Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.Beylage VII. bey entstand die Streitfrage, ob dieser Ausdruck nach demalten jus civile zu verstehen sey, oder nach den enger ein- schränkenden Bestimmungen der L. Julia. Ein alter Jurist entscheidet für die erste, also die mildere Meynung (c); in dieser Entscheidung liegt die ausdrückliche Anerkennung, daß die L. Julia blos eine relative Unwirksamkeit der Ehe, in Beziehung auf einzelne, genau bestimmte Zwecke zur Ab- sicht hatte, nicht die allgemeine Nichtigkeit der Ehe, un- ter deren Voraussetzung diese Kinder ja gar nicht Kinder ihres angeblichen Vaters gewesen wären (d). Wenn daher die L. Julia für gewisse Fälle die Nich- (c) Fragm. Vaticana § 168. "Quidam tamen justos secun- dum has leges putant dici .... Sed justorum mentio ita acci- pienda est, uti secundum jus ci- vile quaesiti sint." -- Daß die entgegengesetzte Meynung gleich- falls Vertheidiger hatte, sagt hier der Jurist ausdrücklich. In einem andern ähnlichen Fall hatte die strengere Meynung das Überge- wicht. Ein Freygelassener näm- lich sollte durch zwey lebende Kin- der frey von Lasten und Diensten gegen den Patron werden. Da- bey aber heißt es: ex lege autem nati liberi prosunt. (L. 37 § 7 de operis libert. 38. 1.) Die lex ist natürlich die L. Julia, denn aus dieser stammte die ganze Be- günstigung der Freygelassenen her. (d) § 12 J. de nupt. (1. 10.).
"Si adversus ea, quae diximus, aliqui coierint: nec vir, nec uxor, nec nuptiae, nec matri- monium, nec dos intelligitur. Itaque ii, qui ex eo coitu na- scuntur, .... tales sunt .. qua- les sunt ii, quos vulgo mater concepit: nam nec hi patrem habere intelliguntur, cum his etiam pater est incertus." Beylage VII. bey entſtand die Streitfrage, ob dieſer Ausdruck nach demalten jus civile zu verſtehen ſey, oder nach den enger ein- ſchränkenden Beſtimmungen der L. Julia. Ein alter Juriſt entſcheidet für die erſte, alſo die mildere Meynung (c); in dieſer Entſcheidung liegt die ausdrückliche Anerkennung, daß die L. Julia blos eine relative Unwirkſamkeit der Ehe, in Beziehung auf einzelne, genau beſtimmte Zwecke zur Ab- ſicht hatte, nicht die allgemeine Nichtigkeit der Ehe, un- ter deren Vorausſetzung dieſe Kinder ja gar nicht Kinder ihres angeblichen Vaters geweſen wären (d). Wenn daher die L. Julia für gewiſſe Fälle die Nich- (c) Fragm. Vaticana § 168. „Quidam tamen justos secun- dum has leges putant dici .... Sed justorum mentio ita acci- pienda est, uti secundum jus ci- vile quaesiti sint.” — Daß die entgegengeſetzte Meynung gleich- falls Vertheidiger hatte, ſagt hier der Juriſt ausdrücklich. In einem andern ähnlichen Fall hatte die ſtrengere Meynung das Überge- wicht. Ein Freygelaſſener näm- lich ſollte durch zwey lebende Kin- der frey von Laſten und Dienſten gegen den Patron werden. Da- bey aber heißt es: ex lege autem nati liberi prosunt. (L. 37 § 7 de operis libert. 38. 1.) Die lex iſt natürlich die L. Julia, denn aus dieſer ſtammte die ganze Be- günſtigung der Freygelaſſenen her. (d) § 12 J. de nupt. (1. 10.).
„Si adversus ea, quae diximus, aliqui coierint: nec vir, nec uxor, nec nuptiae, nec matri- monium, nec dos intelligitur. Itaque ii, qui ex eo coitu na- scuntur, .... tales sunt .. qua- les sunt ii, quos vulgo mater concepit: nam nec hi patrem habere intelliguntur, cum his etiam pater est incertus.” <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0538" n="524"/><fw place="top" type="header">Beylage <hi rendition="#aq">VII.</hi></fw><lb/> bey entſtand die Streitfrage, ob dieſer Ausdruck nach dem<lb/> alten <hi rendition="#aq">jus civile</hi> zu verſtehen ſey, oder nach den enger ein-<lb/> ſchränkenden Beſtimmungen der <hi rendition="#aq">L. Julia.</hi> Ein alter Juriſt<lb/> entſcheidet für die erſte, alſo die mildere Meynung <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Fragm. Vaticana</hi> § 168.<lb/> „Quidam tamen justos <hi rendition="#i">secun-<lb/> dum has leges</hi> putant dici ....<lb/> Sed justorum mentio ita acci-<lb/> pienda est, <hi rendition="#i">uti secundum jus ci-<lb/> vile quaesiti</hi> sint.”</hi> — Daß die<lb/> entgegengeſetzte Meynung gleich-<lb/> falls Vertheidiger hatte, ſagt hier<lb/> der Juriſt ausdrücklich. In einem<lb/> andern ähnlichen Fall hatte die<lb/> ſtrengere Meynung das Überge-<lb/> wicht. Ein Freygelaſſener näm-<lb/> lich ſollte durch zwey lebende Kin-<lb/> der frey von Laſten und Dienſten<lb/> gegen den Patron werden. Da-<lb/> bey aber heißt es: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ex lege</hi> autem<lb/> nati liberi prosunt. (<hi rendition="#i">L.</hi> 37 § 7<lb/><hi rendition="#i">de operis libert.</hi> 38. 1.)</hi> Die <hi rendition="#aq">lex</hi><lb/> iſt natürlich die <hi rendition="#aq">L. Julia,</hi> denn<lb/> aus dieſer ſtammte die ganze Be-<lb/> günſtigung der Freygelaſſenen her.</note>; in<lb/> dieſer Entſcheidung liegt die ausdrückliche Anerkennung, daß<lb/> die <hi rendition="#aq">L. Julia</hi> blos eine relative Unwirkſamkeit der Ehe, in<lb/> Beziehung auf einzelne, genau beſtimmte Zwecke zur Ab-<lb/> ſicht hatte, nicht die allgemeine Nichtigkeit der Ehe, un-<lb/> ter deren Vorausſetzung dieſe Kinder ja gar nicht Kinder<lb/> ihres angeblichen Vaters geweſen wären <note place="foot" n="(d)">§ 12 <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">J. de nupt.</hi> (1. 10.).<lb/> „Si adversus ea, quae diximus,<lb/> aliqui coierint: nec vir, nec<lb/> uxor, nec nuptiae, nec matri-<lb/> monium, nec dos intelligitur.<lb/> Itaque ii, qui ex eo coitu na-<lb/> scuntur, .... tales sunt .. qua-<lb/> les sunt ii, quos vulgo mater<lb/> concepit: nam nec hi patrem<lb/> habere intelliguntur, cum his<lb/> etiam pater est incertus.”</hi></note>.</p><lb/> <p>Wenn daher die <hi rendition="#aq">L. Julia</hi> für gewiſſe Fälle die Nich-<lb/> tigkeit der Ehe ausſprach (was ich beſtreite), ſo war die<lb/> mildere Meynung in Beziehung auf die Excuſationen ganz<lb/> unmöglich; wenn ſie dagegen (ſo wie ich behaupte) ſolche<lb/> Ehen an ſich gelten ließ, nur mit Verſagung gewiſſer Vor-<lb/> theile, ſo konnte die in der angeführten Stelle dargeſtellte<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [524/0538]
Beylage VII.
bey entſtand die Streitfrage, ob dieſer Ausdruck nach dem
alten jus civile zu verſtehen ſey, oder nach den enger ein-
ſchränkenden Beſtimmungen der L. Julia. Ein alter Juriſt
entſcheidet für die erſte, alſo die mildere Meynung (c); in
dieſer Entſcheidung liegt die ausdrückliche Anerkennung, daß
die L. Julia blos eine relative Unwirkſamkeit der Ehe, in
Beziehung auf einzelne, genau beſtimmte Zwecke zur Ab-
ſicht hatte, nicht die allgemeine Nichtigkeit der Ehe, un-
ter deren Vorausſetzung dieſe Kinder ja gar nicht Kinder
ihres angeblichen Vaters geweſen wären (d).
Wenn daher die L. Julia für gewiſſe Fälle die Nich-
tigkeit der Ehe ausſprach (was ich beſtreite), ſo war die
mildere Meynung in Beziehung auf die Excuſationen ganz
unmöglich; wenn ſie dagegen (ſo wie ich behaupte) ſolche
Ehen an ſich gelten ließ, nur mit Verſagung gewiſſer Vor-
theile, ſo konnte die in der angeführten Stelle dargeſtellte
(c) Fragm. Vaticana § 168.
„Quidam tamen justos secun-
dum has leges putant dici ....
Sed justorum mentio ita acci-
pienda est, uti secundum jus ci-
vile quaesiti sint.” — Daß die
entgegengeſetzte Meynung gleich-
falls Vertheidiger hatte, ſagt hier
der Juriſt ausdrücklich. In einem
andern ähnlichen Fall hatte die
ſtrengere Meynung das Überge-
wicht. Ein Freygelaſſener näm-
lich ſollte durch zwey lebende Kin-
der frey von Laſten und Dienſten
gegen den Patron werden. Da-
bey aber heißt es: ex lege autem
nati liberi prosunt. (L. 37 § 7
de operis libert. 38. 1.) Die lex
iſt natürlich die L. Julia, denn
aus dieſer ſtammte die ganze Be-
günſtigung der Freygelaſſenen her.
(d) § 12 J. de nupt. (1. 10.).
„Si adversus ea, quae diximus,
aliqui coierint: nec vir, nec
uxor, nec nuptiae, nec matri-
monium, nec dos intelligitur.
Itaque ii, qui ex eo coitu na-
scuntur, .... tales sunt .. qua-
les sunt ii, quos vulgo mater
concepit: nam nec hi patrem
habere intelliguntur, cum his
etiam pater est incertus.”
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