hen können, so läßt sich wohl annehmen, daß Ulpian auch nur an die coemtio unabhängiger Frauen in der Aufstel- lung jenes Beyspiels gedacht habe.
Sicherer ist eine merkwürdige Stelle des Livius in der Geschichte der Bachanalien. Hier ist die Rede von einer Freygelassenen, die sui juris ist, unter einem Dativtutor steht, und bereits ein Testament gemacht hat (c). Nach- dem diese der Republik durch Entdeckung einer ausgedehn- ten, höchst gefährlichen Verbindung wichtige Dienste ge- leistet hat, wird sie durch einen Senatsschluß unter an- dern mit folgenden Privilegien belohnt:
Livius XXXIX. 19. Utique Feceniae Hispalae datio, deminutio, gentis enuptio, tutoris optio item esset, quasi ei vir testamento dedisset.
Die Worte datio, deminutio geben so wenig Sinn, daß die Emendation capitis deminutio gewiß unbedenklich ist (d), wodurch allein auch ein sichtbarer Parallelismus in den Ausdruck der drey verbundenen Privilegien gebracht werden kann. Dann heißt hier capitis deminutio ohne allen Zweifel das Recht eine coemtio einzugehen. Da nun hier, wie oben bemerkt, die Frau gewiß suis juris
(c)Livius XXXIX. 9: Quin eo processerat consuetudine capta, ut post patroni mortem, quia iu nullius manu erat, tu- tore a tribunis et praetore pe- tito, quum testamentum face- ret, unum Aebutium institueret heredem.
(d) Diese Emendation wird be- reits vorgeschlagen von Huschke de privil. Feceniae Hispalae Goett. 1822 p. 25, der indessen bey der Erklärung unnöthige Schwierigkeiten in die Stelle bringt.
Beylage VI.
hen können, ſo läßt ſich wohl annehmen, daß Ulpian auch nur an die coëmtio unabhängiger Frauen in der Aufſtel- lung jenes Beyſpiels gedacht habe.
Sicherer iſt eine merkwürdige Stelle des Livius in der Geſchichte der Bachanalien. Hier iſt die Rede von einer Freygelaſſenen, die sui juris iſt, unter einem Dativtutor ſteht, und bereits ein Teſtament gemacht hat (c). Nach- dem dieſe der Republik durch Entdeckung einer ausgedehn- ten, höchſt gefährlichen Verbindung wichtige Dienſte ge- leiſtet hat, wird ſie durch einen Senatsſchluß unter an- dern mit folgenden Privilegien belohnt:
Livius XXXIX. 19. Utique Feceniae Hispalae datio, deminutio, gentis enuptio, tutoris optio item esset, quasi ei vir testamento dedisset.
Die Worte datio, deminutio geben ſo wenig Sinn, daß die Emendation capitis deminutio gewiß unbedenklich iſt (d), wodurch allein auch ein ſichtbarer Parallelismus in den Ausdruck der drey verbundenen Privilegien gebracht werden kann. Dann heißt hier capitis deminutio ohne allen Zweifel das Recht eine coëmtio einzugehen. Da nun hier, wie oben bemerkt, die Frau gewiß suis juris
(c)Livius XXXIX. 9: Quin eo processerat consuetudine capta, ut post patroni mortem, quia iu nullius manu erat, tu- tore a tribunis et praetore pe- tito, quum testamentum face- ret, unum Aebutium institueret heredem.
(d) Dieſe Emendation wird be- reits vorgeſchlagen von Huschke de privil. Feceniae Hispalae Goett. 1822 p. 25, der indeſſen bey der Erklärung unnöthige Schwierigkeiten in die Stelle bringt.
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lung jenes Beyſpiels gedacht habe.
Sicherer iſt eine merkwürdige Stelle des Livius in der
Geſchichte der Bachanalien. Hier iſt die Rede von einer
Freygelaſſenen, die sui juris iſt, unter einem Dativtutor
ſteht, und bereits ein Teſtament gemacht hat (c). Nach-
dem dieſe der Republik durch Entdeckung einer ausgedehn-
ten, höchſt gefährlichen Verbindung wichtige Dienſte ge-
leiſtet hat, wird ſie durch einen Senatsſchluß unter an-
dern mit folgenden Privilegien belohnt:
Livius XXXIX. 19. Utique Feceniae Hispalae datio,
deminutio, gentis enuptio, tutoris optio item esset,
quasi ei vir testamento dedisset.
Die Worte datio, deminutio geben ſo wenig Sinn,
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iſt (d), wodurch allein auch ein ſichtbarer Parallelismus
in den Ausdruck der drey verbundenen Privilegien gebracht
werden kann. Dann heißt hier capitis deminutio ohne
allen Zweifel das Recht eine coëmtio einzugehen. Da
nun hier, wie oben bemerkt, die Frau gewiß suis juris
(c) Livius XXXIX. 9: Quin
eo processerat consuetudine
capta, ut post patroni mortem,
quia iu nullius manu erat, tu-
tore a tribunis et praetore pe-
tito, quum testamentum face-
ret, unum Aebutium institueret
heredem.
(d) Dieſe Emendation wird be-
reits vorgeſchlagen von Huschke
de privil. Feceniae Hispalae
Goett. 1822 p. 25, der indeſſen
bey der Erklärung unnöthige
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/516>, abgerufen am 17.07.2024.
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