Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen. das Staatsinteresse beschränkt sich bey der Handwerkszunftauf den tüchtigen und redlichen Gewerbsbetrieb, und die- ser ist von dem zufällig erworbenen Geldreichthum ganz unabhängig. Aber der Staat in seiner richterlichen Func- tion, als Beschützer aller Rechte, kann hier so wenig als anderwärts zugeben, daß Unrecht geschehe. -- In dieser Beziehung nun ist selbst durch die Meynung derjenigen, welche Einstimmigkeit fordern, nur die eine Seite des Un- rechts abgewendet. Die Sieben Mitglieder werden dann nicht mehr durch die Acht verletzt, wohl aber die Corpo- ration durch alle Funfzehen (d). Auch hier wieder wird die schon oben (§ 90) aufgestellte Vergleichung der Corpo- ration mit einem Unmündigen Alles anschaulicher machen. Wenn ein Pupill Drey Vormünder hat, so sollen nicht Zwey derselben das Vermögen unter sich theilen, und den Dritten ausschließen; aber wenn sie den Dritten zur Thei- lung zulassen, so wird dadurch das Unrecht gegen den Pupillen nicht geringer. Eine besondere Erwägung fordert noch der Fall, da (d) Recht auffallend zeigt sich
dieses in dem Fall, wenn durch eine Seuche alle Meister einer Handwerkszunft, bis auf Einen, sterben, und dieser das Zunftver- mögen zu seinem Privatvermö- gen machen will (§ 89. b). Hier ist gewiß Einstimmigkeit vorhanden. Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. das Staatsintereſſe beſchränkt ſich bey der Handwerkszunftauf den tüchtigen und redlichen Gewerbsbetrieb, und die- ſer iſt von dem zufällig erworbenen Geldreichthum ganz unabhängig. Aber der Staat in ſeiner richterlichen Func- tion, als Beſchützer aller Rechte, kann hier ſo wenig als anderwärts zugeben, daß Unrecht geſchehe. — In dieſer Beziehung nun iſt ſelbſt durch die Meynung derjenigen, welche Einſtimmigkeit fordern, nur die eine Seite des Un- rechts abgewendet. Die Sieben Mitglieder werden dann nicht mehr durch die Acht verletzt, wohl aber die Corpo- ration durch alle Funfzehen (d). Auch hier wieder wird die ſchon oben (§ 90) aufgeſtellte Vergleichung der Corpo- ration mit einem Unmündigen Alles anſchaulicher machen. Wenn ein Pupill Drey Vormünder hat, ſo ſollen nicht Zwey derſelben das Vermögen unter ſich theilen, und den Dritten ausſchließen; aber wenn ſie den Dritten zur Thei- lung zulaſſen, ſo wird dadurch das Unrecht gegen den Pupillen nicht geringer. Eine beſondere Erwägung fordert noch der Fall, da (d) Recht auffallend zeigt ſich
dieſes in dem Fall, wenn durch eine Seuche alle Meiſter einer Handwerkszunft, bis auf Einen, ſterben, und dieſer das Zunftver- mögen zu ſeinem Privatvermö- gen machen will (§ 89. b). Hier iſt gewiß Einſtimmigkeit vorhanden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0364" n="350"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> Perſonen.</fw><lb/> das Staatsintereſſe beſchränkt ſich bey der Handwerkszunft<lb/> auf den tüchtigen und redlichen Gewerbsbetrieb, und die-<lb/> ſer iſt von dem zufällig erworbenen Geldreichthum ganz<lb/> unabhängig. Aber der Staat in ſeiner richterlichen Func-<lb/> tion, als Beſchützer aller Rechte, kann hier ſo wenig als<lb/> anderwärts zugeben, daß Unrecht geſchehe. — In dieſer<lb/> Beziehung nun iſt ſelbſt durch die Meynung derjenigen,<lb/> welche Einſtimmigkeit fordern, nur die eine Seite des Un-<lb/> rechts abgewendet. Die Sieben Mitglieder werden dann<lb/> nicht mehr durch die Acht verletzt, wohl aber die Corpo-<lb/> ration durch alle Funfzehen <note place="foot" n="(d)">Recht auffallend zeigt ſich<lb/> dieſes in dem Fall, wenn durch<lb/> eine Seuche alle Meiſter einer<lb/> Handwerkszunft, bis auf Einen,<lb/> ſterben, und dieſer das Zunftver-<lb/> mögen zu ſeinem Privatvermö-<lb/> gen machen will (§ 89. <hi rendition="#aq">b</hi>). Hier iſt<lb/> gewiß Einſtimmigkeit vorhanden.</note>. Auch hier wieder wird<lb/> die ſchon oben (§ 90) aufgeſtellte Vergleichung der Corpo-<lb/> ration mit einem Unmündigen Alles anſchaulicher machen.<lb/> Wenn ein Pupill Drey Vormünder hat, ſo ſollen nicht<lb/> Zwey derſelben das Vermögen unter ſich theilen, und den<lb/> Dritten ausſchließen; aber wenn ſie den Dritten zur Thei-<lb/> lung zulaſſen, ſo wird dadurch das Unrecht gegen den<lb/> Pupillen nicht geringer.</p><lb/> <p>Eine beſondere Erwägung fordert noch der Fall, da<lb/> das Bürgervermögen in Kämmereyvermögen, oder die in-<lb/> dividuelle Benutzung in Gemeindebenutzung verwandelt wer-<lb/> den ſoll. Auch hier iſt wieder der Beſchluß der Majori-<lb/> tät voͤllig verwerflich, da überhaupt keine Gemeinde als<lb/> ſolche, durch wen ſie auch vertreten ſeyn möge, über die<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [350/0364]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
das Staatsintereſſe beſchränkt ſich bey der Handwerkszunft
auf den tüchtigen und redlichen Gewerbsbetrieb, und die-
ſer iſt von dem zufällig erworbenen Geldreichthum ganz
unabhängig. Aber der Staat in ſeiner richterlichen Func-
tion, als Beſchützer aller Rechte, kann hier ſo wenig als
anderwärts zugeben, daß Unrecht geſchehe. — In dieſer
Beziehung nun iſt ſelbſt durch die Meynung derjenigen,
welche Einſtimmigkeit fordern, nur die eine Seite des Un-
rechts abgewendet. Die Sieben Mitglieder werden dann
nicht mehr durch die Acht verletzt, wohl aber die Corpo-
ration durch alle Funfzehen (d). Auch hier wieder wird
die ſchon oben (§ 90) aufgeſtellte Vergleichung der Corpo-
ration mit einem Unmündigen Alles anſchaulicher machen.
Wenn ein Pupill Drey Vormünder hat, ſo ſollen nicht
Zwey derſelben das Vermögen unter ſich theilen, und den
Dritten ausſchließen; aber wenn ſie den Dritten zur Thei-
lung zulaſſen, ſo wird dadurch das Unrecht gegen den
Pupillen nicht geringer.
Eine beſondere Erwägung fordert noch der Fall, da
das Bürgervermögen in Kämmereyvermögen, oder die in-
dividuelle Benutzung in Gemeindebenutzung verwandelt wer-
den ſoll. Auch hier iſt wieder der Beſchluß der Majori-
tät voͤllig verwerflich, da überhaupt keine Gemeinde als
ſolche, durch wen ſie auch vertreten ſeyn möge, über die
(d) Recht auffallend zeigt ſich
dieſes in dem Fall, wenn durch
eine Seuche alle Meiſter einer
Handwerkszunft, bis auf Einen,
ſterben, und dieſer das Zunftver-
mögen zu ſeinem Privatvermö-
gen machen will (§ 89. b). Hier iſt
gewiß Einſtimmigkeit vorhanden.
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