
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[530/0544] Beylage VII. Das allgemeine Verbot, welches für die Freygebornen überhaupt, und in manchen Fällen auch für die Senato- ren, ſtets nur gewiſſe Nachtheile im Vermögen bezweckte, wurde durch mehrere Kaiſergeſetze beſeitigt, welche die Strafen des Cölibats und der Orbität allgemein aufho- ben (a); denn durch dieſe Aufhebung verlor jenes allge- meine Verbot alle praktiſche Bedeutung. Das ſpecielle Verbot, welches ſeit Marc Aurel die Nichtigkeit der Ehen zwiſchen Senatoren und Freygelaſſe- nen oder Schauſpielern u. ſ. w. bewirkt hatte, dauerte fort bis auf Juſtinian. Dieſer entkräftete daſſelbe ſtu- fenweiſe. Zuerſt verordnete er, die Ehe zwiſchen einem Freyge- bornen und einer Freygelaſſenen ſolle nicht dadurch un- gültig werden, daß der Freygeborne ſpäterhin die ſena- toriſche Würde erlange (b). Dann erlaubte er den Senatoren die Ehe mit Schau- ſpielerinnen, wenn nur dieſe ihrem bisherigen Gewerbe entſagen würden (c). (a) Tit. de infirmandis poenis coelibatus etc., im Theodoſiſchen Codex VIII. 16, im Juſtiniani- ſchen VIII. 58. (b) L. 28 C. de nupt. (5. 4.). Nach den Worten dieſer Stelle könnte man glauben, die L. Papia ſelbſt habe ſchon die Nichtigkeit ausgeſprochen; es iſt aber blos ein ungenauer Ausdruck, der un- ter dem Namen der L. Papia zu- gleich die ſpäteren Zuſätze zu die- ſem Geſetz befaßt. (c) L. 29 C. de nupt. (5. 4.). Dieſes war der L. Julia ſo ſehr entgegen, daß dieſelbe das Ver- bot ſogar auf die Kinder der Schauſpieler ausdehnte, alſo auch wenn dieſe Kinder nicht ſelbſt Schauſpieler waren. Juſtinians Neuerung wurde unmittelbar ver- anlaßt durch den früheren Lebens- lauf der regierenden Kaiſerin Theodora.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/544>, abgerufen am 22.11.2024.