kunft kein Hinderniß der Rechtmäßigkeit eines solchen auf- lösenden Beschlusses liegen, da nun die Corporation keine Zukunft hat, deren Zustand durch jenen Beschluß etwa in Nachtheil gerathen könnte.
4) Veränderung in der Substanz des Corporations- vermögens. Dieser Fall ist unter allen bey weitem der wichtigste, indem auf der einen Seite der Verlust, wenn ein solcher eintritt, unwiederbringlich ist, auf der andern aber die Gewinnsucht der einzelnen Mitglieder so leicht dazu anreizt, die hülflose Corporation in Nachtheil zu bringen.
Hier ist nun vor Allem augenscheinlich die Ungerech- tigkeit, die aus der unbedingten Herrschaft der Majori- tät hervorgehen kann. Für viele Fälle freylich wird das von Thibaut zugelassene Temperament abhelfen, daß nicht das Staatsinteresse durch den Ruin der Gemeinden ge- fährdet werden dürfe. Allein es gieht noch manches Un- recht ohne Ruin, und es giebt viele Corporationen, die nicht Gemeinden sind. Ein Beyspiel wird dieses anschau- lich machen. Gesetzt, es wandert ein Handwerker aus ei- ner deutschen Stadt nach Indien, erwirbt Reichthümer, und hinterläßt ein großes Kapital der Zunft, deren Mit- glied er vormals war. Besteht diese Zunft aus Funfzehen Meistern, so können, nach Thibauts Regel, Acht dersel- ben, als allmächtige Majorität, das Geld unter sich thei- len, und die übrigen Sieben leer ausgehen lassen. Die von Thibaut zugelassene Einschränkung hilft hier nicht, denn
kunft kein Hinderniß der Rechtmäßigkeit eines ſolchen auf- löſenden Beſchluſſes liegen, da nun die Corporation keine Zukunft hat, deren Zuſtand durch jenen Beſchluß etwa in Nachtheil gerathen koͤnnte.
4) Veränderung in der Subſtanz des Corporations- vermögens. Dieſer Fall iſt unter allen bey weitem der wichtigſte, indem auf der einen Seite der Verluſt, wenn ein ſolcher eintritt, unwiederbringlich iſt, auf der andern aber die Gewinnſucht der einzelnen Mitglieder ſo leicht dazu anreizt, die hülfloſe Corporation in Nachtheil zu bringen.
Hier iſt nun vor Allem augenſcheinlich die Ungerech- tigkeit, die aus der unbedingten Herrſchaft der Majori- tät hervorgehen kann. Für viele Fälle freylich wird das von Thibaut zugelaſſene Temperament abhelfen, daß nicht das Staatsintereſſe durch den Ruin der Gemeinden ge- fährdet werden dürfe. Allein es gieht noch manches Un- recht ohne Ruin, und es giebt viele Corporationen, die nicht Gemeinden ſind. Ein Beyſpiel wird dieſes anſchau- lich machen. Geſetzt, es wandert ein Handwerker aus ei- ner deutſchen Stadt nach Indien, erwirbt Reichthümer, und hinterläßt ein großes Kapital der Zunft, deren Mit- glied er vormals war. Beſteht dieſe Zunft aus Funfzehen Meiſtern, ſo koͤnnen, nach Thibauts Regel, Acht derſel- ben, als allmächtige Majorität, das Geld unter ſich thei- len, und die übrigen Sieben leer ausgehen laſſen. Die von Thibaut zugelaſſene Einſchränkung hilft hier nicht, denn
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§. 99. Juriſtiſche Perſonen. Verfaſſung. (Fortſetzung.)
kunft kein Hinderniß der Rechtmäßigkeit eines ſolchen auf-
löſenden Beſchluſſes liegen, da nun die Corporation keine
Zukunft hat, deren Zuſtand durch jenen Beſchluß etwa in
Nachtheil gerathen koͤnnte.
4) Veränderung in der Subſtanz des Corporations-
vermögens. Dieſer Fall iſt unter allen bey weitem der
wichtigſte, indem auf der einen Seite der Verluſt, wenn
ein ſolcher eintritt, unwiederbringlich iſt, auf der andern
aber die Gewinnſucht der einzelnen Mitglieder ſo leicht
dazu anreizt, die hülfloſe Corporation in Nachtheil zu
bringen.
Hier iſt nun vor Allem augenſcheinlich die Ungerech-
tigkeit, die aus der unbedingten Herrſchaft der Majori-
tät hervorgehen kann. Für viele Fälle freylich wird das
von Thibaut zugelaſſene Temperament abhelfen, daß nicht
das Staatsintereſſe durch den Ruin der Gemeinden ge-
fährdet werden dürfe. Allein es gieht noch manches Un-
recht ohne Ruin, und es giebt viele Corporationen, die
nicht Gemeinden ſind. Ein Beyſpiel wird dieſes anſchau-
lich machen. Geſetzt, es wandert ein Handwerker aus ei-
ner deutſchen Stadt nach Indien, erwirbt Reichthümer,
und hinterläßt ein großes Kapital der Zunft, deren Mit-
glied er vormals war. Beſteht dieſe Zunft aus Funfzehen
Meiſtern, ſo koͤnnen, nach Thibauts Regel, Acht derſel-
ben, als allmächtige Majorität, das Geld unter ſich thei-
len, und die übrigen Sieben leer ausgehen laſſen. Die von
Thibaut zugelaſſene Einſchränkung hilft hier nicht, denn
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/363>, abgerufen am 24.11.2024.
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